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Ausgabe:

1913 Nr. 22

Spalte:

700

Autor/Hrsg.:

Stuba, B.

Titel/Untertitel:

Tod u. Unsterblichkeit. Was Denker u. Dichter darüber sagen 1913

Rezensent:

Steinmann, Theophil

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 22.

700

logie in der Zeit der beginnenden hochmittelalterlichen ariftote-
lifchen Scholaftik. Er führt in die altauguftinifchen, thomiftifchen
und fkotiftifchen Probleme ein, den Thomismus und feine ge-
fchichtliche Bedeutung in den Mittelpunkt der Betrachtung hellend.
Da der ariftotelifche Wiffenfchaftsbegriff, mit dem Herväus noch
gründlicher Ernst macht als fein Meifter Thomas, ein wiffen-
fchaftliches Wiffen nur dort anerkennt, wo es auf Prinzipien, die
durch (ich felbft bekannt (evident) find, zurückgeführt werden
kann, fo ift die Theologie keine Wiffenfchaft im ftrengen Sinn.
Sie ift nicht einmal recht eigentlich eine ,Subalternwiffenfchaft',
die die Prinzipien einer echten Wiffenfchaft vorausfetzt, ohne
für ihren Bereich und Bedarf fle zu ,wiffen'. Denn auch die Tat-
fächlichkeit ihrer Prinzipien, d.h. der Glaubensartikel, wird geglaubt
, nicht gewußt. Über denfelben Gegenftand aber zu
gleicher Zeit Glauben und Wiffen zu haben, wie die vorangegangene
,auguftinifche' Tradition annahm, wird von Thomas für
unmöglich erklärt. Sein ariftotelifcher Wiffenfchaftsbegriff bricht
darum gründlich mit der überkommenen ,auguftinifchen' An-
fchauung. Der Ariftotelismus bringt die Theologie um ihren
wiffenfchaftlichen Charakter. Von thomiftifchen Dominikanern
wurde auch die franziskanifche fkotiftifche Kritik nicht als ganz
abwegig angefehen. In ihren bedeutenderen Vertretern haben fie
die — doch nur bedingt aufgeteilte — Subalternationstheorie des
Thomas preisgegeben (S. 48) und nur das darin enthaltene Stück
Kritik mit den Franziskanern feilgehalten. Sobald es aber gilt,
die Theologie unter die ariftotelifche Rubrik des Spekulativen
und Praktifchen zu bringen, wird der Abftand zwifchen Skotis-
mus und Thomismus unüberbrückbar. Für Thomas ift der letzte
Zweck der Theologie die Anfchauung der erften Wahrheit im
Himmel. Sie ift ein fpekulatives Wiffen um die höchfte Urfache
und darum in erfter Linie fpekulativ. Während nun Thomas mit
Ariftoteles und den Griechen das fpekulative Wiffen für würdiger
erklärt als das praktifche, macht Scotus den Willen zum edleren
Seelenvermögen. Die Willenstat ift die Liebe. Darum ift die
praktifche Wiffenfchaft edler als die fpekulative. Und da nun
die Theologie eine der rechten Willensrichtung auf Gott vorausgehende
Erkenntnis ift, fo ift fie eine praktifche Wiffenfchaft.
Hier werden Gedanken Bonaventuras weiter gefponnen. Mit der
ariftotelifchen Definition der Wiffenfchaft und der daraus reful-
tierenden Leugnung eines ftreng wiffenfchaftlichen Charakters
der Theologie und mit der ariftotelifchen Überordnung des Spekulativen
über das Praktifche und der Zuweifung eines vornehmlich
fpekulativen Charakters an die Theologie rechtfertigt Herväus
das thomiftifche Syftem.

Der zweite Teil des Krebs'fchen Buches legt die Magiftri
Hervaei Natalis defensa doctrinae D. Thomae in fortlaufendem Exzerpt
aus Cod. Vat. lat. 817 mit Paralleltexten in Anmerkungen
und Scholien aus gedruckten und ungedruckten Schriften des
Herväus und anderer Hochfcholaftiker von Wilhelm von Auxerre
bis Johann von Baconthorp vor.
Tübingen. Scheel.

Hegel, Prof. D. Georg Wilhelm Friedrich: Naturrecht u. Staats-
wiffenfchaft im Grundriffe. Zum Gebrauch f. feine Vorlefgn.
Grundlinien der Philofophie des Rechts. Berlin 1821. Mit den
von Gans red. Zufätzen aus Hegels Vorlefgn. neu hrsg. v.
Paft. Geo. Laffon. (Philorophifche Bibliothek Bd. 124.)Leipzig,
F. Meiner 1911. (XCV, 380 S.) 8". M.5.40
Die vorliegende Ausgabe von Hegels Rechtsphilofophie greift
gegenüber der Ausgabe von Gans auf die Erftausgabe von 1821
zurück und bietet diefe ,in möglichft leicht lesbarem Text' nebft
Namen- und Sachregifter. Vorangeftellt ift eine tiefeindringende,
ausführliche Einleitung von Georg Laffon, einem unferer erften
Hegel-Kenner, die ,das großartige Werk durch eine immanente
Kritik dem Verftändniffe der Gegenwart näher zu bringen' verrucht
. Auch wer nicht, wie der Herausgeber, im Geift und felbft
in der Terminologie Hegels die ihm kongeniale Philofophie zu
erblicken vermag, wird doch die fachkundigen Ausführungen über
die Stellung der Rechtsphilofophie in Hegels Syftem, über ihre
Vorausfetzung, Anlage und Ergebniffe, fowie die Würdigung der
in ihr niedergelegten ,hiftorifchen', liberalen' und nationalen' Idee
mit großem Nutzen lefen. Bildet nach L. Hegels Rechtsphilofophie
,den Gipfelpunkt einer geiftigen Arbeit, an der feit min-
deftens einem halben Jahrhundert die führenden Männer des
Zeitalters tätig gewefen waren' (LX), fo ermäßigt er dies Lob
felbft durch die Erkenntnis, ,daß Hegel weder die Gefichtspunkte
des Naturrechts ganz überwunden, noch den Gewinn aus dem Kant-
Fichte'fchen Standpunkt vollkommen feilgehalten hat' (LXVII).
Daß Hegels Werk ,von dem wahrhaft ftaatsmännifchen Geifte

eines befonnenen Liberalismus' durchweht ift, daß er ein Idealbild
des Staates feiner Gegenwart' zeichnet (XLVIII, LXXX), ift
unbeftreitbar; daß der naturrechtlichen Konftruktion des Staates
gegenüber fein gefchichtlicher Charakter betont wird (LXIV ff),
bedeutet einen unleugbaren Fortfehritt über Kant und Fichte
hinaus. Aber unleugbar bleibt doch, daß Hegel dem ftaatlichen
Leben feiner Gegenwart ,eine Art von fakrofanktem Charakter'
beigelegt hat (XLII) und dadurch dem Geift der Karlsbader Be-
fchlüffe bedenklich nahe gekommen ift. Die Denunziation gegen
Fries (S. 8 ff), die man felbft heute nur mit Zorn lefen kann, hätte
L. nicht befchönigen follen. Sie, wie das Urteil über die Wert-
lofigkeit derSchleiermacher'fchen Glaubenslehre(LXXXVII) zeigen
deutlich, wie weit der Philofoph von einer leidenfchaftslofen Würdigung
der fchaffenden Kräfte feiner Zeit, die ihm feine Anhänger
andichteten, entfernt war.
Göttingen. Titius.

Schultze, Pfr. Emil: Tod u. Leben. Unterfuchungen üb. das Fortleben
nach dem Tode. (199 S.) 80. Bafel, F. Reinhardt 1913.

M. 2.40; geb. M. 3.20

Stuba, B.:Tod u. Unlterblichkeit. Was Denker u. Dichter darüber
fagen. (100 S.) 8". Gütersloh, C. Bertelsmann. 1912.

M. 2—; geb. M. 2.50
Das Buch von Emil Schultze ift nicht für folche, die das
ganze Gewicht der hier vorliegenden Probleme empfanden. Ift
ihm doch z. B. die Berufung auf das Grauen des Menfchen vor
dem Tode eine beachtliche Inftanz für den Unfterblichkeitsglauben
anftatt lediglich einer fehr verständlichen Äußerung des anima-
lifchen Lebenswillens, die als deffen irdifcher Erhaltung dienend
vollauf verständlich wird. Auch der Confenfus der Primitiven
macht ihm einen gewiffen Eindruck. Das Buch ift für folche Lefer,
deren Unfterblichkeitsgewißheit ein Intereffe hat für Erörterungen
über die Nähe des Weltendes, oder darüber, wie die Seele empfinden
mag, unmittelbar nachdem fie vom Leibe frei geworden
ift, und ob wohl die Entfehlafenen, die uns im Leben nahe gestanden
haben, noch etwas von uns wiffen, oder auch über die
neue Leiblichkeit und ihr Verhältnis zur alten, ob ewige Verdammnis
oder Apokataftafis. Solche finden hier eine nüchterne
und fympathifche Behandlung diefer und anderer Fragen und gewiß
auch mancherlei Erwägungen, die ihre fchon vorhandene
Gewißheit kräftigen wird.

Stuba gibt uns eine Sammlung von Worten bekannter und
unbekannterer Denker und Dichter über Tod und Unlterblichkeit.
Die Sammlung ift erfolgt ,um des Trostes willen, der in diefer
(der Unfterblichkeits-) Überzeugung liegt'.
Gnadenfeld. Th. Steinmann.

Jones, Prof. Dr. Erneft: Der Alptraum in feiner Beziehung zu gewiffen
Formen des mittelalterlichen Aberglaubens. Deutfch von
Dr. E. H. Sachs. (Schriften zur angewandten Seelenkunde.
14. Heft.) (III, 149 S.) gr. 8°. Wien, F. Deuticke 1912. M. 5 —
Die Ausführungen des Verfaffers bewegen fich, wie die
meisten Publikationen diefes fruchtbaren, amerikanifchen Arztes
und Pfychologen, auf dem Boden der Freud'fchen Pfychologie
und gestatten etwa folgende Zufammenfaffung: Träume haben von
jeher bei allen Völkern eine wichtige Rolle gefpielt beim Entstehen
des Glaubens an eine freie Seele, die (Ich getrennt vom
Körper bewegen kann, an übernatürliche Wefen, Verbindung mit
den Abgefchiedenen, an die Umwandlung von Menfchen in Tiere.
Diefe Anfchauungen werden gekennzeichnet durch den Glauben
an Inkubus, Vampyre, Wehrwölfe, Teufel und Hexen. Verfaffer
will zeigen, daß all diefen Träumen, die zu folchem Aberglauben
geführt haben, fexuelle Wünfche zugrunde liegen, die aus dem
Bewußtfein verdrängt wurden, weil fie mit der Sitte, dem fozialen
oder kulturellen Milieu kontrastierten. Die Verdrängung bedingt
auch die angfterregende Form derTraumgeftalten und des Traumes.
Vielfach feien diefe fexuellen Wünfche Inzeftregungen: aus der
Kindheit erhaltene, fexuelle Neigungen zu Vater oder Mutter.
Die Kirchen haben fleh diefer Traumphaenomene bedient und
fie z. T. dogmatifch ausgestaltet. So find alfo Teufelsglaube,
Hexenepidemien und Hexenprozeffe letzten Endes auf die Verdrängung
der durch Sitte und Kultur verbotenen Sexualwünfche
zurückzuführen.
Chemnitz. Weber.

Brennecke, Geh. San.-Rat Dr.: Quousque tandem! Kritifche Bemerkungen
zum Kampf gegen die Gefchlechtskrankheiten
Vortrag, geh. in Magdeburg. (32 S.) 8°. Marburg a. L., Verl.
d. Chriftl. Welt 1912. M. — 50