Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1913 Nr. 21

Spalte:

664-665

Autor/Hrsg.:

Senden, G. H. van

Titel/Untertitel:

Godsdienstbewustzijn en Wereldbeschouwing. Eerste deel: Het Godsdienstbewustzijn 1913

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

663

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 21.

664

der Graffchaft Mark (S. 114—123) führt im wefentlichen
ins 18. Jahrhundert; er behandelt kurz Joh. Jul. Hecker,
Bernh. Chriftoph Ludw. Natorp, den Grafen v. d. Recke-
Volmerftein und Joh. Friedr. Wilberg. Die beiden Beiträge
von Eggerling (XIII S. 237—251 und S. 252—257)
gehören der jüngften Vergangenheit an; der ,Ravensberger
Pietift' ift fein Vater, der, von der .Erweckung' erfaßt, unter
der Herrfchaft des ausgehenden Rationalismus neun Jahre
lang vergeblich um die erfte Anftellung fich mühte; ,Feft-
opfer, Umgang und Papenbier' zeigen aus eigenen Erinnerungen
des Verfaffers die Befchwerden und Unfitten
der alten Prövenwirtfchaft.

Ilfeld a. Harz. Ferdinand Cohrs.

Hegel's Entwürfe zur Enzyklopädie u. Propädeutik nach den
Handfchriften der Harvard-Univerfität. Mit 1 Hand-
fchriftprobe. Hrsg. v. Dr. J. Löwenberg. (Hegel-Archiv.
Hrsg. v.G.Laffon. I. Bd., I.Heft.) (XXIV, 58 S.) gr.8°.
Leipzig, F. Meiner 1912. M. 3.40

Neue Briefe Hegels u. Verwandtes. Mit Beiträgen der Herren
Dr. Ernft Crous, Franz Meyer, Dr. Herman Nohl hrsg.
v. Georg Laffon. (Hegel-Archiv. Bd. I, Heft 2.) (IV,
64 S.) gr. 8°. Ebd. 1912. M. 3.40

Das erfte Heft enthält Hegels Entwurf zur Enzyklopädie
und Propädeutik nach den Handfchriften der
Harvard-Univerfität, von Löwenberg herausgegeben und
mit einer Einleitung verfehen. Löwenberg meint, man
müffe die nicht für die Öffentlichkeit beftimmten Aufzeichnungen
zur Deutung von Hegels vielfach mißver-
ftandener Philofbphie heranziehen. Dilthey habe in feiner
genialen Jugendgefchichte Hegels hierfür den Anfang
gemacht. Er opponiert aber der Meinung Diltheys, daß
Hegels Syftem auf einem metaphyfifchen Erlebnis ruhe;
denn myftifche Erlebniffe und religiöfe Erfahrungen feien
ihm fremd. Er fühle zwar das Unbrauchbare der Verftandes-
kategorien zur Erklärung für die Gebiete, die nicht den
befchreibenden Wiffenfchaften angehören. Die Würdigung
und Wertung des Geiftigen verlange einen anderen Maß-
ftab nach Hegel, und fo verfuche er es mit einer myftifchen
Deutung im Geifte der Experimentation. Seine fpezififche
Genialität beftehe in der objektiven, unperfönlichen, experimentierenden
Stellung feines Wefens zu allen Welt- und
Lebensproblemen. Er fei der Experimentaldenker par
excellence. Ein jedes Ding foll nach feiner Methode
feinen eigenen Kern enthüllen. So habe Hegel das Experiment
unternommen, die organifche Struktur und Funktion
der logifchen Kategorien darzuftellen. Hegels Logik fei
nicht Ontologie, fondern feine Ontologie fei wefentlich
Logik d. h. ,die Wirklichkeit ift logifch begreifbar, weil der-
felbe lebendige Entwickelungsprozeß, der das religiöfe und
gefchichtliche Sein charakterifiert, auch dem Denken eigen
ift'. Es ift mir fehr fraglich, ob diefe Auffaffung von
Hegels Entwickelung die richtige ift, ob er wirklich nur
experimentieren wollte und ob feine Logik nicht doch
den Mittelpunkt feines Denkens ausmacht, allerdings eine
Logik der Vernunft und nicht des Verftandes. Dafür fpricht
auch das zweite Heft, infofern in den Exzerpten aus
Schleiermachers Glaubenslehre Bd. 2 fcharfe Bemerkungen
gegen diefen fich finden, weil er mit feiner reflexiven
Methode ,Gott ganz wegbringe', wie auch aus den Briefen
an Hinrichs (S. 11 43 f.) feine Abneigung gegen Schleiermacher
auf das deutlichfte hervorgeht.

Außerdem bringt Heft 2 eine Abhandlung über Sulpiz
Boifferee und Hegel, die gemeinfam gegen Fries gerichtet
find; auch in der Anerkennung der Goethefchen Farbenlehre
übereinftimmen; dagegen zeige fich bei Boifferee die
Furcht, Hegels Philofophie könne dem Glauben gefährlich
werden, wie Goethe die künftlerifche Anfchauung der
Alleinherrfchaft der logifchen Methode entgegenfetze.
Laffon zitiert einen Brief Boifferee's an Goethe, in dem

diefer Sendlings Gegenfatz gegen Hegels reines Denken
hervorhebt, während Hegel immer gleich freundfchaftlich
an Boifferee noch unter 9. Auguft 1827 fchreibt. Das
Heft 2 enthält einige Briefe Hegels, die fich auf feine Anftellung
in Heidelberg beziehen. Endlich find noch einige
Briefe aus Hegels erften Berliner Jahren abgedruckt, ins-
befondere ein intereffanter Brief an Kreuzer, in dem er
fich fehr befriedigt über deffen religionsgefchichtliche
Forfchungen ausfpricht, ebenfo Karl Ritters Vorhalle
europäifcher Völkergefchichten beifällig erwähnt, in der
diefer den Einfluß Indiens geltend macht. Außerdem
fpricht fich Hegel über die Burfchenfchaft aus und verwendet
fich für einen Schüler namens Asverus bei dem
Berliner Polizeiminifterium, ftellt auch für ihn eine Kaution
von 500 Thalern, damit er aus dem Arreft entlaffen werde.
Übrigens verfichert Hegel, daß A. fich von der Burfchenfchaft
losgefagt habe. In dem Briefe an Kreuzer von
30. Oktober 1819 fpricht er auch über die Burfchenfchaft
und über De Wette, von dem er fagt: fein Abfchieds-
brief an den König fcheine ,ein Korn Trotz' zu enthalten.
Endlich enthält das Heft noch das Haushaltungsbuch
Hegels von 1819. Wenn auch diefes Archiv vielerlei In-
tereffantes enthält, fo ift mir doch fraglich, ob diefe moderne
hiftorifch-philologifche Forfchungsweife geeignet ift,
das Verftändnis eines Denkers wefentlich zu fördern, deffen
Größe in dem Zufammenhang und der Gefchloffenheit
feiner Philofophie befteht. Es fällt einem hier das Wort
Schelling's ein: Wenn Zeus regnet, träufeln die Dächer.
Königsberg i/Pr. Dorn er.

! Senden, G. H. van: Godsdienstbewustzijn en Wereldbeschou-
wing. Eerste deel: Het Godsdienstbewustzijn. (IX, 304 S.)
8°. Amsterdam, A. H. Kruyt 1912.

Ein eigentümliches Buch. — Ein Myltiker redet in
ihm zu uns, der das Höchfte, was er uns zu fagen hat, in
die Worte: das Abfterben des finnlichen, das Abfterben
! des geiftigen, das Abfterben des religiöfen Menfchen zu-
fammenfaßt — Auch der religiöfe Menfch foll fterben;
d. h. wenn ich es recht verftanden habe: auch der Zuftand,
in welchem wir uns Gott bald mehr, bald minder nahe
fühlen, in welchem Gottesbewußtfein und Weltbewußtfein
noch wechfeln, foll überboten werden durch das fchlecht-
hinnige Gefühl der Einheit mit Gott ,Alles heeft in hem
godsdienstig te worden en wel op gelijke wijze'. — Reichliche
Zeugniffe und Zitate aus Myftikern von aller Herren
Länder unterftützen den Verfaffer in dem Verfuch, auszu-
fagen was doch unfagbar ift.

Aber diefer Myftiker fpürt in fich doch den Drang nach
gedankenmäßiger Auseinanderfetzung und Begründung
feiner Anfchauung und hat fich gut umgetan in modernfter
Philofophie und Pfychologie. Um feine myftifche Grund-
ftimmung zu rechtfertigen, nimmt er zwei Quellen aller
Gewißheit an: die logifche (auf dem Beweis beruhende)
Gewißheit und die auf der inneren Evidenz ruhende Intuition
, und er behauptet die völlige Unabhängigkeit der
letzeren von der erfteren. Ich bekenne, daß ich alle
Sympathie habe für Gedankengänge, die fich gegen die
alleinige Geltung der rein logifchen Gewißheit und gegen den
Glauben an die allein-felig-machende Kraft des Beweifes
hinfichtlich unferer letzten Überzeugungen wenden. Aber
ich kann nur leider nicht finden, daß der Verfaffer die
Gültigkeit feiner ,intuitiven' Gewißheit uns irgendwie nach-
weift oder daß er die Grenzen der logifchen Gewißheit
mit zwingender Notwendigkeit aufdeckt. Er hat hier
eben nur behauptet. Auch ift das, was er Intuition und
namentlich religiöfe Intuition nennt, etwas recht fchwer
Greifbares. Da wo der Verfaffer uns das deutlich machen
möchte, beginnt er zu ftammeln ,Ich geloof in God' und
ein Bekenntnis abzulegen von der Vollkommenheit Gottes
und der Unvollkommenheit der Welt.

Lobenswert konfequent ift die Stellung, welche der
Verfaffer zu Chriftus und der Chriftologie einnimmt: Hoe