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Ausgabe:

1913 Nr. 14

Spalte:

433

Autor/Hrsg.:

Meurer, Christian

Titel/Untertitel:

Das katholische Ordenswesen nach dem Recht der deutschen Bundesstaaten 1913

Rezensent:

Köhler, August

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Seite 1

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433

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 14.

434

der Sammlung, in der fein Werk erfchien. Das Buch ift
mit einer reichhaltigen Literaturüberficht und eingeftreuten
Literaturverweifen ausgeftattet. In fchlichtem Gewände
birgt es eine Fülle fichtender, fammelnder und abwägender
Arbeit.

Marburg. W. So hm.

Meurer, Prof. Dr. iur. et phil. Chriftian: Das katholifche
Ordenswefen nach dem Recht der deutfchen Bundesftaaten.

(III, 78 S.) gr. 8°. Stuttgart, F. Enke 1912. M. 2 —

Die Schrift entftand durch Umarbeitung eines Artikels
, den der Verfaffer in Stengels Wörterbuch des Verwaltungsrechts
veröffentlicht hatte. Meurer gibt eine
Überficht über das gefamte Ordensrecht der größeren
deutfchen Gliedftaaten und berückfichtigt mehrfach auch
die kleineren deutfchen Staaten. Das Reichsjefuitengefetz
dagegen wird mit Abficht nur gelegentlich berührt (S. 15).

Die Einleitung beginnt mit dem Unterfchiede von
Glaubensgefellfchaften und geiftlichen Gefellfchaften. Zu
den letzteren gehören die Orden und Kongregationen,
zu den erfteren die Konfeffionen und Sekten. Von den
Glaubensgefellfchaften nimmt Verfaffer unter Bezugnahme
auf das Preuß. Allgem. Landrecht an, ,der unterfchei-
dende Zweck diefer Art von Gefellfchaften fei nicht der
Glaube fondern der Gottesdienft, der auf Grund der
Glaubensgemeinfchaft organifiert und finnenfällig ift'.
Unter einem .unterfcheidenden Zweck' ift wohl der die

verfchiedenen Glaubensgefellfchaften voneinander unter- I Fülle lehrreicher Beobachtungen werden vor uns aus-

Lindner, Prof. Theodor: Gefchichtsphilofophie. Das Wefen
der gefchichtl. Entwicklung. Einleitung zu einer Welt-
gefchichte feit der Völkerwanderung. 3., umgearb. Aufl.
(VIII, 220 S.) gr. 8». Stuttgart u. Berlin, J. G. Cotta'fche
Buchhandlg. 1912. M. 4.50; geb. M. 6 —

Lindners rühmlichft bekannte Gefchichtsphilofophie
liegt nun fchon in 3. Auflage vor, ein Zeichen, daß
gefchichtsphilofophifche Erwägungen zurzeit fehr weite
Kreife intereffieren. Da die Grundanfchauungen des 1901
zuerft erfchienenen Werkes diefelben geblieben find, lo
ift es nicht nötig, genauer auf den Inhalt einzugehen, fo
viele Änderungen in der neuen Auflage auch im einzelnen
vorgenommen fein mögen. Das Wichtige ift, daß
wir hier Anflehten vorgetragen finden, die lediglich auf
empirifchem Wege gewonnen find. ,Ich verliehe unter
Gefchichtsphilofophie vor allem die Zufammenfaffung des
gefchichtlichen Seins und die Darlegung des in ihm zu
erkennenden Allgemeinen, der durchgehenden Urfachen
und Weifen des gefchichtlichen Werdens und der dabei
tätigen Kräfte'. ,Wir können, wenn wir nicht den feilen
Boden unter den Füßen verlieren wollen, Gefchichte nur
als irdifches Gefchehen betrachten und diefes aus fich
felbft zu begreifen fuchen'. ,Meine Auffaffung verflicht demnach
,naturwiffenfchaftliche' und .geifteswiffenfehaftliche'
Anfchauung in einer pfycho-phyfifchen zu vereinigen'. ,Das
fcheint mir das eigentliche Problem zu fein: die Entftehung
der Verfchiedenheit bei gleichen Bedingungen'. Eine

fcheidende Zweck zu verliehen. Abweichend hiervon 1 gebreitet, gewonnen an der umfallenden Kenntnis des
erblickt v. Seydel, Bayerifches Staatsrecht 3, 491, den j gefchichtlichen Verlaufs, über die der Verfaffer der Welt-

Unterfchied der einzelnen Glaubensgefellfchaften voneinander
in ihrer .befonderen gefellfchaftlichen Ver-
faffung'. Fügt man hinzu: ,fowie darin, daß fie von
anderen religiöfen Organifationen grundfätzlich unabhängig
fein wollen' fo wird der Anficht Seydels beizutreten fein.
— Verf. erklärt es ferner für gleichgültig, ob eine Kirchen-
gefellfchaft mit der kirchlichen Gefamtkorporation im
Lande identifch ift oder ob fie nur in der örtlichen Kirchengemeinde
zur rechtlichen Erfcheinung gelangt. Wenn
man unter Gleichgültigkeit dabei die Gleichgültigkeit für

die ftaatskirchenrechtliche Exiftenz der Glaubensgefell- I Theologen als Lefer.

gefchichte verfügt, von deren bisher erfchienenen 7 Bänden
wir in unferer Zeitfchrift berichtet haben. Alles zeugt
von der hohen Weisheit des Verfaffers, feinem milden
und gerechten Urteil, feinem Beftreben, blendende Schlagworte
des Tages auf ihren wahren Wert zurückzuführen.
Mir erfcheinen vor allem anderen fympathifch die Umficht,
mit der die Urteile gewonnen werden, die Schlichtheit
und Lebendigkeit der Ausdrucksweife, der die Phrafe
völlig fern liegt, die innere Wahrhaftigkeit und der frohe
hiftorifche Optimismus. Ich wünfehe dem Werke viele

fchaft verlieht, ift dem Verfaffer darin völlig zuzuftimmen.

Nach einigen fehr klaren Ausführungen über den
Gegenfatz von Orden und Kongregationen (S. 8) wendet
fich Verf. zu den rechtlichen Vorbedingungen ihrer Zu-
laffung in den deutfchen Einzelftaaten und zu dem tat-
fächlichen Umfang, in dem fie zugelaffen werden. Er
beleuchtet u.a. (S. iof.) die Weitherzigkeit der bayerifchen
Praxis, die Strenge der fächfifchen Verfaffung fowie die
kafuiftifchen Beftimmungen der preußifchen Gefetzgebung,
die zwifchen zuzulaffenden Hauptzwecken und Nebentätigkeiten
der Orden feine Unterfchiede macht.

&Von der ftaatlichen Zulaffung ift die Frage der

Kiel. G. Ficker.

Goldfchmidt, Gymn.-Oberlehr. Prof. Dr. Ludwig: Zur
Wiedererweckung Kantifcher Lehre. Kritifche Auffätze.
(X, 289 S.) gr. 8° Gotha, F. A. Perthes 1910. M. 6 —

Gefammelte Auffätze und Befprechungen, die den
Standpunkt der Kant-Orthodoxie gegen die ,kritifchen
Freidenker' und gegen die nachkantifchen Metaphyfiker
vertreten, d. h. die ein Kantverftändnis im Sinne der Kant
zeitgenöffifchen und ihn verftehenden Aufklärung gegen
die modernen Fortbildungen und Beftrebungen des Kriti-
Genehmio-ungsbedürftigkeit jeder einzelnen Niederiaffung t zismus verfechten. Der Verf. betrachtet dem gegenüber

und die Frage nach der Entftehung von Rechtsperfön- alle moderne Philofophie für völlig entbehrlich und ledig-
lichkeit zu trennen. Verf. vertritt (S. 31 f.) mit guten lieh irreführend. Vor dem vollen Einzelverftändnis der
Gründen die Anficht, daß eine Glaubensgefellfchaft mit Kantifchen Schriften foll niemand über ihn und Philofophie
ihrer Zulaffüno- ipso iure Rechtsperfönlichkeit im Staate reden, und, da das mindeftens ein halbes Leben dauert,
erlange, foweit die neueren Gefetze nicht ausdrücklich hofft er auf eine Marke Verminderung der philofophifchen
Abweichendes beftimmen. Solch abweichendes Recht Produktion. Dagegen foll umgekehrt der einfache Grund-
befteht zwar in Preußen aber nicht in Bayern. gedanke des Kritizismus fchon in die Schulen überall

Den Schluß bilden beachtliche Ausführungen de lege eingeführt werden, um die Menfchen gegen die moderne
ferenda. Meurer wünfeht (S. 73L) nicht nur eine gleich- philofophifche Anarchie immun zu machen. Kant hate alle
heitliche Regelung des Ordenswefens, fondern tritt ins- Probleme nicht bloß geftellt, fondern auch gelöft. Zu
befondere für0erweiterte Zulaffung der Orden in denjenigen 1 feinem Verftändnis gehöre nur die hohe philofophifche
Staaten ein, welche fich ziemlich ablehnend gegen fie ! Kultur feiner Zeit, die in der heutigen rhaplodifchen
verhalten. Er erblickt den Hauptvorzug des Ordens- Genialität und oberflächlichen Gefchichtskonftruktion ver-
geiftlichen darin, daß diefer regelmäßig nur dem religi- loren gegangen fei. Mit großer Schärfe wendet fich der
öfen Leben, nicht dem politifchen zugewandt fei. j Verf. von diefem Standpunkt aus gegen Vaihinger, Kuno

München. A.Köhler. | ^/r Schopenhauer Simmel, Cohen Paulfen, Kulpe,

Windelband ufw. Auch gegen die einfeitig unter Ver-
nachläffigung des Naturbegriffes und des Einheitsbegriffes