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Ausgabe:

1913 Nr. 16

Spalte:

485-486

Autor/Hrsg.:

Case, Shirley Jackson

Titel/Untertitel:

The Historicity of Jesus 1913

Rezensent:

Bauer, Walter

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Seite 1

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485 Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 16. 4S6

ömien paläftinifcher Amoräer (von Jighaq haben wir 28,
von Lewi 19). Da die chronologifche Reihenfolge nicht
genau eingehalten, hätte der Verfaffer den Leiern die
Identifizierung der Perfonen nicht unwefentlich durch regelmäßige
Verweifung auf fein Haggadawerk oder wenig-
ftens auf des Referenten Einleitung in den Talmud (4.
Aufl., Leipzig 1908) erleichtert. Nicht viele werden gleich
wiffen, wer mit Zeira S. 68 oder mit Mani S. 82 gemeint
ift. Ein befonderes Kapitel ift Tanchuma bar Abba (Mitte
des 4. Jahrh. n. Chr.) gewidmet, von dem wir nicht weniger
als 57 Proömien haben. — Sorgfaltige Regifter erleichtern
die Benutzung des Buches, dem felbftverleugnender Fleiß
gewidmet ift. S. 13 Anna, lies: Frensdorfif und Haschana;
S. 67, Z. 14: Josija. Die häufig vorkommenden Setzerirrungen
Tauchuma und Jizehak verbeffert jeder von
felbft.

Berlin-Lichterfelde W. Herrn. L. Strack.

Lester, Charles Stanley: The Historie Jesus. A Study of
the Synoptic Gospels. (XI, 426 S.) gr. 8°. New-York,
G. P. Putnam's Sons 1912.

Case, Shirley Jackson: The Historicity of Jesus. A Criticism
of the Contention that Jesus never lived, a statement of
the Evidence for his Existence, an estimate of his Relation
to Christianity. (VII, 352 S.) 8«. Chicago, Hl.,
University of Chicago Press (1912). $ 1.50

Leiters glänzend ausgeftattetes Buch wendet fich an
Laien, denen es in einer Zeit, in der die kirchliche Überlieferung
unficherer geworden ift als je, ein zuverläffiger
Führer fein will. Dem entfprechend verzichtet es auf
gelehrtes Beiwerk. Namen moderner Forfcher werden
fo gut wie nie genannt. Dagegen bringt ein Anhang für
den Intereffenten einen Katalog von Werken, die zum
tieferen Eindringen in den Gegenftand dienlich find.

Verf. bemüht fich, hinter den Bildern der Evangelien,
die wirkliche Geltalt des gefchichtlichen Jefus aufzufinden.
Da das vierte Evangelium jedoch als Quelle ernltlich nicht
in Frage kommen kann, befchränkt er fich auf den Gebrauch
der Synoptiker, deren Stoff nach dem Mufter der
Wellhaufenfchen Kommentare in Paragraphen gegliedert
wird. Gefchmack und ausgebreitete Kenntnis fpeziell auch
auf dem Gebiet der vergleichenden Religionsgefchichte
wird niemand unferem Autor abftreiten wollen. Der eine
wird dies der andere das an feiner Leiftung auszufetzen
haben. Manche Bedenken und Zweifel erfcheinen als
übertrieben. Das Matthäusevangelium, das L. als jüngltes
der fynoptifchen Evangelien anfieht, ift gewiß vor 120
gefchrieben. Und daß die Heimat aller Synoptiker Rom

fei_nur für Markus käme daneben vielleicht Alexandria

in Frace, — ift mehr, als fich fagen läßt.

Bedenklicher erfcheint, daß Verf. jener modernen
Auffaffuno- zuneigt, die von unferer Religion annimmt,
daß fie nicht in femitifcher, fondern in indogermanifcher
Erde wurzele. Schon der Monotheismus, erklärt L., ift
indogermanifch, nicht femitifch. Jefu Eltern waren keine
Juden, fondern Indogermanen, und die innere Struktur
Jefu hat nichts Jüdifches. Doch nicht nur die Empfehlung
diefer m. E. ganz unhaltbaren Vorftellung bleibt zu bemängeln
. Leider haben fich auch wirkliche Fehler in das
Buch eingefchlichen. So die Behauptung, daß die Verklärung
nur von Markus erzählt wurde. L. zerbricht fich
den Kopf, weshalb die Seitenreferenten diefes Stück ihrer
Vorlage übergangen haben möchten (p. 188). Ganz eigentümlich
mutet die in der Erörterung über das letzte Mahl
eine große Rolle fpielende Idee an, daß das jüdifche
Paffahmahl gefetzmäßig immer Freitag Nacht verzehrt
werden mußte (p. 316. 323. 371).

Das Buch von Cafe übt in feinen zehn Kapiteln Kritik
an der Hypothefe, daß Jefus nie gelebt habe, legt fodann
die Gründe dar, die die Annahme der Exiftenz Jefu unumgänglich
erfcheinen laffen, und würdigt fchließlich die

Bedeutung des Stifters unferer Religion für die Chriften
von heute.

Vor allem in den Anmerkungen zeigt fich Verf. als
genauer Kenner der Arbeiten der radikalen Kritiker wie
der Verteidiger der Gefchichtlichkeit Jefu. In feinen Literaturangaben
wird fchwerlich eine wichtigere der ein-
: fchlägigen Publikationen aus den letzten Jahren fehlen,
j Der rege Eifer, mit dem man für und wider die neue
1 Auffaffung von der Urgefchichte des Chriftentums Partei
ergriffen hat, mußte für Cafe zwei Folgen zeitigen. Einmal
war es ihm kaum möglich, für feine pofitive Anfchauung
noch wefentliche neue Gründe von Belang beizubringen.
Die Anerkennung jedoch wird ihm niemand verweigern,
daß er die alten Waffen mit Nachdruck und Gefchick
führt und die wichtigften der für feine Anficht fprechen-
den Momente überzeugend vereinigt. Sodann war bei
der Fülle der in Frage kommenden literarifchen Erfchei-
nungen Vollftändigkeit in der Vorführung des Materials
ausgefchloffen, und gewiß auch gar nicht beabfichtigt. An
manchen Stellen — und man kann nicht umhin, feine
Auswahl für wohlbegründet zu erklären — ift C. fehr
ausführlich. So bei der, befonders gegen W. B. Smith
und A. Drews gerichteten Beftreitung der Hypothefe vom
vorchriftlichen Jefuskult. Anderes wird nur eben berührt
oder ganz übergangen. Unerträgliche Lücken, die wirklich
Bedeutfames vermißen ließen, find dadurch nicht
entftanden. Und angefichts der Tatfache, daß fich Verf.
auch an das große Publikum der nicht zünftigen Theologen
wendet, war fein Verfahren das einzig mögliche.
Ohne Zweifel ift das Buch geeignet, Aufklärung zu bringen
und ängftliche Gemüter zu ftärken. Möchte es viele auf-
merkfame und dankbare Lefer finden.

Breslau. Walter Bauer.

Morosow, Nikolaus: Die Offenbarung Johannis. Eine aftro-
nomifch-hiftor. Unterfuchung. Mit e. Geleitwort v. Prof.
Dr. Arth. Drews. (XX, 229 S. m. Abbildgn. u. 1 Taf.)
Lex.-8°. Stuttgart, W. Spemann 1912. M. 7.80

in Pappbd. M. 8.50

Morosow hat entdeckt, daß der Verfaffer der Apo-
kalypfe, Johannes Chryfoftomos (!), in feinem Buch den Eindruck
eines mit Gewitter verbundenen Erdbebens wiedergibt
, das er am 30. September 395 gefchaut hat. Er
beweift das folgendermaßen. Das Weib (Apok. 12) ift das
Sternbild der Jungfrau. In diefem Sternbild ftand als der
Verfaffer diefes Geficht fchaute, die Sonne (das Weib in
die Sonne gekleidet). Der Mond ftand in den Füßen des
Sternbildes (Apok. 12,2 fagt freilich vjcoxcctco xmv jiodmv
avzTjq) und da es nach Apok. 14,15 Neumond war, fo
ftand die Sonne ganz in der Nähe ebenfalls in den Füßen
des Sternbildes (beim Stern n.). Daraus ergibt fich. daß
die Apok. an einem 30. September gefchaut wurde.
Ferner deutet M. das vierte Roß (6,7) auf den Planeten
Saturn, den Tod, der darauf faß (hinaufftieg), auf den
Skorpion, alfo damals ftand Saturn im Zeichen des
Skorpion (genauer, trat in diefes ein). Ebenfo ift das
erfte Roß der Planet Jupiter, der Bogen deutet auf den
Schützen, alfo Jupiter im Schützen. Nun ift es aber in
den erften chriftlichen Jahrhunderten nur einmal vorgekommen
, daß am 30. September diefe Konftellation eintrat
: Jupiter im Schützen, Saturn im (Anfang des) Skorpion
, nämlich im Jahre 395. Alfo ift die Apokalypfe am
30. September 395 gefchaut. Wer follte fie ferner anders
gefchrieben haben als Johannes Chryfoftomos? Wird
doch feine fchnelle Beförderung zum Patriarchen von
Jerufalem am beften durch das Auffehen erklärt, welches
diefe feine Schrift gemacht hat. Und da Chryfoftomos
das Weltende und das große Gericht auf das Jahr 399
berechnete und diefe Prophezeiung nicht eintrat, fo erklärt
diefe Hypothefe wiederum am beften die fonft unerklärliche
Peripetie in feinem Leben: die Abfetzung und

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