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Ausgabe:

1913 Nr. 23

Spalte:

709-711

Autor/Hrsg.:

Eerdmans, B. D.

Titel/Untertitel:

Alttestamentliche Studien. IV. Das Buch Leviticus 1913

Rezensent:

Holzinger, Heinrich

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709

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 23.

710

Theophilos der Inder hat entfchieden einen fcharfen
Blick bewiefen, als er den fchwarzen ,Syrern' feine Auf-
merkfamkeit zuwandte und, wie wir annehmen muffen,
ihre Bekehrung ins Auge faßte. Die Oromö find unbe-
ftritten fehr kulturfähig und zeigen namentlich für den
Ackerbau großes Gefchick, in diametralem Gegenfatze zu
den wilden nomadifchen fjömäli. Letztere find, von den
Arabern abgesehen, nächft den gleichfalls chamitifchen
Fulbe die Hauptträger des Iflams in Afrika, und zwar
als unentwegte Mudfchähidin (Raubmörder auf dem Pfade
Allahs): fie haben gar wohl begriffen, welche Vorteile die
die beftialifchen Inftinkte der Nomaden fo fehr kitzelnde
Wüftenreligion Muhammads dem kulturlofen und kulturfeindlichen
Nomaden bietet, und hätte nicht der gewaltige
Menilek die Boran und die übrigen noch ,heidnifchen' Oromö
rechtzeitig unter den Schirm des Löwen Judas geftellt und
England den Raubzügen der Cömäli über den Dfchuba und
Tana hinaus einen Riegel vorgefchoben, fo wären die Boran,
ohne einheitliche Führung, unter den stets wiederholten,
vom echtiflamifchen unentwegten Willen zum Verbrechen
diktierten heilDen' Kriegen' der Cömäli bald zermalmt worden
. Jetzt' aber befitzen die noch nicht iflamifierten Galla,
zumal wenn fich das Reich Menileks weiter konfolidieren,
gerechte, der europäifchen ähnliche Verwaltung über
das o-anz'e Reich ausbreiten und die Oromö als gleichberechtigte
Untertanen fich demfelben freiwillig anfchließen
füllten als das zahlreichfte Volk Abeffiniens für die zukünftige
religiöfe und kulturelle Entwicklung Afrikas eine
Tanz befondere Wichtigkeit. Von der Entfcheidung der
Mehrzahl diefes kräftigen Volkes für die Lehre Jefu oder
die Wüftenreligion Muhammads wird es abhängen, ob
Afrika europäifch-chriftlicher Kultur ■— ich meine natürlich
durch eigene Arbeit erworbene Gefittung auf der
Grundlage der Menfchenrechte, nicht englifch gefärbtes
Negeraffentum, wie in Liberia — zugeführt werden oder
ob es im Sumpfe des Iflams erfticken wird. Schon das
große aktuelle Intereffe, mit welchem die von der
iflamfreundlichen liberalen Preffe in ihrem Urteil un-
beirrte Menfchheit auf diefes fympathifche Volk blickt,
wird den dringenden Wunfeh rechtfertigen, daß die
oben angeführten Behauptungen namentlich auch von
archäologifcher Seite eingehend auf ihre Richtigkeit geprüft
werden mögen. An der Identität der fchwarzen
Syrer des Philoftorgios mit den Oromö kann aber wohl
kein Zweifel mehr beftehen. Ich habe mich daher für
berechtigt gehalten, ihnen auf der vor zwei Jahren angefertigten
historischen Überfichtskarte des mittelalterlichen
Nordafrika zu meinem Werke ,Die Benin-Sammlung des
Reichsmuseums für Völkerkunde in Leiden' (Leiden 1913)
den gebührenden Platz anzuweifen.

Berlin. Jof- Marquart.

Eerdmans Prof. B. D.: Altteltamentliche Studien. IV. Das

Buch Leviticus. (IV, 144 S.) gr. 8°. Gießen, A. Töpel-
mann 1912. M- 44°

Mit großem, unermüdlich bohrendem Scharffinn fucht
Eerdmans Punkte auf, an denen die heute i. g. noch vor-
herrfchende Pentateuchanalyfe fich als undurchführbar
erweifen foll. In peinlichem Verhör Hellt er Fragen, auf
die der Angeklagte keine Antwort zu geben vermag, und
ift überzeugt, daß das Kartenhaus von deffen Angaben
zufammenftürzen muß. Lev. enthält nach E., entgegen
der .kritifchen' Anficht, beinahe ausfchließlich vorexilifche
Gefetze. Die Heraushebung eines Heiligkeitsgefetzes ift
ein Wahn; die hier vorliegende Sammlung von Gefetzen
ift L g. einheitlich und enthält die gefetzlichen Vorfchriften
der Priefterfchaft des Tempels zu Jerufalem. Diefe Gefetze
waren fchon vor Hiskia in eine Erzählung über die
Ereigniffe am Sinai einverleibt gewefen (vgl. 24,1—3. 5—9)
und find im 8. Jahrhundert in der Zeit von Ahas und
Hiskia, vielleicht auf eine befondere Rolle abgefchrieben
und mit zeitgemäßen Bemerkungen verfehen worden, die

fich auf den Melechkult beziehen. Der religiöfe Reveil
diefer bedrängnisvollen Zeit führte Ahas und das Volk
dazu, auf alte religiöfe Sitten zurückzugreifen. Auch die
Priefter des Tempels taten dies in ihrer Weife. Sie verpönten
den alten Melechkult, brachten jedoch auch ihrer-
feits längft vergeffene Vorfchriften in den Vordergrund und
erinnerten an das Jobeljahr und die früheren Abgaben an
die Priefter (cp. 25—27). Die Schlußrede 26,3—46 fetzt
diefe Gefetze in eine den Zeitumftänden angemeffene Beleuchtung
: das Schickfal des Nordreichs war eine Warnung.
Als Anhang wurde der nur für Priefter beftimmte Tarif
cp. 27 aufgenommen. Wie das Dtn. das Buch der Reform
Jofias ift, ift Lev., wegen cp. 25—27, als Buch der Reform
Hiskias zu betrachten.

Eine eigentliche Auseinanderfetzung mit der oft fehr
komplizierten Begründung diefer Anficht ift im Rahmen
einer Anzeige unmöglich. Es fei Befchränkung auf ftich-
probenmäßige Heranziehung einiger einfacherer Beifpiele
der Argumentationen von Eerdmans geftattet.

E. geht, was übrigens die von ihm bekämpfte Grundauffaffung fich
immer offen gehalten hat, mit befonderer Sorgfalt der Feftftellung aller
Bräuche und Anfchauungen nach. Bei der, von E. gelegentlich felbft
(z. B. S. 100) betonten Lebenszähigkeit folcher Altertümer kann man über
das Recht eines Schluffes vom Alter der Anfchauung auf das Alter der
literarifchen Fixierung (z. B. S. 70. 98. 110. 116) doch oft recht ver-
fchiedener Anficht fein. Dazu konftatiert E. gelegentlich Altertümliches,
das einfach nicht ift. Seine Annahme polytheiftifcher Anklänge (S. 97 f.
Il8f.) wird fchwerlich viel Beifall finden: wenn Lev. 19, 14. 32 ,dein
Gott' nicht eben Jahwe fondern ein Schutzgenius wäre, fo mußte es m. E.
heißen ,du follft dich fürchten vor feinem Gott'; und wenn 24, 15f. dahin
erklärt wird, wer feinem Schutzgenius flucht, fällt göttlicher Rache,
nicht menfehlicher Strafe anheim, welch letztere nur auf Läfterung Jahwes
fleht, fo wird zu fagen fein, daß der Ausdruck IRürT XtüJ nur heißt:
die Folgen zu tragen haben.

Den heute verpönten Beweis aus dem Sprachgebrauch zieht E. heran
, wo er in Lev. Ausdrücke Jefajas findet und fchließt daraus auf die
Zeit Hiskias (S. 101), als ob Schlagworte, wie D'Üs'ÜsX, wenn fie einmal
geprägt waren, nach der Zeit Jefajas hätten außer Gebrauch kommen
muffen. Die Frage nach dem Verhältnis zum Sprachgebrauch Ezechiels
dagegen wird S. 134 nur fehr kurz berührt.

Der goldene Räucheraltar (S. 30ff.) ift nach E. gerade im falomo-
nifchen Tempel geftanden, im nachexilifchen nicht mehr vorhanden. Diefen
vorexilifchen Altar findet E. in Ez. 41,21 (dann aber ftatt des Tifches!)
bezeugt — aber ein Geräte, das ,wie ein Altar ausfieht' ift ausdrücklich
kein Altar. Gegen einen Tifch foll die Höhe von 3 Ellen fprechen —
der Tifch vor dem babylonifchen Sonnengott bei Greßmann, altorieut.
Texte und Bilder II Nr. 92 wird fo hoch fein. Merkwürdigerweife traut
E. der Legende 2 Makk. 2,5 Kenntnis der urfprünglichen Bedeutung
des Räucheraltars zu; diefelbe konnte aus der Gloffe in Ex. 30,6 abgeleitet
werden. Wenn übrigens das Räuchern nur den Zweck hatte, die
Gefährlichkeit der Gegenwart Gottes zu mildern und einen fchützenden
Nebel im Heiligtum entliehen zu laffen (S. 13), fo brauchte man gerade
dazu keinen Altar; dazu genügte das Hereintragen von Räucherpfannen.
Daß Ex. 30, 1—10 nachexilifche Wiederaufnahme einer aus dem vorexilifchen
Original von Ex. 25—29 ausgefchiedenen Perikope fei, ift gerade
dann recht unwahrfcheinlich, wenn gerade die nachexilifche Zeit den
Räucheraltar nicht mehr kannte.

Befonders auffallend ift bei E. eine Vorliebe für neue, überrafchende,
um nicht zu fagen verblüffende Deutungen. In I Sa. 2, 12 ff. lieft er
(S. 26), daß fchon in der ganz alten Zeit der Priefter Anrecht auf ein
beftimmtes Stück des Opfertiers hatte, den Söhnen Elis aber das nicht
genügte, weshalb fie in der v. 13 befchriebenen Weife mehr zu bekommen
fuchten. Eine Mißhandlung des Textes fcheint mir die Exegefe von 1 Sa.
21,6 zu fein (S. ic»4f.): hier findet E. einen Beleg dafür, daß die Unter-
fcheidung von heilig und hochheilig im Sinn von ,P' fchon in der älteften
Zeit bekannt war. Das Bedenken des Priefters ift nämlich nicht, daß
David und feine Leute wegen fexueller Unreinheit kein heiliges Brot effen
dürfen, die Frage ift vielmehr, ob man die hochheiligen Brote aus dem
Tempel hinaustragen darf; da beruhigt ihn David: der Weg, den die
Brote zu machen haben, fei durch die heiligen Waffen feiner Krieger
geweiht. Die übliche Argumentation aus Lev. 18, 18 wird damit ab-
gewiefen, daß die Stelle nicht, entgegen dem alten Brauch, Doppelehe
mit Schwertern überhaupt verbiete, fondern "nsb befage, nur Doppelehe
zum Zweck der Ausfchließung der zuerft geheirateten vom gefchlechtlicheu
Verkehr fei zu vermeiden — als ob das bei anderer Doppelehe erlaubt
gewefen wäre (vgl. Ex. 21, 10); diefer Sinn wird erfchloffen aus t*Pt
2 Sa 20, 3; aber dort ift von ,Einfchließen' der vom Gefchlechtsverkehr
ausgefchloffenen die Rede; fodaun aber verbietet das rrÄ? am Schluß

des Verfes — um vom Tenor des ganzen Kapitels garnicht'zu reden _

ausdrücklich eben den gleichzeitigen gefchlechtlichen Verkehr mit zwei
Schwertern.

Lev- 5. 17—19 f°u offen halten, daß der Sünder nicht felbft zu opfern
braucht, fondern das Geld für den vom Priefter für einen Widder geforderten
Preis zum Heiligtum fchicken kann (S. 13) _ ich vermag das

beim beften Willen in dem Text nicht zu finden —, und 2 Kg 12, 17

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