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Ausgabe:

1913 Nr. 22

Spalte:

692-695

Autor/Hrsg.:

Sanday, William

Titel/Untertitel:

Christologies ancient and modern 1913

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 22.

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Die beiden kurzen Abriffe feines Syftems, die Leibniz • Geiftes diefes Buchs mögen einige Sätze aus der Einleitung

in den ,Principes de la nature et de la gräce' und in der
fog. Monadologie hinterlaffen hat, haben mancherlei Ver
wechfelungen veranlaßt. Noch neuerdings ift als Adreffat

dienen: S. 7: ,Die Härefie der einen Generation ift die
Orthodoxie der nächften'. S. 8: ,Dogma ift der Teil der
Lehre, von dem die Menfchen vergeffen haben, daß er

der Monadologie Prinz Eugen von Savoyen angefehen, [ eine Gefchichte hat, und von dem fie befchloffen haben,

während ein Brief Remonds vom 9. Jan. 1715 beweift, daß i daß er keine Gefchichte mehr haben foll'. S. 11: ,Die Be-

die dem Prinzen Eugen gewidmete Schrift die ,Principes' j hauptung, daß die Theologie mit der Philofophie nichts

waren. Steht deren Beftimmung und Abfaffungszeit damit zu fchaffen habe, führt dahin, daß wir eine fchlechte Philo-

feft, fo fragt der Verf. vorliegender Schrift nun nach den fophie haben, d. h. wir haben dann eine Philofophie, mit

Entftehungsverhältniffen der eng verwandten Monadologie, der wir arbeiten, ohne fie geprüft zu haben, ftatt eine

Er nimmt dazu eine gründliche Vergleichung mit den • zu haben mit der wir arbeiten, weil wir fie geprüft haben'.

,Principes' vor. Die beffer disponierte Schrift gilt ihm als , S. 18: ,Es liegt ein eigentümliches Pathos in der robuften

jünger. Außerdem aber unterfucht er die inhaltlichen i Originalität, die gute Männer in Amerika auf Probleme

Abweichungen und fucht fie in Beziehung zu bringen mit ; verwenden, welche in Deutfchland längft gelöft find',

der Entwicklung der Leibnizfchen Philofophie, wie fie im j M. ftatuiert als die drei Markfteine in der Entwicklung

Briefwechfel der Jahre um 1714 fich gibt. der Geiftesgefchichte das Erfcheinen der 3 Bücher: Kant,

Dabei beftätigt fich durchgehends, daß die Monado Kr. d. r. V., Strauß, Leben Jefu und Darwin, Origin of

logie die jüngere Schrift ift. Sie ift beffer aufgebaut und Species. Demgemäß handelt nach einem einleitenden

enthält wichtige Stücke, die in den Principes fehlen, die ! Kap. (Deismus, Rationalismus, Pietismus, äfthetifcher Idea-

fich aber erklären aus der gründlichen Revifion, der t lismus) das 2. Kap. von der idealiftifchen Philofophie, das

Leibniz feine Philofophie im Verlauf des Briefwechfels mit ! 3. von dem theologifchen Neubau (Schleiermacher, Ritfehl),

Clarke 1715—16 unterzog. Faft ftets fcheinen die von I das 4. von der kritifchen und hiftorifchen Bewegung

gründlicher Kenntnis Leibniz'zeugenden und fcharffinnigen j (Strauß, Baur, Leben Jefu-Forfchung, Wellhaufen, Har-

Unterfuchungen des Verf. triftig. j nack), das 5. von dem Beitrag der exakten Wiffenfchaften

Nur etwa das Verftänduis von Monad. 88, das er S. 15 gibt, icheint j (Pofitivismus, Naturalismus und Agnoftizismus, Entwick-

im Hinblick auf Monad. 4 und 77 nicht richtig. Ebenfo fcheint mir ! lung, Wunder, Soziologie). Ein 6. Kapitel berichtet von

Monad. 32 das Prinzip des zureichenden Grundes nicht dem des Wider- j dem Beitrag der engliich fprechenden Länder: die Dich-
fpruches übergeordnet Die .enonciation vejitable' beruht eben nicht auf te Coleridge, die Orielfchule, Erskine und Campbell,
dem Wideripruch, fondern auf dem zureichenden Grunde. — - -- ' -- ...

Die Entftehungszeit der Monadologie ift alfo durch
den Briefwechfel mit Clarke, der fich bis in den Juni 1716
erftreckte, beftimmt, fie fällt in die letzten Monate vor
dem Tode Leibniz'. Gewidmet aber ift fie nach Anficht

Maurion, Chamming, Bufhnell, Newman, Modernismus,
Robertfon, Brooks, Broad Church, Carlyle, Emerfon,
Arnold, Martineau, James. Leider ift das letzte Kapitel
fo kurz, daß man kaum einen rechten Eindruck davon

des Verf. eben jenem Remond, deffen Intereffe für Leib- j bekommt, wte diefe Englander und Amerikaner zwar
niz' Theodizee feftfteht und dem eben die Theodizeezitate 1 m^^.fur /r-e Theologie im fchulmaßigen Sinn, aber für
der Monadologie entgegenkommen. Diefer Thefe ift in ! Christian thought doch fehr wefenthehe Beitrage geliefert
foweit notwendig zuzuftimmen, als Leibniz wenigftens eine I haben. Am meiften angeifbar ift die Darfteilung im
Abfchrift der Monadologie (die Verweife auf die Theo- f KaPhel, was freilich auch wieder mit der Kurze zu-
dizee finden fich nur in einer Hdfchr. der Monadologie) [ammenhangt (Fichte s Leben und Philofophie populär
für Remond beftimmt hatte befchneben auf 3 % S.). Hauptbeitrag der Philofophen von

Kant bis Hegel für die Religion ift nach M. die Uber-

Göttingen. E. Kohlmeyer.

Moore, Prof. Edward Caldwell: An Outline of the History
of Christian Thought since Kant. (X, 249 S.) 8°. London,
Duckworth & Co. 1912. s. 2.6

Wer als deutfeher Student der Theologie oder Philofophie
auf der amerikanifchen Harvard-Univerfität ftudiert,
muß erftaunt und faft gerührt fein über die Verehrung:
welche dort die deutfehe Wiffenfchaft genießt. Die Worte
rückhaltlofer, begeifterter Bewunderung für Harnack,
O. Pfleiderer, Troeltfch, die ich vor allem in der Vorlefung
Christian Thought since Kant von Prof. E. C. Moore gehört
habe, wird man in keinem deutfehen Hörfaal vernehmen
. Der eben Genannte hat nun die Grundgedanken
diefer Vorlefung im Druck erfcheinen laffen; das Buch
trägt die Widmung: Adolf Harnack an feinem 60. Geburtstag
von feinem erften amerikanifchen Schüler. Es
ift die erfte Gefchichte der proteftantifchen Theologie
des 19. Jahrhunderts aus amerikanifcher Feder, wefentlich
kürzer und populärer als die ja auch ins Englifche überfetzten
von O. Pfleiderer und F. Lichtenberger, fich ganz
auf die Grundgedanken der Hauptvertreter befchränkend
und darum gewiß befonders geeignet, die englifch lefende
Welt mit der deutfehen Arbeit noch mehr bekannt zu
machen. Hauptabficht des Buchs ift laut Einleitung
(S. 8): Die Beziehung des Fortfehritts der chriftlichen

windung des Supranaturalismus, die Auflöfung der dreieckigen
' Weltanfchauung (Gott, Menfch, Natur) in den
modernen Monismus. Daß zwifchen der Philofophie
jener ,Könige des Gedankens' und zwifchen dem, was
heute ,auf jedermanns Lippen' ift, Unterfchiede beftehen,
welche nicht bloß mit der ,Schulfprache' jener Philofophen
zufammenhängen (S. 66), das wird bei der Kürze der
Darftellung kaum genügend deutlich.

Crailsheim. R. Lempp.

Sanday, Prof. William, D.D., LL.D., Litt. D.: Christologies
ancient and modern. (VIII, 244 S.) gr. 8°. Oxford,
Clarendon Press 1910. s. 6 —

Der Verfaffer ift für uns kein Fremder. Er hat fich
fchon wiederholt als trefflichen Kenner der deutfehen
theologifchen Forfchung, befonders in bezug auf das
Leben Jefu, erwiefen, und umgekehrt haben deutfehe
Theologen ihm bezeugt, mit wieviel Intereffe fie feiner
Arbeit folgen. Vgl. befonders Wernles Befprechung
feiner Schrift The Life of Christ in recent Research in
diefer Zeitfchrift 1909, Col. 98 ff. Das Buch befteht aus
acht Vorlefungen und dazu einer zu einem Vortrag
umgeftalteten Predigt. In frifcher, lebendiger Sprache
entwickelt Sanday feine gewichtigen, fchwierigen Fragen.
Die zwei erften Vorlefungen gelten der .alten'Chriftologie,

T.hri'v a aez*etxunS des Fortichntte der chriftlichen derjeni en die die alte Kirche fchließlich zum Dogma
Lehre zu der aUgernemen Geiftesgefchichte im 19. Jahrh. geftaltete. Aus der lebendigen Tradition der Jünger über

geftaltete. .

die Erfcheinung Jefu heraus befaß die Kirche den Eindruck
von deffen .Gottheit', die Vorftellung, den .Glauben',

aufzuzeigen, Nebenabficht: zu erweifen, daß Vernunft und
Glaube nicht im Streit liegen müffen. Die hiftorifche

Darfteilung ift um diefer Nebenabficht willen ftets mit daß Jefus"in" Menfchengeftalt Gott felbft gewefen fei.
Reflexion und Kritik gemifcht, für unfern deutfehen Ge- : JDie erfte Art von chriftologifcher .Theorie', die lieh im blicke auf

fchmack manchmal ftörend. Zur Charakterifierung des I das Alte Teftament, die dort berichteten Theophanien, ergab, war der