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Ausgabe:

1913 Nr. 21

Spalte:

650-652

Autor/Hrsg.:

Ungnad, Arthur

Titel/Untertitel:

Hebräische Grammatik 1913

Rezensent:

Steuernagel, Carl

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 21.

650

Auf Einzelheiten kann ich nicht eingehen; erwähnt fei aber die Ausführung
über die Rolle der Furcht in der Religion (II 2380".), die Zurück-
führung der Ahnenverehrung auf .erotifche Gefühle' (276; gemeint ift der
Zufammenhang von fexuellem Leben und Naturfruchtbarkeit 255fr.), fowie
die lehrreiche (auch Thurnwald f. o. ergänzende) ,Charakterifierung des
intellektuellen und ethifchen Lebens der Naturvölker' (I 94fr.).

Einem Kenner der afrikanifchen Sprachen und der
Miffion wie Meinhof wird man für feinen Abriß, auch
wenn er fehr populär gehalten ift, dankbar fein. Sachgemäß
ordnet er (nach methodifchen Vorbemerkungen)
den Stoff fo an, daß er von den Seelenvorftellungen,
Zauberei, ,Geifter- und Ahnendienft' (gemeint ift auch im
erften Falle nur Totenkult), Tierverehrung, Weihen- und
Feften zu den .Dämonen und Himmelsgöttern' übergeht
und fchließlich den .Einfluß fremder Religionen' befpricht.
Er denkt fleh die Gefchichte der afrikanifchen Religion
(natürlich mit allen Vorbehalten) fo, ,daß die Religionen
der nigritifchen Bevölkerung, die einen gewiffen gleich-
förmio-en Charakter zeigen, überflutet und durchfetzt wurden
von den Religionen der Hamiten' (23). Diefen ent-
ftammen die nachweisbaren .höheren Gottesvorftellungen',
in deren Konftatierung übrigens M. eine fehr erfreuliche
nüchterne Kritik übt (116—21. 69). Bedenklich muß auch
der nachweisbare ftarke Einfluß des Islam auf die religiöfen
Vorftellungen ftimmen (70. 136). Erwähnt fei noch, daß
im Totemismus (79) wie in den Stammesweihen (95) die
Beziehuno- zum Ahnenkult behauptet wird.

Die vorhandenen Harken Verfchiedenheiten hätten wohl auch in
einer populären Darfteilung mehr hervorgehoben werden follen. Etwas
zu fehr zurückgedrängt fcheint mir die Bedeutung des Fetifchismus und
der ekftatifchen Zuftände. Daß von .genießendem' Totemismus in Afrika
höchftens Rudimente vorkommen (81), wird man nach den Feftftellungen
von Trilles nicht mehr fagen können.

Cunow arbeitet nach dem bereits veralteten Grund-
fatz: .Überall folgt dem (Toten-) Geifterkult zunächft ein
mehr oder minder totemiftifch gefärbter Ahnenkult, aus
dem erft weit fpäter der Naturkult hervorgeht'(148). Doch
ift, foweit dies Schema der Entwicklung es zuläßt, die Studie
mit Unbefangenheit und mit Verftändnis gearbeitet. Einige
Hiebe auf die biblifche Religion und die Theologen dürfen
natürlich für einen fozialiftifchen Leferkreis nicht fehlen.

Die gut disponierte, durchdachte und auf den Schultern
von Ufener, Frazer und Wundt (um nur fie zu nennen)
flehende Studie von Nilffon über .primitive Religion'
möchte ich allen empfehlen, die nach einer kurzen Orientierung
buchen.

Die pfychologifchen Gruudlageu (mana, tabu, Zauber, Animalismus,
Fetifchismus, Seelenglaube), Tier- und Pflanzenkultus (Totemismus und
Vegetationsmagie), Entftehung des Polytheismus (wefentlich nach Ufener),
Menfchenkultus (Frazer), Grab- und Seelenkultus, Opfer (Auseinander-
fetzung mit Robertfon Smith), Befchwöruug und Gebet, Kultgefänge und
-tanze, Zauberer und Priefter, Geheimbünde und Myfterien, Mythen kommen
zu knapper, kritifcher Darftellung. .Götter'- und Seelenkultus bilden die
beiden großen Quelladern der Religion. Dagegen ift das ,Bild des Welt-
fchöpfers aus dem lofen Sande des [LTfprungs-] Mythus gebaut' (120).
Allerdings ift es zuviel behauptet, wenn es heißt, daß diefer Schöpfergott
.nirgends einen Kultus befitzt'. Auch ift die Bedeutung der großen Naturmächte
nicht genügend gewürdigt.

In einem Vortrag, der in der Leo-Gefellfchaft zu Wien
gehalten ift, mir aber nur in franzöftfeher Überfetzung
vorliegt, weift Pater W. Schmidt auf die Bedeutung der
von Gr'aebner und Ankermann entwickelten Idee der
Kulturkreife für die vergleichende Religionsgefchichte der
Primitiven hin und ftellt kurz feine Auffaffung von den
fünf Kulturkreifen univerfellerer Bedeutung, die er annimmt,
dar. Mit Recht verlangt er, daß die religionswiffenfchaft-
lichen Studien Fühlung mit der Ethnologie halten, die
allein mit ihrem Material eine fefte Abgrenzung der
Kulturkreife vornehmen kann. Die Semained'Ethnologie
religieuse, die der unermüdliche Mann ins Leben gerufen
hat, ift als Einführung zumal der Miffionare in religions-
gefchichtliche Studien auf katholifcher Grundlage gedacht.
Natürlich fehlt es nicht an fcharfen Angriffen gegen die
evolutioniftifchen Religionsgefchichtler (namentlich Taylor
und Frazer), doch überwiegt durchaus die fachliche Behandlung
der Probleme.

Alle einzelnen Vorträge auch nur zu nennen, ift hier nicht möglich.
Hervorgehoben feien die Studie über die Religionen von Annam von

Cadiere, die Unterfuchungen über den Totemismus (225—7S) von Schmidt,
Trilles, de Jonghe und Capart (der für Ägypten den Totemismus ablehut),
die Befprechung über die Methoden ethnologifcher und religiofer Beobachtungen
(vielfeitig und intereffant 187—221); fehr beachtenswert find auch
die ethnologifchen und liuguiftifchen Vorträge, zumal in Anwendung auf
Afrika, welche von der Kulturkreisidee aus verfucht wird. Alles in allem
ein Erfolg katholifcher Arbeit an der Religionswiffenfchaft!

In feinem großen Werk über denUrfprung der Gottesidee
kommt P. W. Schmidt nach einem Uberblick über die
ethnologifche und die aftralmythologifche Schule fowie die
Stellungnahme der theologifchen Kreife eingehend auf
Andrew Lang's.monotheiftifchenPräanimismus'zu fprechen,
den der bekannte Antipode Max Müllers unter dem Eindruck
der High Gods, die auch im Glauben der Auftralier
entdeckt wurden, feit 1898 vertritt. Das Tatfachenmaterial
felbft fowie die gegnerifchen Beurteilungen desfelben finden
eine ausgedehnte und forgfältige Befprechung, deren Fazit
S. 409f. zufammengeftellt wird. Schließlich wird die Meinung,
daß der Gottesglaube aus dem Zaubergedanken entftanden
fei, durch forgfältige Diskuffion der Zaubertheorien geprüft.

Schmidt vertritt die Anficht, daß das höchfte Wefen ,in feiner vollen
Klarheit und Kraft' aus der Urftufe flamme und nicht durch allmähliche
Entwicklung aus Naturmythologie, Zaubergedanke und Animismus entftanden
fei (Zufammenfaffung S. 407), wenngleich er namentlich dem Animismus
(157f. IÖ7f.) auch pofitiven Wert für die weitere Entwicklung beimißt
und das baldige Zufammenfließen der Gottesidee mit Natur- und Stammvätermythen
zugibt. Aber er glaubt, daß der Gedanke des höchften Wefens
vor der Zeit aller Mythologien liege (399), ja er meint die deutliche ur-
fprilngliche Sonderung von Religion und Mythologie .nachgewiefen' zu
haben (395). Erftere gehe hervor aus dem Kaufalitätsdrange, letztere aus
dem Perfonifikationsdrange (256 vgl. 150). Damit ftimmt allerdings nicht
überein, daß nach 485 .gerade diefer mit dem Kaufalitätsdrange innig
verbundene Trieb der Perfonifizierung zur Anerkennung eines höchften
Wefens' führen foll. Daß diefe Triebe wirkfam find, mag plaufibel fein,
aber nicht recht begreiflich ift, warum fie gerade bald und urfprünglich
zu einem Monismus führen follen, während doch der Pluralismus hier für
den Primitiven als das Näherliegende erfcheinen muß. Gewaltfam erfcheint
die Abtrennung der Mythologie von der Gottesidee, ebenfo ift gerade
von den Vertretern des Kulturkreisgedankens die Behauptung augegriffen,
daß fie dem älteften Stratum angehöre (vgl. Foy im Archiv f. Rel.wiff.
1912 p. 300fr.). Immerhin wird man vor einem abfchließenden Urteil
die Vollendung des Werkes abwarten muffen, und auf alle Fälle ift die
Sorgfalt, die S. einem fo wichtigen Problem, zugewendet hat, fehr verdienftlich.

Göttingen. Titius.

Ungnad, Prof. Dr. Arth.: Hebräifche Grammatik. (Hilfsbücher
f. den hebräifchen Unterricht. 1. Bd.) (XII,
201 S.) gr. 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1912.

M. 4 — ; geb. M. 5 —
— Praktifche Einführung in die hebräifche Lektüre des
Alten Teftaments. (Hilfsbücher f. den hebräifchen
Unterricht. 2. Bd.) (IV, 63 S.) gr. 8°. Ebd. 1912.

M. 1.20; geb. M. 2 —

In der vorliegenden Grammatik begrüße ich zunächft
mit Freuden einen Genoffen in dem Beftreben, das ich
mit meiner eigenen Grammatik verfolgt habe, auch fchon
die erfte Einführung in das Hebräifche fo zu geftalten,
daß der Schüler zu einem wirklichen Verftändnis der
fprachlichen Erfcheinungen gelangt. Da die hiftorifch-
lautgefetzliche Erklärung einer Sprache, deren allmähliche
Entwicklung wir nicht aus direkten Zeugniffen entnehmen
können, notgedrungen in weitem Umfang hypothetifchen
Charakter tragen muß, ift es nicht zu verwundern, wenn
wir in manchen Beziehungen verfchiedene Wege einge-
fchlagen haben. Eine Auseinanderfetzung darüber ift im
Rahmen diefer Anzeige nicht möglich. Es muß die allgemeine
Bemerkung genügen, daß fchon der Name des
Verf. dafür bürgt, daß feine Erklärungen auf gründlichen
undumfaffendenStudienberuhenund die forgfältigfte Beachtung
verdienen. Auch wo man ihm nicht folgen kann, wird
man fich doch gern von ihm anregen laffen, gewiffe fp'rach-
liche Erfcheinungen unter neuen Gefichtspunkten zu betrachten
, und man wird davon immer einen Gewinn haben.

Bei einer für den erften Unterricht beftimmten Grammatik
wird vor allem die methodifche Seite zu prüfen
fein, und da kann ich eine Reihe von Bedenken gegen

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