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Ausgabe:

1913

Spalte:

611-614

Autor/Hrsg.:

Staerk, Willy

Titel/Untertitel:

Die Ebed Jahwe-Lieder in Jesaja 40ff., ein Beitrag zur Deuterojesaja-Kritik 1913

Rezensent:

Budde, Karl

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6u

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 20.

612

deffen Bild in der Rechten die Doppelaxt, in der Linken
die Lanze trägt, einen neuen Auffchwung genommen.
Dann tritt uns wieder im 2. Jahrb.. nach Chriftus der Jupiter
von Doliche als Axtgott (auf dem Stiere flehend, mit der
Axt in der rechten Hand) entgegen. Ja auch das Wort
Labrys hat fich bis in die Zeit Konftantins erhalten.
(Lactanz Div. Inft. 22: Jupiter Labrandius, Jupiter Laprius).
Jupiter Dolichenus ift wiederum mit den römifchen Legionen
über Möfien, Pannonien, die germanifche Grenze
bis nach Britannien gewandelt und traf dort mit nordifcher
Hammerverehrung und Hammergöttern zufammen. Und
fo wäre es denn möglich, daß in dem nordifchen Heer
des Conftantinus Chlorus dem Dolichenus-(refp. dem Donar)
Kult ergebene Truppenteile das alte Labryszeichen auf
ihren Waffen geführt hätten, bis dann allmählich unter
Zulaffung Konftantins Chriftentum und chriftliche Legende
fich ganz des Zeichens bemächtigt hätten. Ja vielleicht
läßt fich noch eine direkte Spur dafür nachweifen, daß Kon-
ftantin noch den Kult der heiligen Axt gekannt hätte
(Nicephorus Callift. HE VII 49. vgl. S. 49). — Das find
kühne Kombinationen, doch halte ich fie nicht für unmöglich
. — Einige Glieder in der Beweisführung wären
noch nachzutragen. Zu den Göttern mit der Doppelaxt
gehört vor allem noch Sandan-Herakles von Tyrus (vgl.
Böhlig, Geifteskultur von Tarfus S. 32). Auf der bekannten
affyrifchen Götterprozeffion erfcheint Ramman mit der
Axt (Greßmann, altoriental. Texte und Bilder II 56). Auch
der aramäifche Donnergott Hadad, deffen Abkömmling
der Jupiter Dolichenus ift, gehört in diefen Kreis.

Göttingen. B o u f f e t.

Staerk, Prof. D. Dr. W.: Die Ebed Jahwe-Lieder in Jefaja
40ff., ein Beitrag zur Deuterojefaja-Kritik. (Beiträge
zur Wiffenfchaft vom Alten Teftament, Heft 14.) (III,
142 S.) Leipzig, J. C. Hinrichs 1913. M. 4.50; geb. M. 5.50

Von der erften Seite an gibt fich das Buch als eine
Streitfchrift gegen mich, gegen meine Bearbeitung von
Jef. 40ff., die 1909 in der 3. Auflage des Kautzfch'fchen
Alten Teftaments erfchienen ift. Von einem Waffengang
redet der Verf. (S. 3), und da man darunter doch nicht
einen einfeitigen Anfall verlieht, fondern zwei Kampfgewillte
dazu gehören, werde ich ihm fchon den Gefallen
tun müffen, den Holzen Namen nachträglich zu rechtfertigen.

Die Herausforderung — um im Bilde zu bleiben — findet fich auf
S. 2. St. macht es mir zum Vorwurf, daß ich meine Thefen wefentlich
behauptend vorgetragen habe, ohne eindringende Auseinderfetzung mit
längft beftehenden gegenteiligen Überfetzungen (Druckfehler für .Überzeugungen
'?), und faßt dann mein Vergehen in folgenden, von ihm felbft
gefperrten Satz zufammen: ,Ich fehe darin eine wiffenfchaftlich
unberechtigte Nichtachtung von Anfchauungen ernfter For-
fcher, die nicht unwiderfprochen bleiben darf. Ich muß ge-
ftehn, daß ich feiten fo viele Selbftwiderfprüche beifammen gefehen habe
wie auf diefen beiden erften Seiten. Staerk geht aus von feinem eigenen
Artikel in ZfwTh. 1909, verweift dann mit befonderem Nachdruck —
wie überall, trotz der ftarken Abweichung der Ergebniffe — auf Sellin's
Buch ,Das Rätfei des deuterojefajanifchen Buches' von 1908 und klagt,
daß trotz Sellin's fcharffinniger und erfchöpfender Beftreitung die Kollektivtheorie
bei mir weiter lebe, alfo, daß ich mich von Sellin nicht habe
überzeugen laffen. In demfelben Atem aber fagt er fich fehr richtig, daß
mir Sellin's Buch wohl ,er(t während meiner Arbeit oder nachher' —
das letztere trifft zu — ,zu Geficht gekommen fei'. Auf S. 2 ftellt er
felbft zunächft feft, daß die Art des Vortrags meiner Thefen durch ,die
ganze Anlage der Neuauflage der Kautzfchfchen Überfetzung' bedingt fei,
daß ,das Überfetzungswerk nicht zum theologifchen Sprechfaal werden'
könne, und dazwifchen formuliert er feine gefperrte Anklage, weil — ,es
fich um Probleme von weittragender Bedeutung handle, und es darum
nicht angehe, das Recht der gegenteiligen Meinung ... zu ignorieren
und heranwachfende Theologen . . . auf Refultate feftzulegen, bei denen
die Sicherheit, mit der fie auftreten, im umgekehrten Verhältnis zu ihrer
exegetifchen Berechtigung flehe'. Hat das überhaupt einen Sinn, fo hat
es höchftens den der Forderung, daß ich auf Jef. 4off. bei Kautzfeh verzichten
und das Buch einem Gegner hätte überlaffen müffen. Freilich
weiß Staerk S. 6 genau, daß fich mir .leicht Gelegenheit', will doch fagen
der Raum, ,geboten hätte', das von ihm Vermißte zu geben. Ich möchte
wohl, daß er mir hätte über die Schulter fehen können, als ich zu meiner
Manufkriptfendung einen fatt verzweifelten Brief an meinen Freund Kautzfeh
fchrieb, weil ich erwartete, daß er von mir auf Grund des Verlagsvertrages
noch ein unbarmherzigesZufammenftreichen meinerAnmerkungen verlangen

würde. Aber offen bekenne ich, daß ich den größeren Spielraum, den
ich auf Schritt und Tritt fchmerzlich vermißte, auf ganz andere Dinge
würde verwendet haben, als auf die Darlegung oder gar Verteidigung der
hundertfach, geradezu proteusartig fich wandelnden abweichenden Anfchauungen
. Ich verfpüre in mir nicht den Beruf zum Advokaten meiner
Gegner. Aber hätte mir Sellin's Schrift fchon vorgelegen, ich glaube,
ich hätte fie dennoch kurz angeführt, weil ich mich herzlich gefreut habe
über diefen ehrlichen Rückzug eines entfehiedenen Individualiften auf der
ganzen Linie. Läßt doch Sellin dort Deuterojefaja felbft die von ihm
urfprünglich auf König Jojachin gedichteten Lieder nach dem Scheitern
diefer feiner Hoffnungen auf das ganze Volk Ifrael übertragen und zum
Kern feiner großen Troftfchrift machen, indem er zu dem Volke fagt:
,Du felbft bifl der Ebed Jahwe, alles, was ich einft dem Davididen Herrliches
verheißen habe, es war Dir vermeint, es wird fich an Dir realifieren'.
Unbegreiflich, wie Staerk daraus die fiegreiche und abtuende Behauptung
der individualiftifchen Deutung machen kann, auf deren Grund er fo zornig
gegen mich vom Leder zieht. Es entfpricht übrigens nicht den Tatfachen
daß ich das Problem ,mit nur gelegentlichen . . . Bemerkungen' (S. 2),
,das ganze Ebed Jahwe-Problem durch ein paar anmerkungsweife hingeworfene
Worte zu 41, 8 und 42, I ff. erledige', ,mit einer Handbewegung'
(S. 2 und S. 6). An der gewiefenen Stelle vielmehr, in der Einleitung
S. 612, laffe ich der individuellen Deutung und der Herauslöfung der
Lieder eine grundfätzliche Berückfichtigung zu Teil werden, unter Nennung
von Duhm und Briggs und Hinweis auf die ,Vielen, die des Erfteren
Verfuch mit den verfchiedenften Abwandlungen aufgenommen haben';
überdies aber verweife ich den wißbegierigen Lefer auf meine Schrift vom
Jahre 1900, wo doch wahrlich gegnerifche Arbeiten genug aufgeführt find
und die vermißte .eindringende Auseinanderfetzung' keineswegs fehlt.
Warum verfchweigt das Staerk, um dann fpäter ebendiefe Stelle (S. 79)
zu Ausfällen gegen meine ,pathetifchen Behauptungen' und .Deklamationen'
zu benutzen? Staerk möge mir einmal im Kautzfch'fchen Bibelwerk den
Mitarbeiter aufweifen, der fo gefliffentlich die Gegner zu ihrem Recht
kommen läßt wie ich. Vielleicht lohnt auch ein Vergleich mit den Schriften
des A. T. in Auswahl, an denen er felber beteiligt ift, etwa an der
Stelle, wo Greßmann die Auffaffung der Lade als leerer Thron einführt.
Und wenn Staerk die Anmerkungen zu 41, 8 und 42, 1 ff. ausdrücklich als
ungenügend bezeichnet, wenn er meine ganze Anfchauung S. 5 f. lediglich
als eine petitio priueipii aus der ,zum dogmatifchen Grundfatz erhobenen
Gleichfetzung' von 41, 8, Ebed Jahwe = Ifrael, kennzeichnet — warum
verfchweigt er, daß ich zu eben diefer Stelle die Wiederholung jener
Gleichfetzung in 42, 19—22. 43, 10. 44, 1. 21. 45, 4. 48, 20. 49, 3 anführe,
unter Verweis auch auf die Anmerkungen zu 42, 1 und 52, 13? Darin
liegt doch eben der Nachweis, daß diefe GleichfetzUDg den ganzen Zu-
fammenhang, mindeftens von Kap. 41 bis 49, der zwei der Ebed Jahwe-
Lieder in fich fchließt, in immer neuer Beftätigung beherrfcht1. Wo liegt
denn nun in Wirklichkeit die petitio prineipii, bei mir, der ich nicht ein
■ neues Dogma aufftelle, fondern mich einfach den unmißverftändlichen,
kumulierten Ausfagen des Textes füge, oder bei ihm, der kurzweg, füglich
nur aus 49, I ff., dekretiert, daß diefe unfere Überlieferung irre, der
bereits in 41,8 eine .Übertragung' des Namens behauptet, der in 49,3
Ifrael aus dem Texte wirft und feinem Dekret zu Liebe das ganze Buch
in Splitter zerfchlägt?

Der wunderlichfte Widerfpruch der erften Seiten ift aber der dritte.
Mir wirft er S. 2 vor ■— zu Unrecht, wie ich gezeigt habe — daß ich
lediglich behauptend vorginge, als wenn die Gegner gar nicht da wären,
auf der vorhergehenden Seite aber führt er feinen eigenen Ausfpruch von
1909 an, ,daß die Akten über diefe Seite der Sache' — für die Auffaffung
des Knechtes als Individuum — .nunmehr als gefchloffen zu gelten
haben'. Auch anderwärts hebt er immer wieder hervor (vgl. z. B. S. 6f.
III f.) daß es eigentlich gänzlich überflüffig, ein reines opus supereroga-
tionis fei, mich noch zu widerlegen. Er alfo fchließt die Akten, erklärt
die Frage einfach für entfehieden, die Gegner für abgetan; wenn aber
die Gegenfeite dasfelbe tut — ja, Bauer, das ift ganz was andres I' Ein
Waffengang, fei es drum; aber die ganze Anklage auf S. 2 ift kein Schlag
mit ehrlichen Waffen, fondern mit einem vom Zaun gebrocheneu Pfahl,
ein Schlag, der höchftens zur Folge haben kann, daß dem, der ihn führt,
das Waffenrecht abgefprochen wird.

Uber die Spärlichkeit des Raums, der mir zur Verfügung ftand, habe
ich mich damit getrottet, daß dem Lefer ja der Wortlaut des Buchs vorgelegt
wurde, und habe ihn S. 612 darauf für die Bewährung des in
aller Kürze Dargelegten verwiefen. Staerk freilich fagt S. 6 f., daß ,der
Lefer der Budde'fchen Überfetzung von den in der Schrift Deuterojefajas
vorliegenden Problemen kaum eine Vorftellung bekomme'. Soll das überhaupt
einen Sinn haben, fo ift es eine unerhörte Anklage, gegen die ich
hiermit Verwahrung einlege. Meine Überfetzung fchließt fich überall faft
peinlich genau dem Wortlaut an und verfchleiert nicht das Geringfte; jede
für das Verftändnis wefentliche Frage oder Schwierigkeit ift in den Anmerkungen
hervorgehoben. Ich berufe mich ausdrücklich auf den Ab-
fchnitt 49, 1 ff., mit dem allein Staerk mich widerlegen zu können meint;
aber das Gleiche gilt überall. Ich nehme, was die Gewiffenhaftigkeit
meiner Arbeit angeht, jeden Vergleich mit Staerk auf. Auf S. 3 hebt
Staerk mit Stolz hervor, daß er nicht fo fchnell wie ich geneigt fei, den

1) Diefelbe Übergehung auch S. 110, wo er obendrein mich einer
,abfichtlichen Ignorierung' befchuldigt. Ganz verwunderlich ift es, daß
er auch in feiner eigenen Inhaltsangabe S. 60. 62 die Benennung Ifraels
als Ebed Jahwe an allen Stellen unterdrückt, z. T. mit den ganzen Ab-
fchnitten, während er zu 44,24°". nachläffigerweife den Beinamen des
Knechts Jahwes, der der Gegenftand feines ganzen Buches ift, dem König
Cyrus beilegt, der ihn im Texte niemals führt.