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Ausgabe:

1913 Nr. 17

Spalte:

538

Autor/Hrsg.:

Cumont, Franz

Titel/Untertitel:

Die Mysterien des Mithra. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit. 2. verm. u. verb. Aufl 1913

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 17.

538

Einen entfcheidenden Einfluß übten die Mitglieder des
Oberfchulkollegiums Gedike und Meierotto; Sanktioniert
wurde das ganze Unternehmen zunächst von dem Minifter
v. Wöllner, an deffen Stelle nach dem Tode Friedrich
Wilhelms II. der Minifter v. Maffow trat.

Den Hauptabschnitt der SchwartzSchen Publikation
bilden dann die Mitteilungen über die Schulen in den
einzelnen Provinzen der Monarchie und über die Abitu-
rientenprüSungen an ihnen während der angegebenen
Zeit DieSer AbSchnitt erstreckt Sich von S. 215 des
1. Bandes, durch den ganzen 2. Band bis zu S. 452 des
3. Bandes. Wir werden in ihm nicht nur mit einer großen
Zahl von Lehrern an dieSen Anftalten, mit ihren
Fähigkeiten, Anflehten, ihrer BeruSstreue u. dgl. bekannt
gemacht, Sondern erfahren So ziemlich alle Namen der
Schüler, welche bis 1805 an diefen Schulen das Maturum
gemacht haben; hin und wieder werden auch Proben aus
den Klaufurarbeiten mitgeteilt, welche einige derSelben
bei jener Gelegenheit angefertigt haben; Proben, die zum
Teil Bewunderung erregen, zum Teil aber auch Kunde von
recht geringen Leistungen geben. In letzterer Hinficht
bleiben die Leistungen der Abiturienten an den katho-
lifchen Schulen in den neuerworbenen polniSchen Provinzen
auffallend hinter anderen z. B. denen im katho-
lifchen Eichsfeld zurück.

Band 3, S. 549 wird eine folche Probe gegeben. Ein Schüler, der
7 Jahre das akademifche Gymnafium iu Altfchottland in Weftpreußen
beiueht hatte, fchrieb über die .unzulenglichkeit der Natirliche Religion:
Die herhabende Begrif von der Gottheit heralten wir blos der Vernunft.
Sehe das Saufpil der Natur, heret der henerliche (innerliche) Stume
(Stimme), hat dan Gott, unfern Augen, unteren gewifchen, unfern Verbände
nicht ales gefaget was könen uns noch da rüber die Menfchen
fagen?' ufw. Nach folchen Leiftungen fcheint ein Bericht, welchen der
frühere proteftantifche Lehrer Gropp an der Anftalt zu Altfchottland über
diefe an das Oberfchulkollegium erftattete (er ift Bd. i, S. 347 ff abgedruckt
), doch nicht bloß auf konfeffionelle Verßimmung wegen feiner
Entladung von ihr zurückgeführt werden zu können.

Sehr wertvolle Mitteilungen bringt der AbSchnitt XIX
Bd. 3, S. 453—530 über Äußerungen, Beurteilungen,
Kritiken, Anordnungen u. dgl., welche die oberfte Schulbehörde
anläßlich der einzelnen Berichte über die Abiturientenprüfungen
getan und getroffen hat. Sie legen
ein lebendiges Zeugnis ab von der Sorgfalt und pädagogischen
Weisheit, womit diefe Behörde gearbeitet hat.
Der folgende AbSchnitt S. 531—560 gibt Nachricht über
die Einrichtung eines befondern Examens für die fogen.
Kantonspflichtigen, deffen Einführung Sich als notwendig
erwies, als der Zudrang zu den Univerfitäten Sich in bedenklicher
Weife mehrte, um von dem Militärdienste befreit
zu werden, ein Vorrecht, welches die akademischen
Bürger damals in Preußen genoffen. Das Examen, welches
von den Schülern im Alter von etwa 14 Jahren abgelegt
werden mußte, follte feftftellen, ob jemand die erforderliche
Begabung zum akademifchen Studium habe. Es
follte nach der Anordnung Friedrichs II. erfolgen, welcher
Sich dahin ausgesprochen hatte: Das Studium der Söhne
von Bauern und Bürgern in kleinen Städten Sei zwar
nicht ganz zu verbieten, aber doch durch die ftrengfte
Prüfung ihrer Tauglichkeit möglichst einzuschränken.
Bd. 3, S. 531. — Das Schlußkapitel endlich handelt von
der .Prüfung der Novizen an den Univerfitäten.'

Aucb nach Einführung des Maturitatsexamens war es jungen Leuten
geftattet, preußifch» Univerfitäten zu befuchen, auch wenn fie kein Reifezeugnis
aufzuweifen hatten; aber es follte doch durch eine Prüfung an
der Univerfität feftgeftellt werden, ob fie die erforderliche Bildung be-
fäßen, um akademifchen Vorlefungen mit Verftändnis folgen zu können.
Erft wer dies nachgewiefen hatte, durfte immatrikuliert werden. Den
Profefforen ward der Auftrag, diefe Prüfungen abzuhalten. Sie zeigten
fich darüber fehr unwillig und fuchten fich ihrer Pflicht zu entziehen;
oder fie verfuhren bei der Prüfung fehr milde. Ein Herr von Seidlitz
war für reif erklärt, obwohl er als den kürzeften Weg nach Oftindien
eine Fahrt von Halle nach Hamburg, Kopenhagen und über Norwegen
um das Kap der guten HofThung angegeben. Als das Oberfchulkollegium
der Prüfucgskommiffion dies vorgehalten, wurde geantwortet: ,man muffe
auf die jungen Leute aus adeligen und höhern Stande eine gewiffe Riick-
ficht nehmen, da fie keine eigentliche Gelehrten werden wollten'. Bd. 3,
S. 569. Der Unwille der Piofefforen legte floh einigermaßen, als angeordnet
wurde, daß die Examinanden eine Prüfungsgebühr von 16 Grofchen
zu zahlen hätten.

Beigefügt ift der dreibändigen Arbeit ein Sach-, ein
Perfonen-, und ein Ortsregifter Bd. 3, S. 60x3—648. Schon
der Umfang diefer zweispaltig gedruckten 49 Seiten läßt
den riefenhaften Inhalt des dreibändigen Werkes ahnen;
er ift in der Tat geradezu erftaunlich. Die Sorgfältig
gearbeiteten Register machen ihn für jede einfchlägliche
Untersuchung und Benutzung leicht und in zuverläffiger
Weife zugänglich. — Die Ausftattung der Bände ift, wie
die der übrigen Publikationen der Mon. Paedag. gut; der
Druck Sorgfältig. An Druckfehlern notiere ich nur zwei.
Die Bd. 3, S. 381 f. erwähnte oftfriefifche Stadt Schreibt
fich nicht Effens, fondern Efens; Band 3. S. III im .Schlußwort
' muß es nicht AbSchnitt XVIII, fondern AbSchnitt
XIX heißen. — Alles in allem hat Somit der Verf. dem
Forfcher ein fehr wertvolles Quellenmaterial für die
Orientierung eines bestimmten Abfchnitts der Gefchichte
der Pädagogik erSchloffen. Für die mühevolle und Sorgfältige
Zufammenftellung des über die Hälfte dürren und
vielfach öden, mehr oder weniger bloß ftatiftifchen Stoffes,
womit er der pädagogifchen Wiffenfchaft einen großen
Dienft erwiefen hat, verdient er Seitens der Vertreter
derfelben den wärmften Dank; nicht minder aber auch
der Vorftand der .Gefellfchaft für deutfehe Erziehungsund
Schulgefchichte', welcher die umfangreiche Arbeit
zum Drucke befördert hat.

Göttingen. K. Knoke.

Referate.

Cumont, Franz: Die Myfterien des Mithra. Ein Beitrag zur Reli-
gionsgefchichte der römifchen Kaiferzeit. Autorifierte deutfehe
Ausgabe v. Georg Gehrich. 2. verm. u. verb. Aufl. (XX,
224 S. m. 26 Abbildgn., 4 Taf. u. 1 Karte.) 8». Leipzig,
B. G. Teubner 1911. M. 5; geb. M. 5.60

Diefe zweite Auflage der Überfetzung der kleinen Ausgabe
vonCumonts großem Meifterwerke über den Mithraskult bedarf der
Empfehlung kaum mehr. Das Werk hat rchnell genug feinen
Kreis von deutfehen Lefern gewonnen. Die vorliegende Ausgabe
gibt die zweite Auflage des franzöfifchen Werkes wieder, die
gegen die erfte nicht unwefentlich bereichert ift. Namentlich ver-
weife ich auf den Abfchnitt über die folare Theologie des ausgehenden
Heidentums (die übrigen Vermehrungen vgl. p. XIII).
Außerdem find die Anmerkungen erheblich vermehrt und erleichtern
dem, welchem das große Werk von Cumont nicht zugänglich
ift, die Nachprüfung. Die Zahl der Illuftrationen ift faft
verdreifacht. Allerlei wertvolle Bemerkungen des Überfetzers
finden fich im Vorwort.
Göttingen. Bouffet.

Soldan-Heppe: Gefchichte der Hexenprozeffe. Neu bearb. u. hrsg.
v. Max Bauer. 2 Bde. (XVI, 563 u. 455 S. m. Abb. u. Taf.)
gr. 8". München, G. Müller (1912). M. 20—;

geb. M. 25—; Luxusausg. M. 50 —
Dumcke, Dr. Jul.: Zauberei und Hexenprozeß. (Iii, 323 S.) kl.8°.
Berlin, A. Scherl (1912). geb. M. 1.50

Das Werk von Soldan-Heppe zur Gefchichte des Hexen-
wefens erfchien in feiner Urgeftalt 1843, dann in erfter Ver-
befferung 1880, und wenn es jetzt durch Max Bauer eine Neubearbeitung
erfährt, fo wird man fagen dürfen, daß es fie verdient
hat. Nicht nur, daß es f. Z. bahnbrechend wirkte, daß vor
allem Soldans gegen Jak. Grimm und Wuttke aufgeftellte Thefe
vom Urfprunge des Zauberglaubens im Oriente durch die vergleichende
Religionsforfchung eine glänzende Beftätigung erfahren
hat, das Buch bietet eine Materialfammlung, wie man fie in diefer
Fülle m. W. anderweitig nicht findet, auch nicht in Hanfens
,Quellen und Unterfuchungen zur Gefchichte des Hexenwahns
(1901)'. In diefer Materialfammlung dürfte der Hauptwert des
Buches liegen; in weitgehendftem Maße werden Akten von Hexen-
prozeffen oder Inhalte wertvoller und feltener einfehlägiger
Schriften exzerpiert, der Forfcher, der über Einzelheiten des
Hexenwahnes arbeitet, wie etwa über den Tierkult, wird nicht
I vergeblich fuchen (ein gutes Regifter tut dabei treuen Dienft).
j Freilich, die exakte wiffenfchaftliche Verknüpfung der Einzel-
1 momente findet er hier nicht, Grundzüge dazu find da, und fie
| mögen für populäre Belehrung genügen, der Forfcher muß zu