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Ausgabe:

1913 Nr. 14

Spalte:

421-422

Autor/Hrsg.:

Hehn, Johannes

Titel/Untertitel:

Die biblische u. die babylonische Gottesidee 1913

Rezensent:

Ungnad, Arthur

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421 Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 14. 422

Zufammenhang mit einem ,Wefen', ,Exiftenz' o. ä. bedeutendem
Worte jau anzunehmen, für deffen Vorhandenfein
fich nur allerlei Ungewiffes ins Feld führen läßt.1 Wir
wiffen eben garnichts über die Gefchichte des Gottesnamens
in der älteren Zeit.

Durchaus erwiefen fcheint mir aber H.'s Annahme, daß
Jahwe keine Naturgottheit fei; vielmehr hält er ihn für
eine fpezififch nationale Gottheit, um die Mofes die ver-
fchiedenartigen Stämme des ,Volkes' Ifrael gefammelt hat:
,Die Sinaikoalition ... ift die Amphiktyonie der Jahweverehrer
'. Jahwe verkörpert fich in keiner Naturerscheinung
; feine Tranfzendenz ift der Grund, weshalb das
Volk immer und immer wieder zu den ihm viel verftänd-
licheren tValen abfiel. So erklärt fich auch die Bild-
lofigkeit des Jahwekultes und feine Intoleranz gegenüber
anderer Kulten. Aus feinem Wefen als ,Volksgott' erklärt
fich weiter die Betonung des fittlichen Faktors, der
bei den altorientalifchen Naturgöttern erft in zweiter
Linie kommt: bei Jahwe ift Liebe und Gerechtigkeit die
erfte Forderung, die er an fein Volk ftellt. Die Befol-
„• L.uiv u m u u 1 -r u SunS diefer Forderung ift maßgebend für das Schick-
Hehn, Prof. D. Dr. Johannes: Die biblifche u. die babylonifche j fal des Volkes: Sittlichkeit und Schickfal erfcheinen hier
Gottesidee. Die ifraelit. Gottesauffaffg. im Lichte der 1 als innere Einheit. So war es auch möglich, daß fleh

aftronomifch-philofophifchen Frömmigkeit zu begreifen.
Hier eine optimiftifch-moniftifche Grundftimmung, dort
der Grundzug dualiftifch-pefflmiftifch; hier der Kosmos
selbft der große wunderbare Gott, dort die Verehrung
des Agnoftos Theos, der von dem Weltfchöpfer durch
eine tiefe Kluft getrennt erfcheint; hier die Geftirne die
höchften Götter, dort dämonifche Wefen; hier die Gottes-
fchau, erlebt am geftirnten Himmel, dort das Streben der
Seele über alles hinaus was fichtbar und greifbar ift;
hier die Erhebung der Seele zu den Sternen, dort die
Sternenmächte die hemmenden Gegner auf dem Wege
zur höchften Gottheit. Aber das ift nur eine von den
vielen Perspektiven, die Cumonts Buch eröffnet.

Ich erwähne noch, daß Cumonts Buch auch in
fchwedifcher Überfetzung (von Axel Nelfon), Stockholm
1912 mit reichlicheren Nachweifen in den Anmerkungen
und einigen Erweiterungen — vgl. Kap. IV und VIII der
fchwedifchen Überfetzung — erfchienen ift.

Göttingen. Bouffet.

altoriental. Religionsgefchichte. (XII, 436 S. m. 11 Ab-
bildgn.) 8 °. Leipzig, J. C. Hinrichs 1913 M.9—; geb. M.io—
Der Verfaffer, deffen religionsgefchichtliche Studien
über ,Siebenzahl und Sabbat' und über ,Sünde und Er-
löfung' rühmlichft bekannt find, hat fich hier ein überaus
fchwieriges Problem geftellt, über das von unberufener
Seite fchon fo viel gefchrieben worden ift, daß man einer
neuen Aufrollung der Fragen zunächft fehr mißtrauifch
gegenübertritt. Diefes Mißtrauen fchwindet aber, wenn
man fleht, wie gewiffenhaft fich Hehn mit allem wiffen-
fchaftlichen Material zur Beantwortung des Problems ge-
rüftet hat. Dazu ift er weder einfeitiger Theologe, der
das außerbiblifche Material nur halb kennt, denn er hat
fich auch philologifch auf außerbiblifchem Gebiete betätigt
; noch ift er einfeitiger Affyriologe, der alles durch
die Brille des Panbabylonismus gefärbt fleht. Mit Recht
ftellt er das kulturgefchichtlich-philologifche Material in
den Vordergrund der Unterfuchung.

Zunächft unterfucht Verf. die Grundanfchauungen der
Babylonier über das Wefen der Gottheit: die Götter find

der Jahwismus zum Univerfalismus erhob, da Gott nicht
das einfeitige nationale Intereffe vertritt, fondern die Gerechtigkeit
überhaupt. Indes hat fich der reine Jahwismus
nie großer Beliebtheit im Volke zu erfreuen gehabt, und
fo erklärt fich das Auftreten religiöfer Perfönlichkeiten, an
denen Ifrael fo reich ift, während fie fonft im alten Orient
fehlen.

Daß H. in Mofes eine hiftorifche Perfönlichkeit und
den eigentlichen Stifter der Jahwereligion erkennt, wird nur
der mißbilligen, der die religiöfe Entwicklung des alten
Orients völlig mißverfteht.

Wenn man auch in manchen Einzelheiten dem Verfaffer
widerfprechen muß2, fo hat man doch den Eindruck, daß
feine Gedankengänge durchaus dem überlieferten Material
gerecht werden, und daß fie frei find von allem Phanta-
ftifchen und aller Spekulation, die die Lektüre derartiger
Unterfuchungen fonft fo widerwärtig macht. Hehn's Buch
zu lefen bedeutet einen anregenden Genuß, und wer fich
ernfthaft mit den behandelten Problemen befaffen will,
muß unzweifelhaft zu diefem gediegenen Werke Stellung
nehmen.

dem Babylonier die als tätige Perfonen gedachten Natur- j 77- ' „_fi__„.-„t™ w„-<. „a c u ■ a

Wft, Hie in Her rran7en Welr wirkfam In Verfthmel.en . Em umfangreiches Wort- und Sachregifter wird man

kräfte, die, in der ganzen Welt wirkfam, ein Verfchmelzen
mit außerbabylonifchen Gottheiten ohne Schwierigkeiten
ermöglichten. Daß fich monotheiftifche Strömungen in
der babylonifchen Religion geltend machten, weift H. mit
Recht zurück: hier und da kommt wohl der Gedanke zum
Ausdruck, daß diefer oder jener Gott der Gott fei, der
die anderen foweit an Macht überflügelt, daß diefe neben
ihm keine größere Rolle fpielen; auf den Gedanken, die
Vielheit der Götter zu leugnen, ift man in Babylon jedoch

chem Benutzer eine willkommene Beigabe fein.
Jena. Arthur U n g n a d.

Apologetifche Vorträge, hrsg. vom Volksverein f. das katho-
lifche Deutfchland. 3. Heft. (230 S.) gr. 8°. M. Gladbach
, Volksvereins-Verlag 1912. Geb. M. 2 —

Der Verfaffer diefer Vorträge ift der Herausgeber der
niemals gekommen. Ähnlich fteht es in den andern alt- ,Apologetifchen Korrefpondenz' Dr. theol. Fr. Meffert. Sie

orientalifchen Kulturkreifen, deren Religion der Babylo-
niens im wefentlichen entfpricht; auch hier find die Götter
die perfonifizierten Naturkräfte.

Eingehend unterfucht H. die Frage, ob es einen ur-
femitifchen Gott Ilu oder El gegeben habe. Seine Antwort
fällt hier mit Recht negativ aus, mag man feinen
Erklärungsverfuchen von ilu und el auch etwas fkeptifch
gegenüberftehen. Wo el als befonderer Gottesname begegnet
(Aramäer, Phönizier, Südaraber), ift er nicht anders
zu werten als die ähnlichen Gottesnamen ba'al und
melech.

wollen den Angriffen begegnen, welche vom Boden der
modernen Religionsgefchichte aus gegen den Offenbarungsglauben
unternommen werden, foweit fie das A. T. betreffen
. Ein weiterer Band foll dann dem Thema Religionsgefchichte
' und ,Werden' des Chriftentums gewidmet
werden.

Welche gute und ausgebreitete Kenntnis des gewaltigen
Stoffes der Verfaffer hat, zeigt fich fchon in der
Dispofition der Vorträge. Der erfte Abfchnitt handelt
von dem Monotheismus Israels (die Propheten, Mofes, die
Patriarchen, Jahwe der eine Gott Israels); der Verfaffer

Weiterhin unterfucht H. die Namen des ifraelitifchen ; fucht ihn von den Propheten über Mofe zu den Patriarchen
Gottes- ob H. darin Recht hat, daß ein bereits vorhandener 1 zuruckzuverfolgen. Im zweiten Abfchnitt wird die ,mo

Gottesname Jahu oderjaho erft in Jahwe umgeftaltet wurde,
will ich dahin geftellt fein laffen. Daß Jahwe keine babylonifche
Gottheit ift, kann keinem Zweifel unterliegen; das
hat H. nochmals mit aller Entfchiedenheit gezeigt. Dagegen
halte ich es für verfehlt, im Namen Jahu einen

derne, nur — religionsgefchichtliche' Methode bekämpft.

'Manches von H. angeführte, wie die Erklärung des bab. jäti, ift
ganz unhaltbar.

2 Z.B. bedürfen die Ausführungen über bab. ili einer Revifion, da
ili fchon rein grammatifch nicht,Gott' im generellen Sinne heißen kann.