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Ausgabe:

1913 Nr. 17

Spalte:

525-527

Autor/Hrsg.:

Buschbell, Gottfr.

Titel/Untertitel:

Reformation u. Inquisition in Italien um die Mitte des XVI. Jahrh 1913

Rezensent:

Benrath, Karl

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 17.

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anderer Hand vorgefetzt ift: exclusus; der andere lautet:
Vdalricus Zwingling de Lichtenfteig (neben einem zweiten
Lichtenfteiger). Es kann kein Zweifel fein, daß mit letzterem
der Reformator gemeint ift. Die Identität mit dem V. Z.
de Glaris beftreitet auch ein fo genauer Zwinglikenner wie
Ge. Finsler nicht. Aber warum fteht dann beim zweiten
Eintrag nicht: reconciliatus, denuo receptus, reincorporatus
oder reinclusus oder etwas Ähnliches? Der Ausfchluß ift
die fchwerfte Strafe, die nur bei bedeutenden Vergehen
verhängt wurde ? Wie kann dann Zwingli fagen, er fei in
feiner Jugend nie um einer Sünde willen geftraft worden?
RE. 2t, 775. Und wo follte dann Zwingli in der Zwifchen-
zeit von anderthalb Jahren geblieben fein? Ift das exclusus
in der Zeit von 1498—1500 oder erft in den 1520er Jahren,
etwa von Joh. Fabri, gefchrieben worden im Sinn von
deletus? Eine genaue Unterfuchung der Hand, die das
Wort fchrieb, dürfte fich empfehlen und nicht unmöglich
fein. Den Zug Zwingiis mit feinen Glarnern nach Monza,
wo er am 8. Sept. 1515 predigte, fetzt Egli in die Zeit vom
1—7. SepL Die Stimmung der Gegner Zwinghs lernt man
aus den Spottliedern und aus zwei Briefen des Kaplans
Joh. Widmer an den päpftlichen Schildträger Hein. Göldh
in Rom vom 11. Nov. 1520 und 2. Okt. 1523 und aus der
Haltung des Bremgarter Predigers Fridolin Lindauer
kennen? Widmer betrachtet Zwingli erft ganz als Nachbeter
Luthers. Das von beiden hervorgerufene Schisma
kann nicht ohne Schaden befeitigt werden. Schon 1520
ift das Volk durch Zwingli dem Papft ungehorfam geworden
. Er bekämpft die bisherige Pönitenz, das Fegfeuer
, die Heiligenanrufung, den Bann. 1523 find Zwingli
und Leo Jud ganz Herren der Lage in Zürich. Die In-
tereffen Widmers find weniger die religiöfen, als die
materiellen. In feiner Erbitterung über Papft und Bifchof,
die nicht gegen Zwingli vorgehen, nennt er fie Mietlinge.
Die Zahl der Teilnehmer an der Berner Disputation aus
Stadt und Kanton Zürich beträgt nicht weniger als 73.
Neu ift ein Brief Zwingiis an Capito und Butzer vom
1. April 1530, den letzterer mit nach Cambridge brachte.
Bucheinträge von Pellikan, die auf der Univerfität Ithaka
gefunden wurden, ftellen Zwingiis letzte Predigten mit
ihrem Datum und Text feft, ebenfo die Zahl der im
Kappel mit Zwingli ftreitenden Züricher. Merkwürdig ift
das Urteil Friedrichs des Großen in feiner mitten unter
dem Schlachtendonner als Auszug von Fleurys Abrege
de l'histoire ecclesiastique verfaßten Kirchengefchichte, die
in Zürich und Bern verbrannt wurde. Er warf Zwingli
Zorn über den ihm durch den Ablaßkrämer entgangenen
Gewinn vor.

S. 453 1. Bachtal ftatt Stachtal. Pherus ift Fehr. S. 454 Dr. Arnold
von Tannenbrunn ift wohl von Thennenbronn (Baden). S. 478 Z. 22 ift
Morand eine Perfon, die wohl Faktor, Vertreter der Propftei, war. S. 482
Z. 27 1. ftatt des unverftändlichen schnellig Schilling. S. 497 Z. 6 1.
belle ftatt velle. Z. 20 ift q mit dem Schrägftrich oben quam, jedenfalls
nicht praeterquam.

Stuttgart. G. Boffert.

Bufchbell, Dr. Gottfr.: Reformation u. Inquilition in Italien
um die Mitte des XVI. Jahrh. (Quellen u. Forfchungen
a. d. Gebiete der Gefchichte XIII.) XXIII, 344 S. gr. 8°.
Paderborn, F. Schöningh 1910. M. 16 —

Daß eine Anzeige der rechtzeitig vorgelegten Schrift
von B. fo fpät erft erfcheint, ift Schuld des Referenten.
Er glaubte im Hinblick auf eine Bemerkung des Verfaffers
(S. VIII) das Erfcheinen des demfelben aufgetragenen
erften Bandes der Correfpondenz des Trienter Konzils
abwarten und dann gleichzeitig über beides referieren zu
können — aber noch immer liegt diefer nicht vor,
und fo muß wohl über die vorliegenden ,chips' zu dem
großen Werke gefondert berichtet werden.

Da ift nun der Spezialertrag für Erweiterung unferer
Kenntnis ein mannigfaltiger. Man wird das fchon aus
den Beilagen (S. 225—329) erfehen, die von 1541 bis 1554,

alfo aus der Zeit der Unterdrückung der Reformation in
Italien, flammen und dem Materiale entnommen find, welches
in erfter Reihe die Carte Cerviniane in Florenz, dann
die Farnesiane in Neapel, fodann die bekannten Sammlungen
in Rom, Mantua und Parma dem auf der Jagd
nach Concilscorrefpondenzen befindlichen Gelehrten lieferten
. Aber in den Beilagen ift lange nicht alles das
enthalten, was B. an Neuem gibt; auch den zahlreichen
Anmerkungen zu dem ausführenden Teile wird mancher
Lichtftrahl verdankt.

Diefer ausführende Teil ift nun ziemlich lofe in feinen
Einzelabfchnitten verbunden. Es foll weder eine Gefchichte
der Reformation in Italien, noch eine Gefchichte
der Inquifition geboten werden, fondern die Beziehungen
beider an einzelnen Stellen im Lande werden illuftriert.
Die Einleitung zwar (S. 1— 21) mit der Hervorhebung
mancher Schäden im Kirchenwefen der Zeit ließe zunächft
annehmen, daß es fich — wie ja auch der Titel nahe legt
— um das ganze Italien handle; allein fchon ein Blick
in das Inhaltsverzeichnis zeigt, daß überhaupt faft nur
Norditalien und von diefem Venezien und ein Teil der
Romagna in Betracht kommt. So mögen hier aus dem
Material gewiffe Einzelheiten hervorgehoben werden. Zunächft
der intereffante ,Fall Nacchianti', zu welchem übrigens
fchon Merkle im 1. Bd. der Tridentina ein über die
bisherige Information hinausgehendes Material zufammen-
gebracht hatte. Auch über zwei andere Perfonen, welche
dem Forfcher auf diefem Gebiete immer wieder begegneten
, ohne daß man ihre Bedeutung genauer fixieren
konnte, bringt B. nähere Aulklärung: die Bifchöfe Tom-
maso Stella, genannt il Todeschino, fowie Dionysio Zanet-
tini oder de Zanettinis, genannt il Grechetto. Der Letztere,
deffen Betteleien und Subventionsangelegenheiten fchon
in dem 1. Bde. von Sufta (vgl. des Ref. Befprechung in
ThLZ. 1912 Sp. 592 ff.) begegnen, ift durch ein Dutzend
Briefe vertreten (1545 ff.). Er meldet aus Venedig Einiges
über ketzerifche Predigten, denunziert gewiffe Prälaten
als Anhänger der konziliaren Theorie, fpürt dem .scelerato'
Vergerio nach und meldet aus Trient Verfchiedenes vom
Konzil. Dort ift ihm dann die Rauferei mit dem Bifchof
San Feiice von La Cava paffiert, über die uns in voller
Breite mit allen daran geknüpften Vorgängen im Konzil
jetzt die Akten (Trid. V. [ed. Ehses 1911] p. 346—397)
Auskunft geben. Die Briefe felbft zeigen ein lebhaftes
Bemühen, Denunziationen bei der Kurie anzubringen auch
gegen Prälaten wie den Erzbiichof von Cypern, dem er
doch zu Dank verpflichtet war.

Auch was B. über und von Stella bringt (Kap. IV,
dazu Beil. 36 ff), gehört in den Rahmen einer Tätigkeit
diefes Bifchofs, welche den Spuren von Ketzereien eifrig
nachgeht. So find die wenigen Briefe Stellas aus 1547
bis 1549, wenn auch mit Vorficht, für die Frage, wieweit
antikirchliche Bewegungen in Norditalien vorkamen, zu
verwenden. Seine ftrengkirchliche Stellung war fchon
aus dem wiederholten Lobe, welches Grechetto ihm in
feinen Briefen erteilt, zu erfehen — aber eine bedeutende
Aktion in der Unterdrückung der ketzerifchen Bewegung
im Venetianifchen, wie etwa ein Deila Casa, hat er doch
nicht entfaltet. Über ihn als Teilnehmer am Trienter Con-
zil hat inzwifchen Ehses (Trid. V paffim) berichtet.

Abgefehen von einigen .Einzelfällen von Haerefie in
Venedig', bei denen Frä Ambrogio di Milano, Guido da
Fano, Frä Baldo Lupetino u. A. begegnen, hat der
Prozeß Vergerio's offenbar den Verf. am meiften intereffiert,
wie er denn auch in den von ihm durchgearbeiteten archi-
valifchen Beftänden gar mancherlei darüber vorgefunden
und mitgeteilt hat, fowohl was die Vorgefchichte
als was die weitere Entwickelung des Prozeffes angeht.
Wenn B., bezüglich der letzteren, gegenüber dem was Fer-
rai, Campana und Comba bieten, beachtenswerte Correk-
turen und Ergänzungen geben kann, fo verdanken wir
das der Tatfache, daß von jenen keiner eine exakte Kennt-
niß des üblichen Prozeßverfahrens zu dem Gegenftande