Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1913 Nr. 18

Spalte:

565

Autor/Hrsg.:

Averdieck, Elise

Titel/Untertitel:

Als Diakonissenmutter 1913

Rezensent:

Knoke, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

565

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 18.

566

fchreibt. In den von Weber hervorgehobenen utilitarifchen
Zügen des Puritanismus fleht K. dann freilich doch eine
ftarke Verfchiebung, indem hier die von C. nur accidentell
hervorgehobene Vergewifferungsweife zu einer zentralen
und damit der Gelderwerb aus einer Folge beruflicher
Treue zum Lebenszweck wurde.

Heidelberg. Troeltfch.

Averdieck, Elife: Lebenserinnerungen. Aus ihren eignen
Aufzeichngn. zufammengeftellt v. Hannah Gleiß. (VII,
440 S. m. Bildnis.) 8°. Hamburg, Agentur des Rauhen
Haufes 1908. M. 4.50; geb. M. 5 —

Averdieck, Etile, als Diakonillenmutter. Der Lebenserinnergn.
2. Tl. Nach Elife Averdiecks eigenen Aufzeichngn.
zufammengeftellt v. Hannah Gleiß. (VIII, 390 S. m.
9 [7 Bildnis-]Taf.) 8°. Ebd. (1912). M. 4.50; geb. M.5 —
Leben und Wirkfamkeit der Elife Averdieck find
mit der Entwicklung der Innern Miffion fowie des kirchlichen
Lebens in Hamburg, aber auch über die Grenzen
diefer ihrer Vaterftadt aufs engfte verbunden. Als Leiterin
einer Knabenfchule, befonders aber als Begründerin
und Vorfteherin des Hamburger Diakoniffenmutterhaufes
Bethesda feit 1856 hat fie in engern wie in weiteren
Kreifen einen überaus fegensreichen Einfluß ausgeübt.
Von Männern wie Wilh. Löhe und Louis Harms in der
Auffaffung des Chriftentums ftark beeinflußt, fuchte fie
im Sinne der lutherifchen Kirche zu wirken und gab ihrer
Anftalt auch ein ausgefprochen lutherifches Gepräge. Es
gefchah daher auch mit ihrer vollen Zuftimmung, daß
Bethesda, deffen Leitung fie wegen ihres hohen Alters in
die Hände ihrer Nachfolgerin hatte legen müffen, 1905
nach Rotenburg in Hannover verlegt wurde, um neben
dem Henriettenftift als zweites Diakoniffenhaus in der han-
nover.-lutherifchen Landeskirche wirkfam zu werden. Die
beiden zur Befprechung vorliegenden Bücher, welche von
ihr handeln, bilden ein einheitliches Ganze: das zweite
ftellt die eigentliche Lebenstätigkeit der Elife Averdieck
von 1856—1892 dar, während das erfte ihr übriges Leben
1808—1907 behandelt. Bei ihrer Darftellung konnte die
Verfafferin eigenhändige Aufzeichnungen derfelben benutzen
, eine längere und eine kürzere Autobiographie
aus den Jahren 1894 und 1904, Tagebuchblätter in größerem
Umfange und Briefe aus einer umfangreichen
Korrefpondenz mit vielen bedeutenden Zeitgenoffen. Eingeflochten
find in die Darftellung auch kürzere orientierende
Notizen über einige der letzteren: Rautenberg,
Gleiß, L. Harms, Nagel u. a., auch find Briefe von Harms,
Fliedner, deffen Gattin Karoline geb. Bertheau ufw. mitgeteilt
, die zur Charakterifierung ihrer Verfaffer höchft
wertvoll find. Die Verfafferin hat das vorhandene hand-
fchriftliche Urkundenmaterial mit großem Gefchick geachtet
, geordnet und, wo es nötig erfchien, eingeleitet
und verbunden. So bildet das Ganze ein getreues und
höchft anfchauliches Spiegelbild von einem Ausfchnitt
aus der eigentümlich kirchlichen Strömung, welche in den
Kreifen der Freunde des Diakoniffenwefens in der zweiten
Hälfte des abgelaufenen Jahrhunderts in überaus charakte-
riftifcher Weife zur Geltung gekommen war. Darin wird
man den hiftorifchen Wert der beiden Bücher erkennen
müffen, die außerdem mancherlei lebhafte Schilderungen
einzelner Epifoden aus dem Leben derE. Averdieck bieten,
wie z. B. die Befchreibung von dem großen Brande Hamburgs
1842, und die von dem Lefer gern als fchmückende
Beigabe entgegengenommen werden. Einen befondern
Schmuck bilden die den beiden Bänden hinzugefügten
bildlichen Illuftrationen, welche neben landfchaftlichen
und anftaltlichen Szenen namentlich auch eine Reihe
lebensvoller Portraits von der Heldin der Bücher fowie
von andern in ihnen erwähnten diftinguierten Perfönlich-
keiten bringen.

Göttingen. K. Knoke.

i Ihmels, Prof. D. Ludwig: Centralfragen der Dogmatik in der
Gegenwart. Sechs Vorlefungen. (VI, 188 S.) gr. 8°.
Leipzig, A. Deichert, Nacht. 1911. M. 2.80; geb. M. 3.40

Vor etwa anderthalb Jahre las ich diefe Vorlefungen
j von Ihmels zuerft und tollte und wollte fie fchon damals
1 hier befprechen. Ich weiß nicht mehr, wie es gekommen
ift, daß ich die Befprechung zurück fchob. Nun muß ich
endlich meine Pflicht erfüllen. Die Vorlefungen find feit-
her bereits in zweiter Auflage erfchienen (1912). Das
beweift an fich, daß fie großem Intereffe begegnet find.
Und indem ich fie nunmehr zum zweiten Male las, dabei
all den Merkzeichen am Rande begegnend die ich mir
das erfte Mal machte, bin auch ich wieder von lebhaftem
Intereffe für fie erfüllt worden. Man hat den ganzen
Ihmels in ihnen mit feinem großen Lehrgefchick, feiner
freundlichen, gewiffenhaften Weife andere Theologen zu
würdigen (vor andern find es A. Ritfehl, J. Kaftan, Harnack,
Troeltfch mit denen er fich auseinanderfetzt, immer bemüht
, fie richtig zu verliehen, landläufige Mißverftändniffe
gewiffer Schlagworte die von ihnen .berühmt' geworden
abzuwehren, die Auseinanderfetzung in den Schranken
einfacher Sachlichkeit zu halten), zumal auch mit der deutlichen
Perfönlichkeitsnote in der Erfaffung des Stoffs. Die
Vorlefungen find vor Volksfchullehrern gehalten. Aber
auch jeder Theolog kann aus ihnen lernen. Bieten fie im
allgemeinen Gedanken, die man gerade als folche von
Ihmels kennt, fo find eben Ihmels Gedanken von der Art,
daß man fie gern wiederholt hört. Und manches macht
er hier in fchlichterer und dadurch eindrücklicherer Weife
klar, als wo er fie vorher entwickelt hat. Die Vorlefungen
dürfen zumal jüngeren Theologen empfohlen werden.

Es find fechs Vorlefungen, die Ihmels gehalten und
für den Druck einigermaßen umgeftaltet, zumal auch mit
einer Anzahl erläuternder Anmerkungen (wie fie ihm u. a.
durch die Diskuffion mit den Hörern als erwünfeht zum
Bewußtfein gekommen) verfehen hat. Die Überfchriften
find: 1. Glaube und Dogma; 2. das Chriftentum, fein Wefen
und feine Abfolutheit; 3. Das Wefen der Offenbarung;
4. Die Perfon Jefu; 5. Das Werkjefu in feiner bleibenden
Bedeutung für die Gemeinde; 6. Die Gewißheit des Glaubens.

Im einzelnen über das was Ihmels ausführt zu referieren
, würde zu weit führen. Er geht aus von einer
Beleuchtung bzw. Rechtfertigung des Dogmas als folchen.
Die verbreitete Abneigung gegen es weiß er nach manchen
Seiten wohl zu würdigen, fucht fie aber zu überwinden,
indem er zeigt, daß der Glaube notwendig auf ein Dogma,
d.h. beftimmte,religiöfeErkenntniffe' hinausführt. Unter
,Glaube' verlieht Ihmels nichts anderes als .Vertrauen'.
Aber es gibt kein Vertrauen, das der Gedanken entraten
könnte. Man muß wiffen, wem und mit Bezug auf was
man Vertrauen hegt, worauf man fein Vertrauen ftützt,
wie man zu ihm gekommen ift und fich zu ihm zurückfinden
kann, wenn es zu fchwinden droht. Im Chriftentum
ift das Vertrauen voller Gewißheit in Bezug auf Gott
und feinen Willen, uns trotz unferer Sünde in feine Ge-
meinfehaft hineinzuziehen, d. h. fich uns fo zu geben,
daß er ,unfer' Gott werde, daß wir ihn als folchen im
Leben und im Sterben .haben', zugleich uns fich ihm fo
anzueignen, daß wir ,neue Kreaturen' werden. Diefe
Gewißheit muß fich über ihren Inhalt möglichft vollftändig
,klar' werden. Sie gebiert fich aus der Offenbarung
Gottes und drängt auf immer weitere Selbftbegründung
in der Erkenntnis Gottes, feines Wefens und feiner .Taten'.
Sie ruht auf .Erleben, auf ,Erfahrungen', aber nicht undeutbaren
, gar unbewußten, fondern folchen, über die
der Chrift fich Rechenfchaft geben kann. Das Dogma,
worin fich ausfpricht, was die .Chriftenheit' von ihrem
Gotte begriffen hat und begreift, ift als .Erkenntnis' noch
nicht .Glaube' und doch in der .Kirche' und ihrer Predigt
das rechte notwendige Medium, um die Menfchen zum
Aufmerken auf Gott und zur inneren Erfchließung für
Gott, der letztlich feinerfeits den Glauben weckt, zu brineen.