Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1913

Spalte:

472-473

Autor/Hrsg.:

Langheinrich, Ernst

Titel/Untertitel:

Die Kirchengemeindeordnung für das Königreich Bayern vom 24. September 1912, nebst Vollzugsvorschriften 1913

Rezensent:

Sehling, Emil

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

47i

Theologifche Literaturzeitimg 1913 Nr. 15.

472

penhauer unbefriedigt, preift M. die Löfung von Nietzfche,
der den Schmerz in Wille und Schöpfung umbiegen heißt.
M. fchließt mit einer kurzen Verherrlichung der Religion
des perfifchen Zarathuftra, von der ihn aber der Glaube
an den endlichen Sieg des Guten fcheidet, mit dem er
als Sozialift der zweiten Generation nichts anfangen kann.
Deffen religiöfes Problem ift die Rechtfertigung des Leides
in fich felbft, wenn jede Sekunde des Gefchehens ihren
Wert in fich felbft hat. Die nachchriftliche Religion der
Menfchheit wird darum die tragifche Religion der großen
Griechen fein, aber erweitert und vertieft durch alles, was
ihr in der jüdifchen, indifchen und perfifchen wefensver-
wandt ift. Mit dem Ausblick auf einen zweiten prak-
tifchen Band ,Das Leben', in dem jene Zukunftsreligion
in der Gegenwart aufgefunden werden foll, fchließt das
Buch. Der gefchichtliche und der praktifche Weg follen
dann zufammen die Wahrheit der neuen Religion über
den Verdacht der Laune emporheben. Auf diefen Band
warten wir mit unferm endgültigen Urteil.

Heidelberg. Niebergall.

Lachmann, Pfr. E.: Im Morgenrot. Taufreden. (VI, 150 S.)
8°. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1912. M. 2 —

Seinen fehr freundlich aufgenommenen Grabreden
(f. Theol. Lit.-Ztg. 1911 Sp. 762h) läßt L.Taufreden folgen.
Sie zeigen wie jene großes Gefchick im Eingehen auf
die Befonderheit des Falles, in der Ausnutzung aller Anknüpfungen
, die die Situation bietet, in der Herftellung
eines herzlichen perfönlichen Verhältniffes zwifchen Pfarrer
und Gemeinde und in einer fehr gewandten oft geradezu
fchönen Diktion. Vielleicht etwas allzu reichlich ift die
neuere religiöfe Dichtung verwendet. Aus dem eigenen
Leben des Pfarrhaufes dürfte in größeren Gemeinden ent-
fchieden nicht fo viel wie hier berichtet werden. Wichtiger
ift das Bedenken, ob nicht über der intimen Aus-
fchöpfung der fämtlichen Umftände zuweilen, nicht immer,
zu kurz kommt, was doch den eigentlichen Kern jeder
Taufrede bilden muß: die Bedeutung der Handlung felbft
und die Folgerungen, die fich aus ihr ergeben. Manche
der Reden bringen viel mehr eine religiöfe Verklärung
des Menfchenlebens als eine Anwendung des Evangeliums
auf das Menfchenleben. Nach diefer Richtung hin liegen
jedenfalls die Gefahren der fonft reiche Vorzüge bietenden
Methode. Auch will mir's fcheinen, als ob der Redner
jetzt ein wenig wortreich würde. Die Länge der
Reden erklärt fich im Übrigen aus der in der Gemeinde
des Verfs. herrfchend gewordenen Sitte, nach der die
Taufen den Nachmittagsgottesdienft ftatt einer Predigt
ausfüllen.

Gießen. M. Schi an.

Handbuch der deutschen evangelifchen Seemannsmiflion, in

Verbindung mit einer Reihe von Berufsarbeitern herausgegeben
von Reinhard Münchmeyer, Seemanns-
paftor der Oftfeehäfen in Stettin. (VII, 478, XV S.)
gr. 8°. Stettin, F. Heffenland 1912. geb. M.6 —

Diefe erfte ,Praktifche Theologie' der Seemannsmiffion,
30 Auffätze meift aus der Feder gegenwärtiger oder
früherer Seemannspaftoren umfaffend, hat ihren Wert vor
allem als Orientierungs- und Nachfchlagewerk für den
Berufsarbeiter. Wiffenfchaftlich ift fie wegen ihrer Beiträge
zur Kirchengefchichte, Kirchenkunde und Volks-
pfychologie beachtenswert.

Das Handbuch beginnt mit einer Darfteilung des
Objekts der Seemannsmiffion, des Seemannsftandes.
Nach Darlegung der Bedeutung desfelben (Herausgeber)
gibt E. Pfalzgraf eine lebendig und mit feinem pfycho-
logifchen Verftändnis gefchriebene Skizze von dem Geiftes-
und Gemütsleben des Seemanns, die zu den bellen Beiträgen
des Buchs gehört. Der folgende Auffatz über die

bürgerlich- rechtliche Stellung des Seemanns (W. Thun),
zur Orientierung für die Verhältniffe auf deutfchen Schiffen
wohl geeignet, hätte vielleicht auch noch auf die hauptfächlichen
Abweichungen der Rechtslage auf fremden
Schiffen, befbnders englifchen, eingehen können, da gerade
hierin manche Rechtsfrage an den Berufsarbeiter im Ausland
herantritt. In dem 4. Auffatz über die wirtfchaft-
liche und foziale Lage des Seemanns (L. Fenchel), findet
man die äußeren Seiten derfelben lächkundig behandelt,
vermißt aber ein tieferes Herausarbeiten der auch von
dem Berufsarbeiter oft fchwer mitempfundenen großen
fozialen Probleme im Sinne der modernen Sozialwiffen-
fchaft. Der 2. Abfchnitt bringt neben der Darstellung
der Bedeutung und Organifation der S. M. eine Ge-
fchichte derfelben, von F. M. Harms gefchrieben, die den
erften umfangreicheren Vernich auf diefem Gebiete bedeutet
. Der Wert diefer Gefchichte ruht vor allem in
der Perfon ihres Verfaffers, dem als Begründer der Arbeit
neben dem gefchriebenen reiches Erinnerungsmaterial wie
keinem andern zur Verfügung ftand, und wird darum
als Quellenwerk von dauernder Bedeutung fein. Einem
Späteren bleibt noch die klarere Aufzeigung der inneren
Entwicklung der Arbeit, der Methoden und Erfolge,
des Verhältniffes von fozialer und religiöfer Fürforge ufw.
vorbehalten. Auch wäre eine noch genauere hiftorifche
Unterfuchung über die frühere Form religiöfer Verforgung
der Seeleute, die Verbreitung der Schiffsandachten ufw.
erwünfcht, um die S. M. noch deutlicher als die der
neueren wirtfchaftlichen Entwicklung angepaßte Form zu
erweifen. Der 3. Abfchnitt, die Aufgaben und Arbeiten
der S. M. umfaffend, behandelt das Thema,
glücklich die Gefahr der Einengung des Lebens zugun-
ften eines Syftems vermeidend, in 12 Auffätzen ver-
fchiedener Verfaffer. Fall alle Auffätze find reich an
Anregungen für den Berufsarbeiter. Einige hätten allerdings
noch mehr das an fich interefiante Perfönliche und
allgemeine Theoretifche zugunften nüchterner praktifcher
Ratfchläge und Vorlagen zurücktreten laffen können, wie
es trefflich in den Auffätzen über Schiffsjungenfürforge
(Herausgeber) und Unterhaltungsabende (F. Geß) gefchehen
ift. Der Auffatz über die kirchliche Verforgung an Land
(O. Oehlkers) ift zu dem etwas zu einfeitig an fpeziellen
Erfahrungen orientiert, um allgemeingültig zu fein. Auch
hätten einige Wiederholungen in verfchiedenen Auffätzen
dem Rotftift des Herausgebers zum Opfer fallen follen.
In dem 4. Abfchnitt, zwei kurze Skizzen über den Berufsarbeiter
der S. M. enthaltend, ift die feinfinnige klare
Schilderung des Ideals eines Seemannsmiffionars und
Hausvaters von P. Oehlkers hervorzuheben. Über das
Thema hinausgehend, aber doch zu wertvollen Vergleichen
anregend, behandelt der 5. Abfchnitt die fremden See-
mannsmiffionen in 9 Auffätzen. Eine Bibliographie und
ein Adreffenverzeichnis fchließen das Buch.

Als Ganzes angefehen hält das Buch mit der reichen
Fülle feines Inhalts das, was es verfpricht. Möge es auch
in den der S. M. ferner flehenden Kreifen ein Zeugnis
fein von der Notwendigkeit der Arbeit der S. M. und
von dem gefunden, tatkräftigen Geifte, der fie durchweht.

Wülfinghaufen. Ph. L. Meyer.

Langheinrich, Bez.-Amts-Affeff. Dr. Ernft: Die Kirchen-
gemeindeordnung f. das Königr. Bayern vom 24. September
1912, nebft den Vollzugsvorfchriften. Handausg. m.
Erläutergn. (In ca. 4 Lfgn.) 1—3. Lfg. (S. 1—336.) 8°.
München, J. Schweitzer 1912. M. 3 —

Die nach langen parlamentarifchen Verhandlungen
endlich zu Stande gekommene Kirchengemeindeordnung
für das Königreich Bayern vom 24. September 1912 hat
begreiflicher Weife das Intereffe der bayrifchen Juriften
in hohem Maße erregt. Endlich ift der Rechtsftand auf
diefem fo fchwankenden und viel beftrittenen Gebiete des