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Ausgabe:

1913 Nr. 16

Spalte:

495-496

Autor/Hrsg.:

Pijper, F. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Bibliotheca reformatoria Neerlandica. Geschriften uit den Tijd der Hervorming in de Nederlanden. VIII. deel 1913

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 16.

496

wannen fie an Kraft, um in gegenfeitigem Kampf eine
geklärte kirchliche Lage zu Ichaffen' (179). Die ver-
fchiedenen Momente und Faktoren, die den Streit
zwifchen Marbach und Zanchi bedingten und denfelben
zu einer komplizierten und unerquicklichen Epifode ge-
ftalteten, fördern das Verftändnis einer Kontroverfe, die
in der Konkordievon 1563 einen dogmatifch zweifelhaften,
kirchenpolitifch für Marbach günftigen Abfchluß fand.

Das letzte Kapitel des reichhaltigen Buchs entwirft
ein anziehendes, alle wefentlichen Züge noch einmal zu-
fammenfaffendes Bild von Sturms chriftlichem Humanismus.
Zur Charakteriftik desfelben mag u. a. die religiöfe Begründung
feines Haffes gegen die Ubiquitätslehre dienen.
Diefelbe nimmt uns die Hoffnung, daß wir auch Chriftus,
den Menfchen, im Himmel zur Rechten Gottes fehen, daß
dort das feiige Schauen und Einswerden mit Chriftus
feine Vollendung erreichen wird. Der äfthetifche Genuß
am gewaltigen Schaufpiel, nach dem der Humanift fich
fehnt, floß hier zufammen mit der Frömmigkeit des
Gläubigen, der in der societas corporis et sanguinis
domini den Inbegriff aller Wohltaten und Verdienfte

olampad gemeint), ferner ,Dye histori, fo zwen Auguftiner
Ordens gemartert feyn' etc. (Clemen Nr. 2 S. 41, eben-
dort S. 49 f. auch noch einiges mehr über Martinus Recken-
hofer). — An zweiter Stelle bietet Pijper einen troostelijke
sentbrief voor alle, die von der waerheyt vervolcht worden
. Der Verfaffer ift unbekannt, das Abfaffungsjahr
ca. 1530; es ift möglich, ja wahrfcheinlich, daß es fleh
nicht um ein niederländifches Originalwerk, fondern um
eine Überfetzung handelt, vielleicht aus dem Englifchen.
Für eine Überfetzung fpricht auch der lutherifche Charakter
des Schriftchens; als Parallele möchte ich hinweifen
auf den von H. Haupt in den .Beiträgen zur Reformations-
gefchichte der Reichsftadt Worms' (1897) neu publizierten
.Troftbrief', der mancherlei Berührungspunkte bietet, ohne
daß irgendwie von Abhängigkeit gefprochen werden
könnte, offenbar handelt es fleh um eine Literaturgattung,
die allmählich einen handwerksmäßigen Charakter annahm,
fo daß das vorliegende Schreiben ziemlich farblos erfcheint.
— Als drittes Stück folgen die Märtyrerakten über Wilhelm
v. Zwolle, den Hof beamten Chriftians II. von Dänemark
, der das Luthertum feines königlichen Herrn mit

Chrifti erblickte (302—303). Gefangenfchaft und Tod büßen mußte. Speziell hatte

Unerwähnt blieb noch in diefer Befprechung eine j er es mit den Löwener Theologen zu tun, daher dann
wichtige Gruppe von Tatfachen und Ausführungen, welche die 1530 zu Wittenberg erfchienene, von Bugenhagen
den Sohn des großen Kirchenrechtslehrers, dem die Ar- bevorwortete Ausgabe der Märtyrerakten den Titel
beit gewidmet ift, erkennen läßt: ich meine die gründ- I .Artikel der Doctoren von Louen'trägt; wie gerade Bugen-

lichen und lichtvollen Beiträge zur Gefchichte der Kirchen-
verfaflung Straßburgs, von den erften Jahren der Reformation
bis zum endgültigen Sieg der lutherifchen
Orthodoxie, die in der Kirchenordnung vom Jahre 1598
zur unbeftrittenen Herrfchaft gelangte.

Das Buch Sohms erfcheint als 27. Band der von der

hagen in den Befitz der Akten gekommen ift, bleibt noch
aufzuhellen. Intereffant ift das S. 172 fr. mitgeteilte, an
das Apoftolicum angefchloffene Glaubensbekenntnis. — An
vierter Stelle folgt die .Hiftorie von Gofte (Joris) van der
Katelyne', herausgegeben von Martin Micronius. eine etwas
langftielige Gefchichte. Nach wechfelvollen Schickfalen,

Redaktion der hiftorifchen Zeitfchrift herausgegebenen j (England, Norden) ift Joris nach Gent gekommen und hier
hiftorifchen Bibliothek und nimmt in diefer hervorragen- 1 gefangen gefetzt worden. Micronius hat 1555 die .Hiftorie
den Sammlung einen durchaus würdigen Platz ein. j herausgegeben und eine Abhandlung über das Abend-

Straßburo-i E P Lobftein. mahl beigefügt; er hatte als Prädikant von Norden ein

i Kind von Joris getauft. 1558 kam fein Buch auf den
Index. Scharf grenzt fich Joris von den Taufgefinnten
ab. — Weiter bietet Pijper die .Hiftorie von Chriftoph
Fabritius und Oliverus Borkius', die fo feiten geworden
ift, daß ein vollftändiges Exemplar nicht mehr exiftiert
und der Text aus zwei unvoilftändigen Exemplaren gewonnen
werden mußte. Die noch vorhandenen Prozeßakten
beftätigen die Zuverläffigkeit der .Hiftorie'; die Autorfchaft
ift nicht feftzuftellen. Der Tod des Fabricius erfolgte
auf ausdrücklichen Wunfeh der Margarethe v. Parma.

Bibliotheca reformatoria Neerlandica. Gefchriften uit den
tijd der hervorming in de Niederlanden, opnieuw uit-
gegeven en van inleidingen en aanteekeningen voor-
zien dor Hoogl. S. Cramer en Hoogl. F. Pijper. 8 deel:
Het martelaarschap van Hendrik Vos en Joaannes van
den Esschen, Willem van Zwolle, Hoste vander Katelyne
, Christophorus Fabritius en Oliverius Bockius,

Guido de Bres en Peregrin de La Grange, bewerkt Eine franzöfifche Überfetzung des Büchleins beforgte Guido

door Dr. F. Pijper. (IX, 667 S.). Lex. 8°. 'S-Graven-
hage, M. Nijhoff 1911.

Es ift fehr erfreulich, daß der Verleger diefes Stan-
dard-Work zur niederländifchen Reformationsgefchichte
die Opferfreudigkeit befitzt, trotz des geringen Abfatzes
(S. IX) den Plan zur Vollendung zu führen und nicht
vorzeitig abzubrechen. So erhalten wir ein Ganzes, deffen
Wert bei der immer klarer erkannten Bedeutung der
niederländifchen Reformationsgefchichte für die Geiftes-
gefchichte der Menfchheit ftändig fteigen wird. Den vorliegenden
achten Band gibt wieder Pijper heraus; da
Cramer fleh die Mennonitica vorbehalten hat, werden uns
Märtyrerakten von besliste Gereformeerden en verder van

de Bres, ließ jedoch die zahlreichen, am Schluffe flehenden
Briefftücke fort. — Zum Schluß werden geboten die
Procedures, ausquelles est deduit comme Guy du Bres
et Peregrin de la Grange ont signe par leur sang la
doctrine de l'Evangile. Dankenswert wird eine eingehende
Biographie der eigenartigen, 1522 zu Bergen im Hennegau
geborenen Perfönlichkeit Bres' an die Spitze geftellt,
und dogmengefchichtlich find die den Märtyrerakten beigefügten
Relationen über die mit Bres abgehaltenen
Disputationen fehr wertvoll.

Das übliche Verzeichnis der Bibelftellen mit dem Per-
fonen- und Sachregifter fehlt auch diefem Bande nicht.
Der Text ift merkwürdiger, aber fehr erfreulicher Weife
beffer denn je durchgearbeitet. Das hängt wohl z. T.

Lutheranen van verfchillende schakeering geboten. An damit zufammen, daß deutfehe und franzöfifche Berichte
der Spitze flehen die Dokumente zur Verbrennung der j geboten werden mußten; mit ihnen ift der Holländer
Brüffeler Märtyrer von 1523. Leider ift hier Pijper, der [ nicht fo genau vertraut, darum war eine forgfame Er-
fonft mit der deutfehen Literatur fich wohl vertraut zeigt, ; läuterung etwaiger Unftimmigkeiten geboten. Aber auch
die Arbeit von O. Clemen in den .Beiträgen zur Refor- 1 in den holländifchen Texten find die Druckfehler diefes
mationsgefchichte' I, 40 ff. entgangen, die für die Quellen- Mal fämtlich nahezu verbeffert oder verzeichnet. Schade,
kritik grundlegend ift. Pijper druckt ab den bei Clemen daß diefe notwendige Einficht fo fpät kommt! Aber
unter Nr. 7 (S. 43 f.) gebuchten Bericht: der actus und möchte fie wenigftens jetzt bis zum Abfchluß des Unterhandlung
der degradation etc., die Historia de duobus nehmens anhalten! Der Dank wird dann ein doppelter fein.

Augustinensibus (Clemen Nr. 1 S. 40, wofelbft auch zu
erfehen war, daß bei Pijper S. 38 Z. 16 v. o. hinter Joan-
nem ein Komma zu fetzen ift; es ift wahrfcheinlich Oek-

Zürich. Walther Köhler.