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Ausgabe:

1913 Nr. 19

Spalte:

600-602

Autor/Hrsg.:

Rogers, Clement F.

Titel/Untertitel:

An Introduction to the Study of Pastoral Theology 1913

Rezensent:

Schian, Martin

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599

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 19.

600

zu minutiös erfchien. Aber ohne Treue im Kleinen und
Kleinften kommen wir hier nicht zum Ziele.

Das erfte der oben genannten Werke ift eine Sammlung
von neun Vorträgen, die von K. Kautzfeh, Paftor
an der reformierten Gemeinde in Dresden, gefammelt
herausgegeben find. Der Dresdener Proteftantenverein
hatte die Vorträge veranftaltet. Zu ihrer ,Einführung'
in gedruckter Geftalt hat Paftor W. Gamper-Dresden,
der Vorfitzende diefes Vereins, kurz das Wort ergriffen,
S. 1—3; dann folgen die Vorträge felbft: 1. Alfred
Fifcher Berlin ,Die Entftehung des Apoftolikums'; 2.
Klepl-Dresden ,Was heißt heute: «Ich glaube an Gott»?';
3. Mehlhorn-Leipzig Jefus als Gottesfohn'; 4. Ho 11-
mann-Nikolasfee (Berlin) ,Hat Jefus wirklich gelebt?';
5. Kautzfeh .Chrifti Höllen- und Himmelfahrt'; 6. Hollmann
,Was bedeutet uns Proteftanten die Kirche?'; 7.
Scheibe-Leipzig ,Auferftehung und ewiges Leben'; 8.
Kautzfeh ,Die Geltung des Apoftolikums in den evangelifchen
Landeskirchen'; 9. Garn per /Brauchen wir ein
Glaubensbekenntnis?' — Über die Vorträge im einzelnen
zu referieren, darf ich mir erlaffen. Der veranftaltende
Verein, die Namen der Vortragenden führen von felbft
auf die richtige Vermutung, daß hier die religionsgefchicht-
liche Schule in der heutigen Theologie zu Worte kommt
und diejenige kirchenpohtifche Richtung, der jedes der
vorhandenen ,Bekenntniffe' in der evangelifchen Kirche als
ein Hemmnis freier Entwicklung und Entfaltung des ihr
zukommenden Lebens erfcheint. Das Apoftolikum ift
fpeziell allen Vortragenden eine Befchwer, freilich wohl
nicht allen in gleichem Maße. Scheibes Vortrag enthält
nur wenig Polemik und fachlich eine fchlichte, zuverficht-
licheBejahung des Glaubens an ,ewiges Leben' der Perfon.
An Pantheismus tritt am nächften heran Oberlehrer Klepl,
auch er doch fo, daß er ihn nicht als /Theorie' vertreten
will; ihm ift jede Theorie über ,Gott' ein Unding. Der
eigentliche lebendige Glaube ift ohne Gedanken, lebt nur
in Empfindungen und unausfprechbaren Gewißheiten; Klepl
ift unbedingter und warmherziger Myftiker. Von allen
Vorträgen darf ich hervorheben, daß fie das alte Bekenntnis
ehrerbietig behandeln. Der Ton ift überall ein würdiger
und ernfter; man will der evangelifchen Kirche helfen und
dienen.

Die zweite Schrift, ein Heft, das J. Kunze zu der
bekannten von Kropatfcheck herausgegebenen Serie bei-
gefteuert hat, ift eine forgfältige und gelehrte Spezialftudie.
K. ftimmt weithin mit dem überein, was ich infonderheit
über das Alter des Apoftolikums ermitteln zu können
geglaubt. Aber er meint weniger Anlaß zu haben, das
zu markieren, als wiefern er von mir abweiche. Ich gedenke
nicht etwa ihm gegenüber es für eine untergeordnete
Erage zu erklären, wenn K. 1) als Urfymbol nicht eine
beftimmte Formel und 2) zumal Rom nicht als Urfprungs-
ftätte des Symbols anfleht, — im Gegenteil, ich bin ganz
bereit, darin eine bemerkenswerte Differenz zwifchen ihm
und mir zuzugeben. Nur das meine ich, daß wir uns erft
da trennen, wo wirklich nur noch, faft möchte ich fagen,
der literarifche Gefchmack, die Intuition', das Urteil be-
ftimmen kann. K. hält an der meiftverbreiteten Vorftellung
feft, daß das Symboltum der alten Kirche nicht fowohl i
auf eine beftimmte ,Formel', als vielmehr auf einen ge-
meinfamen .Komplex' von — nun was? — .Stücken' oder
Leitbegriffen, leitenden Daten, zurückgehe. Infonderheit
glaubt er nun .beweifen' zu können, daß diefer Komplex
als Grundlage aller miffionarifchen Verkündigung im Anschluß
an den hiftorifchen Taufbefehl des Herrn, den 1
Matthäus in feinem Evangelium literarifch feilgehalten
habe, auf die Urgemeinde in Jerufalem zurückgehe und
fo früh fixiert fei (,vor dem Jahre 35'), wenn auch nur in
unbeftimmtem eigentlichem Wortlaut, daß auch Paulus
ihn fchon .überkam', als er Chrift wurde, und feinerfeits j
als Miffionar weiter .überlieferte': 1 Cor. 15,3. Ich bin !
gern bereit, bei entfprechender Gelegenheit, darüber mit
K. zu diskutieren. Denn es ift manches von dem, was [

er geltend macht, diskutierbar und genauer Überlegung
wert. Was Alfr. und Reinh. Seeberg vor K. in der
gleichen Richtung etwas anders vorgebracht haben (auch
hier markiert K. mit Nachdruck mehr die Abweichung als
die Übereinftimmung, die doch überwiegt), gehört mir in
die gleiche Kategorie.

An dritter Stelle ift oben eine Predigtfammlung
vermerkt, die der jetzige Pofener Generalfuperintendent
zur Erinnerung an feine fünfundzwanzigjährige Tätigkeit
als Pfarrer herausgegeben hat. Es fcheint, daß er diefe
16 Predigten fämtlich in feinem letzten Jahre in Wernigerode
gehalten hat. Im einzelnen kann man es nicht
verfolgen, wie fie fich verteilt haben. Aber darauf kommt
ja auch im Grunde nichts an. Merkwürdig dagegen ift,
daß die meiften Predigten durch nichts direkt daran erinnern
, daß fie gerade das Apoftolikum beleuchten, oder
aus ihm heraus den chriftlichen Glauben, feine Art und
feinen Inhalt, vergegenwärtigen wollen. Es wird feine
Meinung fein, daß er in freier Weife aus Luthers Geift
und Sinn heraus mit ungefährer Anlehnung an den
Gedankengang des Apoftolikums die Summa des chriftlichen
Glaubens darbiete. So ift kaum Anlaß, darauf zu
reflektieren, wiefern er in konkreter Auffaffung wirklich das
Apoftolikum als Formel erläutere. Es find fchöne, tiefe
Predigten, die er bietet, in der Form und im Inhalt be-
deutfam und reich. Doch wird es mehr Sache der Homiletiker
fein, fie zu würdigen, als eines Dogmatikers und
Hiftorikers.

Noch eine weitere Sammlung von Predigten ift oben
an vierter Stelle vermerkt. Sie find im Unterfchiede von
den foeben charakterifierten ganz eigentlich Predigten
über die einzelnen Sätze des Apoftolikums als folche.
Natürlich hat jede einen biblifchen/Text'. Aber es kommt
dem Prediger darauf an, Stück für Stück das Apoftolikum
zu beleuchten. Ich möchte wohl wiffen, wie die Gemeinde
geartet ift, der Wilhelm Meyer als Pfarrer diefe Predigten
gehalten hat. Er gibt ihren Namen an: fie heißt Spielberg
. Aber es gibt mehr als einen Ort diefes Namens
im deutfehen Reiche. Darf ich aus dem Verlagsorte der
Predigten, Marburg, den Schluß ziehen, daß es fich um
das Dorf Spielberg bei Geinhaufen handelt? Aber als
Dorfpredigten find die Predigten, die wirklich gehalten
worden (fämtlich?), kaum vorzuftellen. M. geht ganz herzhaft
an die theologifchen Fragen, die fich an die Sätze
des Apoftolikums anfchließen, heran. Er hat eine befondere
Predigt (die erfte diefer Art, die ich überhaupt je kennen
gelernt habe) über .Empfangen vom heiligen Geifte, geboren
von der Jungfrau Maria' (Text Luc. 1,35), nicht minder
über .Abgeftiegen zur Hölle' (Text 1. Petr. 3, 19 u. 20a).
M. ift kein orthodoxer Theolog. Er verfchweigt nicht,
daß er die in dem Apoftolikum hier berührten .Tatfachen'
als folche ablehne. Aber das konftatierend, weiß er doch,
in der .Wahrhaftigkeit' bleibend, nichts bloß fymbolifierend,
wirkliche biblifche Gedanken praktifcher Art aus den
Sätzen herauszuholen. Es ift nichts Künftliches dabei. Ich
möchte die Predigten allen folchen Theologen empfehlen,
die fich im Grunde an dem Bekenntniffe nur innerlich zu
.ärgern' wiffen und fich gequält fühlen, wenn fie es fprechen
follen. Ift M. wirklich im heffifchen Spielberg Pfarrer, fo
dürfte er ein Schüler von W. Herrmann fein. Alfo kein
.religionsgefchichtlicher' Theolog. Mich intereffierten diefe
Predigten in ihrer großen Unbefangenheit zunächft pfy-
chologifch. Meyer macht fich mit diefen Predigten nicht
etwa ,Luft'. Er ift eben gar nicht bedrückt durch das
Apoftolikum. Er .entfchuldigt' auch weder das Apoftolikum
, noch feine hiftorifch-kritifche Stellung zu ihm. Offenbar
umfaßt er es mit Pietät. Das ift gute innere Stimmung
.

Flalle a. S. F. Kattenbufch.

Rogers, Clement F., M. A.: An Introduction to the Study of
Pastoral Theology. (291 S.) gr. 8°. Oxford 1912. London
, H. Frowde. s. 7.6