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Ausgabe:

1913 Nr. 19

Spalte:

579-580

Autor/Hrsg.:

Zimmern, Heinrich

Titel/Untertitel:

Sumerische Kultlieder aus altbabylonischer Zeit 1913

Rezensent:

Meissner, Bruno

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579 Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 19. 580

fchiedentlich unbedenklich von Prof. De Groot als Zeuge
angezogen. Zwifchen der Tao-Philofophie Lao-tszes und
den Anfchauungen K ung-tszes gibt es ja gewiß mehr Berührungspunkte
, als man gemeinhin annimmt. Schon
Dvofäk hat eine ganze Reihe folcher Analogien in einer
Tabelle zufammengeftellt. Ob aber De Groot (nur fehr
fchüchtern wagt man einer Autorität gegenüber, wie der
Berliner Ordinarius für Sinologie mit feiner ftupenden
Kenntnis des chinefifchen Schrift- und Volkstums eine
ift, fich mit einem Bedenken gegen feine Aufftellungen
hervor) mit feiner Identifizierung der Lehranfchauungen
der beiden doch nun einmal auch in vieler Hinficht gegen-
fätzlichen Denker nicht zu weit geht? Und ob das gleiche
nicht erft recht zu halten ift von der wiederholt begegnenden
Thefe, alle drei Religionen Chinas, Taoismus,
Confucianismus und Buddhismus, feien drei Zweige
eines und desfelben Stammes, eben des von prähiftorifchen
Zeiten an exiftierenden Univerfismus? Bezüglich der
Form, in der der Buddhismus zuerft nach China gelangte,
muß der Verfaffer feine Meinung geändert haben. Keinen
Eindruck fcheinen dagegen auf ihn die Einwendungen
gemacht zu haben, die gegen feine Hauptthefe in feinem
Werke ,Sectarianism and religious persecution in China'
erhoben wurden. Wieder und wieder wird auch in diefem
jünglten Buche die Intoleranz des Confucianismus betont.

Von Druckfehlern feien nur diejenigen aufgezeigt, die nicht jeder
Lefer für fich felbft zu berichtigen wiffen wird. S. II, Z. 5 lies or ftatt
of; S. 45, Anm. 2 lies 38 ftatt 3t); S. 58, Anm. 1 lies § 8 ftatt § er, S. 71,
Anm. 3 lies 48 ftatt 4S; S. 103, Z. 3 lies Wen ftatt We; S. 181, Z. 13
lies 174 ftatt 173; S. 326, I. Spalte, Z. 3 v. u. lies 217 ftatt 218; S. 327,
1. Spalte, Z. 3 v. u. lies Cheu ftatt Chen. Neben Lun yü findet fich die
Schreibung LuD-yü und Lun yu. Nur ein Verfehen des Setzers wird es
auch fein, daß in Stellen, die aus chinefifchen Texten in Überfetzung
wiedergegeben werden, vom Verfaffer beliebte Auslaffungen, die er foult
gewiffenhaft kenntlich gemacht hat, vielfach nicht durch Punkte angedeutet
wurden, fo in den Zitaten auf S. 45, 51, 56, 57, 58, 60 und wohl
noch öfter.

Jena. Hans Haas.

Zimmern, Heinrich: Sumerifche Kultlieder aus altbabylo-
nifcher Zeit. I. Reihe. (Vorderafiatifche Schriftdenkmäler
der Königl. Mufeen zu Berlin. Heft II.) (XX,
64 S. m. 8 Lichtdr.-Taf.) Leipzig, J. C. Hinrichs 1912.

M. 12 —; Kart. M. 13 —

In verfchiedenen Mufeen Europas und Amerikas find
feit einiger Zeit rein fumerifch gefchriebene Hymnen und
Kultlieder aus altbabylonifcher Zeit, d. h. etwa aus der
Zeit der Dynaftie von Ifin bis herab zur erften Dynaftie
von Babel, aufgetaucht und von mehreren Gelehrten auch
ediert worden. Diefe Lieder find befonders darum wichtig,
weil fich vielfach Abfchriften von ihnen, zum Teil auch
mit femitifcher Interlinearüberfetzung verfehen, aus viel
fpäterer Zeit (affyrifcher und fogar feleuzidifcher) erhalten
haben, die alfo beweifen, daß unfere ganze zwei-
fprachige Hymnenliteratur aus affyrifcher und neubaby-
lonifcher Zeit nicht damals erft entftanden, fondern viel
älter ift.

Im Berliner Mufeum befanden fich auch fchon feit
längerer Zeit bedeutende Fragmente diefer alten Literaturgattung
: einmal ziemlich große, mehrkolumnige
Tafeln, die Hymnen an mehrere Gottheiten z. B. Sin,
Iftar-Tamuz, Ellil, Bau enthielten, fodann einkolumnige
Tabletten, die meift nur ein Gebet an eine Gottheit trugen.

Diefe Texte hat nun, 100 an der Zahl, Zimmern
mit großer Sorgfalt in Autographie herausgegeben. Auf
acht Tafeln werden uns außerdem Lichtdruckreproduktionen
einer Reihe von Tontafeln vorgeführt, die die Originale
augenfeheinlich ausgezeichnet wiedergeben. Aber
Zimmern hat fich nicht auf die Reproduktion der In-
fchriften befchränkt, fondern auch in der Einleitung mit
einer erftaunlichen Belefenheit Parallelen und Duplikate
von ihnen aufgezählt und fo das Studium diefer fchwie-
rigen Texte wefentlich erleichtert.

Da fich in den neuerworbenen Sammlungen des Berliner
Mufeums noch eine große Menge gleichartiger Tontafelfragmente
gefunden hat, beabfichtigt Z. auch diefe
in Bälde in einem der folgenden Bände der VS. der
Wiffenfchaft zugänglich zu machen. Sodann aber wird
der Verfaffer hoffentlich bald fein Verfprechen einlöfen,
uns diefe Lieder auch in Umfchrift und Überfetzung zu
fchenken; denn er ift, wie kein anderer, zu diefer Aufgabe
befähigt.

Breslau. Bruno Meißner.

Sellin, D.Ernft: Der altteftamentlicheProphetismus. 3Studien.
(VIII, 252 S.) gr.8°. Leipzig, A.Deichert 1912. M. 4.80

Sellins Werk ift aus Vorträgen erwachfen. Der erfte
Vortrag, den Prophetismus behandelnd, wurde 1909 in
dem Haufe der Frau Reichskanzler Bethmann Hollweg
gehalten. Über den 2. Gegenftand, ,die altteftamentliche
Eschatologie', verbreiteten fich 3 Vorlefungen des
Verfaffers auf einem Berliner Ferienkurs des gleichen
Jahres, über ,die Vorftellungen von göttlicher Offenbarung'
endlich fprach er im Oktober 1910 auf der landeskirchlichen
Konferenz Mecklenburgs in Güftrow. Sie find
weiter vertieft und erweitert, haben fich aber mit Abficht
das populäre, auf Allgemeinverftändlichkeit berechnete
Gewand bewahrt.

Teillführt: 1) denProphetismusumdas Jahr icxoo v. Chr.
vor, dann 2) den Prophetismus im 9. Jahrhundert, 3) Arnos
und Hofea 4), Jefaja, Micha, Nahum, Zephanja, 5) Haba-
kuk und Jeremia, 6) Ezechiel und Deuterojefaja, 7) Prophetismus
und Apokalyptik im nachexilifchen Judentum.

Teil II bietet: 1) das Unheil, 2) das Heil, 3) den Heiland,
4) eine Skizze der Gefamtentwicklung der altteftament-
lichen Zukunftserwartung.

Teil III erörtert die Fragen: 1) wie offenbarte fich die
Gottheit? 2) was offenbarte die Gottheit? und bietet 3)
die Erklärung des religionsgefchichtlichen Befundes.

Das Buch ift ftiliftifch gefchickt und anregend ge-
fchrieben. Gewiß werden es viele Lefer mit Dank aus
der Hand legen, auch wohl gern zum öfteren durchfliegen.
Das gilt zunächft vom Prophetismus. Hier haben wir
es zuerft — der Natur der Sache entfprechend — vornehmlich
mit Prophetenbildern zu tun, die zum Teil (z. B.
Arnos, Hofea, Jefaja) wohlgelungen erfcheinen ■— wenigftens
wenn man die vom Verfaffer ftillfchweigend oder ausdrücklich
gemachten Vorausfetzungen teilt. Er verweift:
ja häufig genug auf feine Einleitung ins Alte Teftament.
Es ift ihm in diefer m. E. nicht gelungen, die Aufftellungen
der kritifchen Schule (z. B. über Deut. 32, 1. Sam. 1—15;
Jefaja, Zephanja, Sach. 9ff. ufw.) wirklich zu erfchüttern,
gefchweige zu widerlegen. Lieft man z. B. 1. Sam. 6—8
genau und hält fich an das Bild des ganz Ifrael richtenden,
gegen die Philifter fchützenden Samuel, fo kommt man
von da nicht zu dem einen König gegen die Philifternot
fuchenden Seher von Rama. Es ift gewiß nicht richtig,
daß hier nur ein formaler, aber kaum ein fachlicher Unter-
fchied vorliegt (S. 6). Sellins Konfervatismus führt doch
vielfach dazu, daß die wirklich vorhandenen Schwierigkeiten
überfehen und zu gering gewertet werden. Wenn
er z. B. den namenlofen Propheten 1. Sam. 2,27 zum
Zeichen dafür anführt (S.6.), daß man fchon in der Richterzeit
,Gottesmänner' gekannt habe, fo fcheint mir das mehr
als kühn. So liegt es nun doch nicht, als ob man jetzt,
wo ja zweifellos eine konfervative Rückftrömung wirkfam
ift, über die ,kritifche Periode' einfach zu den alten Pofi-
tionen zurückkehren könnte. Es gefchieht wohl, aber
durchaus zum Schaden der Sache. So leicht läßt fich doch
daraus, daß die Mirjam und Debora eine Nabi'a genannt
wird, nicht entnehmen, die auftretenden Banden rafender
Nebiim Sam. 10 u. 19 feien eine althebräifche, nicht
von den Kanaanäern übernommene Erfcheinung; fo ficher
nicht, daß Arnos die Nebi'im fchon mit der Eroberung
des Landes in Verbindung gebracht habe (Arnos 2,11