Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1913 Nr. 19

Spalte:

598-600

Autor/Hrsg.:

Blau, Paul

Titel/Untertitel:

Unser Glaube. 16 Predigten 1913

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

597

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 19.

598

tigung, ja von der Notwendigkeit einer chriftologifchen
Spekulation will M. nicht laffen. Er hält es für unmöglich
, der im Evangelium begründeten und fich dem Glauben
erfchließenden abfoluten Bedeutung der Perfon Chrifti
gerecht zu werden und diefelbe dogmatifch darzutun
und zu begründen, ohne in das Gebiet der reasoned theory
überzugehen. Das will nicht heißen, daß die Dogmatik
da anhebt, wo der Glaube aufhört. Vielmehr ift die
Dogmatik berufen, die reiche Wahrheit, deren der Glaube
gewiß ift, in klaren und präzifen Formeln zum Ausdruck zu
bringen. Wer aber die Offenbarung und Selbftmitteilung
Gottes in Chriftus, die das eigentliche Herz des Chriftentums
bildet, dem Gemüt und Geift überzeugend nahe bringen will,
kann nicht umhin, auch fpekulative Probleme aufzuwerfen.
Somit wird die Theologie die ihr obliegende Aufgabe
niemals unter Verzichtleiftung auf die Mitarbeit der
Metaphyfik löfen können, aber es ift die dem Glauben
immanente Metaphyfik, die fich ftets in der Sphäre des
chriftlichen Bewußtfeins bewegt. Aus folchen Erklärungen
(285 ff., 300—305, 427 ff., VII—VIII) erhellt, wie M. fich
bemüht, die von Ritfehl gezeichnete Chriftologie über
fich felbft hinauszuführen. Bei aller Anerkennung der
Grundgedanken des Göttinger Kirchenlehrers, der wefent-
liche Momente der Luther'fchen und Schleiermacher'fchen
Chriftologie wieder aufgenommen und belebt habe, tadelt
es M., daß Ritfehl den religiöfen Wert der Annahme des
präexiftenten und des verklärten Chriftus nicht erkannt
hat; die einfeitige Betrachtung des hiftorifchen Chriftus
mit Streichung fowohl der in Gott begründeten Voraus-
fetzungen als der perfönlichen Fortwirkung des Herrn
beurteilt der Verf. als ein verkürztes Verftändnis des in
Chriftus der Menfchheit gefchenkten Heilsgutes. Wie fehr
auch die konkrete Erfaffung der gefchichtlichen Geftalt des
Erlöfers und die aus der Erfahrung feiner Heilswirkungen
gefchöpfte Wertfehätzung zu billigen ift, fo fei die unter
dem Namen einer unfruchtbaren Metaphyfik vorgenommene
Ausfchaltung der übergefchichtlichen Momente eine
Verftümmelung der in den neuteftamentlichen Urkunden
bezeugten unendlichen Selbfthingabe Gottes (the infinite
selfsuerrender of God in becoming man for our redemp-
tion, 281). Von Dorner will der Verf. einen doppelten
Gedanken entlehnen, den er als befonders wertvoll und
fruchtbar bezeichnet: im Gegenfatz zur äußerlich mecha-
nifchen Koordination der göttlichen und menfehlichen
Natur, wie fie die Chalcedonenfifche Chriftologie ftatu-
iert die ftete Hervorhebung der Wefens verwand tichaft des
Göttlichen und Menfehlichen in Chriftus; an Stelle der
naturhaften, metaphyfifch-magifchen Inkarnation, die den
Kern der Kirchenlehre bildet, eine progreffive ethifch
bedingte Menfchwerdung Gottes in Chriftus (vgl. S. 491 ff:
The self-realisation of Christ).

Durch die bisherige Schilderung dürfte der allgemeine
Standpunkt des Edinburger Lehrers genügend
charakterifiert werden. Weitere Bemerkungen, die eine
erfte Rezenfion der M.fchen Schrift enthielt, müffen dem
Prokuftesfpruch der Redaktion zum Opfer fallen (S. 236
bis 290, vgl. mit Schlatter, Das chriftliche Dogma 305—306
— Anfchluß an die Frageftellung Kaftan's ZThK 1904,
S. 181 — Präexiftenzausfage als inferential coneeption

445ff. _ Andere Thefen als Folgefätze: Selbftbefchrän-

kung Gottes, Selbftverwirklichung Chrifti, immanente
Trinität — der Satz von der Jungfrauengeburt gehört
nicht zum wefentlichen Beftand des Glaubens an Jefus
Chriftus). Die fpekulativen Folgerungen, die M. aus den
unmittelbaren Glaubensausfagen des Chnften abzuleiten
fich gedrungen fühlt, bilden den anfechtbaren Teil der
Arbeit M.s, deffen Stellung zu den neuteftamentlichen
Schriften dem Ref. auch keineswegs einwandfrei erfcheinen
will. Diefe Ausftellungen verhindern ihn aber nicht, das
Erfcheinen der angezeigten Schrift dankbar zu begrüßen
und die Zuverficht zu wiederholen, daß Mackintosh's
Werk nicht nur zur Bereicherung des chriftologifchen
Wiffens, fondern auch zur Förderung des religiöfen und

wiffenfehaftlichen Verftändniffes feiner Landsleute einen
tüchtigen und wertvollen Beitrag geliefert hat.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Das logenannte apoltolifche Glaubensbekenntnis im Lichte ge-
(chichtlicher Forfchung. 9 Vorträge, vom Dresdner Pro-
teftantenverein veranftaltet u. in feinem Auftrage hrsg.
v. Paft. Dr. Karl Kautzfeh. (VIII, 200 S.) gr. 8°.
Leipzig, J. A. Barth 1910. M. 2.40; geb. M. 3.20

Kunze, Prof. D. Dr. Johannes: Das apoitolifche Glaubensbekenntnis
und das Neue Teltament. 5. Tauf. (Biblifche
Zeit- und Streitfragen, VII. Serie, Heft 6/7.) (II, 72 S.)
8°. Gr. Lichterfelde-Berlin, E. Runge 1911. M. —90

Blau, Generalfuperintendent Paul: Unter Glaube. 16 Predigten
im Anfchluß an das apoftol. Glaubensbekenntnis
u. Dr. Martin Luthers Erklärg. dazu. (IV, 151 S.) 8°.
Hamburg, Agentur des Rauhen Haufes 1911.

M. 2—; geb. M. 2.80

Meyer, Pfr. Wilh.: Das apoltolifche Glaubensbekenntnis. In

Predigten ausgelegt. (128 S.) 8°. Marburg, N. G. Elwert
1913. M. 2 —; geb. M. 2.50

Das apoftolifche Glaubensbekenntnis läßt uns nicht
los, zu Heil und Unheil. Immer wieder reiben fich die,
einen an ihm und der Pflicht, es in der Liturgie zu fprechenr
im Katechismusunterricht auszulegen, perfönlich bei ihren
Ordination oder fonft zu,bekennen', wund. Andere fleigere
fich in eine Treue gegen es hinein, die zu hohe Tön.
anfehlägt, als daß fie für ganz echt gehalten werden könnte
Es gibt auch nicht wenige, die es in feiner hiftorifchen
Begrenztheit verdrehen und ihm doch den inneren Puls-
fchlag rechten Chriftenglaubens abfühlen; das find die
Glücklichen, denen Luther den Sinn für es erfchloffen hat
und die es begriffen haben, daß wirklich das Evangelium
in ihm einen Widerhall gefunden. Zu den Glücklichen
diefer Art gehört z. B. Lahufen, deffen Predigten über
das Apoftolikum ich in diefer Zeitfchrift 1910, Col. 249—51
befprach. Ich habe in meinem Werke über das Apoftolikum
zeigen zu können geglaubt, daß die Formel als
ein eigentümliches ,Ganzes' von Evangeliumsauffaffung
gedacht fei. Diefe Erkenntnis erfchloß fich mir im Zu-
fammenhange damit, daß ich ihren didaktifchen Charakter
mir deutlich zu machen verfuchte. Das geht ja nicht an
ohne eine Art von intuitiver Nachkonftruktion ihres
Gedankengefüges. Man muß fich als Hiftoriker in fie
.einfühlen'. Ich gewann die Möglichkeit dazu, indem ich
mich von der Theorie, die für viele als ein .felbftverftänd-
lich' geltendes Urteil d. h. als kräftiges Vorurteil alles
Verftändnis leitet, zunächft einmal probeweis frei machte,
nämlich der, daß die Formel aus bloßen .Stücken' beftehe
und wie ein Antidotum gegen eine beftimmte .Härefie'
oder eine Gruppe von Härefien zu betrachten fei. Es
wäre ja natürlich an fich möglich, daß die Formel ur-
fprünglich in folcher Streitfituation konftruiert worden
wäre. Aber das a priori anzunehmen und nun alles in
ihr danach zu erklären, ift nicht gerade ein Zeichen von
hiftorifcher Umficht und exegetifchem Feingefühl. Man
denkt neuerdings meift — der Amerikaner McGiffert
ift dabei vorangegangen, unter uns hat fich befonders G.
Krüger im Anfchluß an ihn dafür eingefetzt — an den
Marcionitismus als den Gegner, der getroffen werden
follte. Aber die Formel entflammt der einfach thetifchen
Selbfterfaffung des Chriftenglaubens in fehr viel früherer
Zeit, als Marcion nach Rom gekommen! Sie ift urfprüng-
lich katechetifch-liturgifch gedacht. Ich hoffe, meine eingehende
Exegefe des altrömifchen Symbols wird auch
noch einmal beachtet werden. Bis jetzt ift man links
und rechts nur daran vorübergegangen, vielleicht weil fie