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Ausgabe:

1913 Nr. 2

Spalte:

46-49

Autor/Hrsg.:

Holl, Karl

Titel/Untertitel:

Luther und das landesherrliche Kirchenregiment 1913

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 2.

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Ausgabe, entbehrt aber — im Gegenfatz zu den Sammlungen
etwa von E. Preufchen (Analecta), C. Kirch (En-
chiridion fontium historiae ecclesiae antiquae), A. Galante
(Fontes iuris canonici selecti) und C. Mirbt (Quellenfamm-
lung zur Gefchichte des Papfttums) — der näheren Hinweife
auf die erläuternde Literatur: der Benutzer foll fürs erfte
mit dem Wortlaut und Geift die Quellen fich vertraut
machen, ehe er in das Labyrinth zahlreicher Kontroverfen
eindringe. Ich flehe nicht an, Plan und Anlage des Unternehmens
dankenswert zu nennen und froh zu begrüßen.
E. bietet natürlich mehr als die Herausgeber anderer
Sammlungen zu bringen vermochten, zumal da ihr Ziel
nicht ex professo auf die Darfteilung des Kirchenrechts
gerichtet war, da z. B. Altmann und Bernheim die Ver-
faffung des deutfchen Reiches und feiner Teilglieder
während des Mittelalters, Zeumer die Verfaffung des
deutfchen Reiches in Mittelalter und Neuzeit berück-
fichtigt haben. Mögen alle diefe Hilfsmittel des Studiums
und des Unterrichts in diefer oder jener Mitteilung fich
decken —, E.s Arbeit ift auch deshalb fo willkommen,
weil fie Materialien in fich birgt, die man anderwärts bis- I
lang nicht zu folch bequemer Benutzung zugerichtet fand,
wie z. B. S. 67 fr. die Ordines der Königs- und Kaifer-
krönung, verbunden mit Berichten über die Krönungsfeierlichkeiten
zu Aachen im Jahre 936 und zu Rom im
Jahre 962. Oft wiederholt auch ift der Text der Kon-
ftantinifchen Schenkungsurkunde (z. B. bei Galante, 1. c.
p. 89sqq. n. 22, Mirbt, a. a. O.3 S. 81 ff. n. 194, dazu bei
J. Haller, Die Quellen zur Gefchichte der Entftehung des
Kirchenftaates, Leipzig und Berlin 1907, S. 241fr.), E. aber
vereinigt mit einem Auszug aus ihm (S. 113 fr. n. 45 a)
noch weitere auf ihn bezügliche Dokumente, darunter
('S. U9f. n. 45 e) die oft behandelte, ficher echte Urkunde
Ottos III. vom J. 1001, nach welcher Johannes diaconus
cognomento digitorum mutilus praeceptum aureis litteris
scripsit et sub titulo magni Constantini longi mendacii
tempora finxit. Diefe Angabe ift natürlich Legende, aber
es ift gut, daß der Lefer des Constitutum Constantini
erfährt, daß noch zu Beginn des 11. Jahrhunderts die
Schenkung als plumpe Fälfchung erkannt wurde, um dann
bis ins 15. Jahrhundert hinein als echt zu gelten. —

Ein zweites Heft foll als Fortfetzung das Verhältnis
von Staat und Kirche bis etwa zur Mitte des 14. Jahrhunderts
erläutern. Wir fehen ihm mit gefpannter Hoffnung
entgegen, weil wir aus ihm nicht geringere Belehrung
uns verfprechen als fie aus dem erften Hefte uns
zu Teil wurde. Der Herausgeber hat mit feiner Sammlung
im Ganzen einen Plan verwirklicht, der uns felbft
vor Zeiten befchäftigte, um dann infolge anderer Arbeiten
fallen geladen zu werden. Möchte fie auch in den Kreifen
unferer Kirchenhiftoriker freundliche Aufnahme finden
und zu ihrem Teil die Lücke füllen helfen, die im Studiengange
unferer proteftantifchen Theologen klafft und
auf irgendwelche Weife einmal ausgefüllt werden muß,
d. h. möchte fie den Mangel an Kenntnis der Kirchen-
rechtsgefchichte tilgen helfen, — leider nicht allein der
Gefchichte des katholifchen Kirchenrechts und feiner Entwicklung
.

Königsberg i. Pr. A. Werminghoff.

Egranus, Job.. Sylvius: Ungedruckte Predigten (geh. in
Zwickau u. Joachimsthal 1519—1522). Zum erftenmal
veröffentlicht v. Pfr. D. Dr. Geo. Buchwald. (Quellen
u. Darftellungen aus der Gefchichte des Reformationsjahrhunderts
. Hrsg. v. G. Berbig. 18. Bd.) (VIII,
Ui S.) 8°. Leipzig, M. Heinfius Nachf. 1911. M. 5.50

Eine wertvolle Veröffentlichung, weil die Predigten das
vielgeftaltige Leben der erften Reformationszeit uns an-
»r?T vor Auger» führen! Joh. Sylvius Egranus, Joh.
Wfidenauer aus Eger, ift manchmal höchft abfällig beurteilt
worden; namentlich find über fein Ende, da er mit

dem Jahre 1534 ganz fpurlos verfchwindet, abenteuerliche
und entehrende Gerüchte verbreitet. Aber unfere Predigten
zeigen einen ernft und aufrichtig fachenden Mann, der in
dem Widerftreit der Anflehten feine fefte Stelle einnehmen
möchte, der aber doch für ,nitt Chriftlich' hält, ,das folche
red gehört werden: Ich bin Lutherifch, Ich bin Pepftifch,
Ich bin Eckifch u. dgl.', der deshalb verkündigt: ,Summa
Summarum: Ich bin Euangelifch und Chriftifch, darnach
flehe ich bey der kirchen in ehrlichen gebrauchen, die
do widder das Euangelium nit fein, und thu das mit
guttem gewiffen'. Man müffe ja nicht alle guten Gebräuche
und Auffätze der Kirche verwerfen (S. 94). So predigt
er zwar gegen die Mißbräuche, gegen Ablaß, gegen die
falfche Schätzung der Heiligen, die in Chrifto zu ehren
feien (S. 57), gegen den falfchen Gebrauch der Beichte,
bei der das .mißfallen über fein funde, diefelben nymmer
zeu thuen' die Hauptfache fein muß, und bei der die
,Abfolutio nit leitt am briefter, funder mehr an dir, das
du darzcu gefchickt bift' (S. 11) u. dgl., zugleich aber ringt er
darnach, in rechter Weife die Ordnungen der Kirche zu
bewahren, die ,zcu halden feint, alß hettens die Apofteln
felbs auffgericht, fonderlich wen fie dienen zeu einem
Chriftlichen fithlichem, ordentlichem Leben, und feint dem
Euangelio nitt entkegen' (S. 72). Befonders ftrebt er nach
rechtem Verftändnis des heiligen Abendmahls, über das
er nicht nur mehrere Predigten hält, das er wiederholt
auch beiläufig behandelt, bei dem er gegen das sub
utraque fich offenbar fträubt (S. 71, 79 u. ö.), deffen äußere
Feier er dann auch wieder hintanfetzt (S. 82 u. ö.), und
deffen Hauptwert ihm in der innern Feier befteht
(S. 88 u. ö.): ein feltfames Gemifch von konfervativem und
modernem Sinn! Seine Gelehrfamkeit beweift er in zahlreichen
Zitaten aus den Kirchenvätern: Ambrofius, Chryfo-
ftomus, Cyprianus, Eufebius, bef. Hieronymus u. a. m.;
fein eigentlicher Kirchenvater aber ift Erasmus, den er
freilich nicht nennt, mit deffen Zielen aber feine ganze
Art nahe verwandt ift.

Egranus war fchon vor 1517 Prediger in Zwickau;
1520 unternahm er eine Reife nach Süddeutfchland (Enders,
Luthers Briefwechfel, III. S. 396, Anm. 2), die, wie die in
den Predigten des Jahres 1520 eingetretene Unterbrechung
vermuten läßt, wohl etwa von Oflern bis Anfang November
dauerte; Anfang Juni war er in Augsburg, im
Begriff nach Bafel zu reifen (a.a.O. II. S. 423, Anm. 3);
im Frühling 1521 ging er, den Streitigkeiten mit Münzer
ausweichend, nach Joachimsthal; wenn Buchwald richtig
vermutet (vgl. S. 49, Anm. 1 unferes Buches), hat er im
Februar 1521 feine letzten Predigten in Zwickau gehalten.

In diefe Zeiten fallen unfere, in den Aufzeichnungen
Steph. Roths in der Ratsfchulbibliothek in Zwickau erhaltenen
Predigten; fie beginnen in der Faftenzeit 1519
und reichen mit der fchon angegebenen Unterbrechung
bis in den Herbft 1522; doch find aus dem Jahre 1519
nur die Faften- und Paffionspredigten erhalten, und die
Joachimsthaler Predigten liegen erft vom Dezember 1521
an vor.

Zur Literatur (S. V) wäre noch R. Wolkan, Die Anfänge
der Reformation in Joachimsthal, Prag 1894 (S.-A.
aus dem 32. Jahrg. der .Mitteilungen des Vereins für Gefchichte
der Deutfchen in Böhmen') nachzutragen.

Ilfeld ä. Harz.__Ferdinand Cohrs.

Holl, Prof. D. Karl: Luther und das landesherrliche Kirchenregiment
. I. Ergänzungsheft zur Zeitfchrift f. Theologie
u. Kirche 1911. (60S.) gr. 8° Tübingen, J. C. B. Mohr 1911.

M. 1.50

Diefe in den .neuerdings wieder lebhafter geführten
Streit über das Verhältnis des landesherrlichen Kirchen-

| regiments zu den ursprünglichen Zielen der lutherifchen
Reformation' eingreifende Schrift will eine Ergänzung im
Sinne einer Berichtigung fein zu K. Müllers Buch über

! .Kirche, Gemeinde und Obrigkeit nach Luther'. Die Pointe