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Ausgabe:

1913 Nr. 16

Spalte:

497-499

Autor/Hrsg.:

Aster, E. von (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Große Denker. 2 Bde 1913

Rezensent:

Kowalewski, Arnold

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497 Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 16. 498

Große Denker. Unter Mitwirkung von E. v. After, Erkenntnistheorie viele hohe Abftraktionen, die mehr oder
O. Baenfch, M. Baumgartner, O. Braun, F. Brentano, i weniger den kantifchen Kritizismus vorwegnehmen. Ein

H. Falkenheim, A. Fifcher, M. Frifcheifen-Köhler, 1 k"rzerj. ^ .fie ^T^k ^rl,bent;nfnder ®ericht
-r) tt.. • ij „,. , , „ T , ~ ... ! uber die Ethik und Staatslehre befchließt das gediegene

R. Honigswald, W. Kinkel. R. Lehmann, F. Medikus, piaton-Kapitel. Vielleicht wäre es gut gewelen, wenn
P. Menzer, P. Natorp, A. Pfänder, R. Richter, A- Natorp fich im Rahmen des Literaturverzeichniffes S. 152
Schmekel. W. Windelband hrsg. von E. v. After, auch über den Wert der modernenPlaton-Überfetzungen
2 Bde. (III, 385 u. III 381 S) gr 8° Leipzig, < des Diederichs'fchen Verlags kritifch geäußert hätte. Eine
Quelle & Meyer (1911). ' M. "14-; geb. M. 16- ; f,0"??^ ,te Aufklärung wird vielen Leiern der gebildeten
^ 7 v * ' * ' s ; Kreife fehr willkommen fein. Nun kommt Ariftoteles

Das ftattliche Werk, zu dem fich 18 Gelehrte ver- : an die Reihe, deffen Lehren über die erfte Welturfache
einigt haben, verfolgt nach der Erklärung des Heraus- und über die kosmifche Teleologie uns der ehrwürdige
gebers nicht den Zweck einer bloß hiftorifchen Orien- Neftor der öfterreichifchen Philofophen F. Brentano
tierung. Das fyftematifche Intereffe an der Philofophie | (S. 155—207) mit reichen Details in forgfältiger logifcher
fteht ihm vielmehr obenan. ,Die Mehrheit nebeneinander j Präparation demonftriert. Wegen Raummangels ift nur
geftellter Gedankenfyfteme, deren jedes für die Darftellung ein Teil des Syftems berückfichtigt. Aber auch fchon
ein abgefchloffenes Ganzes, eine gefchloffene Aufgabe • diefer Teil befaßt eine Fülle fruchtbarer Gedankenkeime
bildet, füllte dem Lefer ein anfchauliches und lebendiges | für die ganze fpätere Entwicklung der Philofophie, fo daß
Bild von dem geben, was eigentlich Philofophie und j danach die Geiftesmacht des Stagiriten hinreichend er-
Philofophieren heißt, ein Bild, das nicht fofort die Enge i meffen werden kann. Eine Skizze der .helleniftifch-
und notgedrungene Einfeitigkeit eines beftimmten Stand- i römifchen Philofophie' bringt A. Schmekel (S. 211
Punktes verrät, fondern von einem umfaffenden hiftorifchen
Blick getragen ift. So möchte das Buch dazu
dienen, mit Hilfe der Gefchichte den Sinn für philofophi-
fches Verftändnis zu wecken und zu vertiefen (1, 3,4).'

bis 247), der durch fein treffliches Buch ,die Philofophie
der mittleren Stoa', (1892) hierfür aufs befte prädisponiert
ift. Die eingenochtenen univerfalhiftorifchen Perfpektiven
verleihen dem Ganzen einen ungemeinenReiz. Auguftinus
Nachdem der Herausgeber felbft den formalen Begriff I und Thomas von Aquino repräfentieren gleichkam die
der Philofophie mit fein abgewogenen einleitenden Re- j philofophifche Intelligenz des Mittelalters. Die zwei diefen

flexionen entwickelt hat, folgen die Einzeldarftellungen
in hiftorifcher Anordnung. A. Fifcher fiel die reizvolle,
aber fchwierige Aufgabe zu, ,die Grundlehren der vor-
lbkratifchen Philofophie' zu bearbeiten (S. 7—73). Diefe
Aufgabe ift im ganzen vortrefflich gelöft. Mit großer

großen Denkern gewidmeten Abfchnitte (S. 251—281 und
285—314), die M. Baumgartner verfaßt hat, find glänzende
Meifterftücke philofophiehiftorifcher Charakteriftik.
Möchten fie dazu beitragen, das noch immer weit verbreitete
ungünftige Vorurteil gegen die mittelalter-

Einfühlungskunft werden die Motive jener naiven Denker I liehen Denkleiftungen zu berichtigen. So follte z. B. jeder
ergründet und ihr Ertrag mit befonnener Kritik abge- J Gebildete fich nun endlich merken, daß das vielgerühmte

Ichätzt. Befonders gut gelungen ift die Charakteriftik des
Pythagoreismus. Sonft geben zu Bedenken nur einzelne
allzu moderne Wendungen Anlaß, die bei der Analyfe
der altjonifchen Philofopheme gebraucht werden. Für
eine vollkommenere Auswertung der älteften Denkver-
fuche wäre fehr wichtig, daß man die bisher nur fpielend

.cogito, ergo sum' auguftinifches Erbgut ift. Die jahrhundertelange
zeitliche Kluft zwifchen den beiden Philofophen
des Mittelalters hat Baumgartner durch eine mit markiger
Prägnanz entworfene entwickelungsgefchichtliche
Gefamtfchilderung überbrückt, die zugleich das Thomas-
Kapitel einleitet. Einen Einblick in die dramatifche

aufgeftellte Analogie mit den Denkformen der Kinder ! geiftige Lage der Renaiffance gewährt uns R. PIöniu
einmal gründlich an der Hand des reichen empirifch- j wald (S. 317—346) durch feine pfychologifch und dialek-
pfychologifchen Materials unterfuchte. Ebenfo müßte i tifch feine Analyfe Giordano Brunos. Die lebensvolle
eine fyftematifche Prüfung der zahlreichen philofophifchen Schilderung Descartes' aus der Feder M. Frifcheifen-
Foffilien vorgenommen werden, die in dem Metaphern- j Köhlers (S. 344—382) gibt dem erden Bande des
ichatz der heutigen Verkehrsfprache enthalten find, ganzen Werkes einen würdigen Abfchluß.
Fifcher fcheint nicht die wertvollen .Völker- und indivi- Das verzwickte Thema .Spinoza' hat O. Baenfch,

dualfpychol. Unterfuchungen üb. d. ält. griech. Philof.' ' der den zweiten Band eröffnet, fo gefchickt entwirrt
H. Hielfchers zu kennen (Archiv f. d. gef. Pfychol. V), ! (S. 3— 36)> daß wir nirgends ein Unbehagen über den
aus denen fich gerade für fein Thema viel lernen läßt. ; fcholaftifchen Habitus des eigenfinnigen Syftematikers
.Sokrates und die Sophiftik' (S. 77—89) hat der in- 1 verfpüren. In dem Literaturverzeichnis zum Spinoza-
zwifchen verftorbene geiftreiche Effayift Raoul Richter ! Artikel vermiffe ich Freudenthals Urkundenbuch, deffen

in abgeklärter Großzügigkeit gefchildert. Seine Zerglie
derung der fokratifchen Ethik verdient vor allem Aner
kennung. Sie hebt mit glücklicher Präzifierung die ver-
fchiedenen unausgeglichenen Tendenzen des Utilitarismu>

Kenntnis viel wichtiger fein .dürfte, als die fekundärer
Biographien. Die arg zerftreuten und fließenden Philofopheme
von Leibniz fucht W. Kinkel (S. 39—77)
zur Gefchloffenheit eines Syftems zu vereinigen. Dabei

hervor. Auch die politifche Nebenabficht der fokratifchen I werden auch die pofitiv-wiffenfehaftlichen Ideen des deut-
Tätigkeit wird berührt. Hierzu hätte Richter aus dem | fchen Ariftoteles gebührend herangezogen. Merkwürdiger-
Döringfchen Sokratesbuch (,die Lehre des Sokrates als weife ift aber gerade der bedeutfame Problemkreis der
foziales Reformfyftem. Neuer Verlach zur Löfung des j .Theodizee' nur ganz flüchtig geftreift, jenes Werks
Problems der fokrat. Philofophie', München 1895) viele 1 durch* das Leibniz Eingang in die Weltliteratur fand'
beftätigende Daten heranziehen können. Das Piaton- ! Die Philofopheme Lockes und Humes weiß E von
Kapitel (S. 91—152) hat P. Natorp gefchrieben, der felbft Aster (S. 81 —108)famt ihren gefchichtlichen Verbinduno-s-
zu den führenden Forfchern auf diefem Gebiete gehört linien recht anfprechend zu erörtern. Ungerecht ift aber
und auch in der Darftellung die fchaffenden Kräfte der ( das in diefem Zufammenhang (S. 83) geäußerte o-erin°--
Forfcherarbeit durchblicken läßt. Eine fehr ausführliche j fchätzige Urteil über Francis Bacon. Diefer^bahn-
und fubtile Darlegung der logifch-erkenntnistheoretifchen brechende empirifche Methodiker hätte foo-ar ein befon-
Grundlehren wird uns da geliefert. Sie lehnt fich — offen- : deres Kapitel verdient. Namentlich in deinen wem«-
bar abfichtlich — an die einfehlägigen Dialoge Piatons an. j gekannten .prärogativen Inftanzen' ftecken manche metho^
Der Lefer hat fo Gelegenheit, fich von der Naturwahrheit ', difchen Kniffe, die von der Forfchungspraxis noch lan°-e
der einzelnen Interpretationen Stück für Stück unmittel- | nicht ausgebeutet find. Befremdend ift, daß der fcharf-
bar zu überzeugen. Nach Natorps anderweitig fchon ent- | finnige Berkeley nur fo nebenbei auf einer kaum halben
wickelter und verteidigter Anficht birgt die platonifche Seite befprochen wird. Er würde ebenfo wie der mit