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Ausgabe:

1913 Nr. 13

Spalte:

400-401

Autor/Hrsg.:

Hefele, Frdr.

Titel/Untertitel:

Der Würzburger Fürstbischof Julius Echter v. Mespelbrunn u. die Liga 1913

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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399 Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 13. 400

leben antiker Studien im Mittelalter in feinem Einfluß auf
die Steigerung und Vermehrung der Kulturelemente verwenden
. Wie mir fcheint, find gegenüber der großen
Fülle von Einzelbeobachtungen und einzelnen Tatfachen
und Notizen die großen, allgemeinen Züge zu kurz gekommen
, und fo tritt der Gang der mittelalterlichen Kultur
nicht deutlich hervor. Die Darftellung hat etwas
Anekdotenhaftes: hübfche, intereffante, lehrreiche, auch
charakteriftifche Anekdoten finden fleh überall.

Die erfte Bearbeitung zeigte eine auffallend katho-
lifche Haltung; im Vorwort zum 3. Bande verfichert uns
der Herr Verf., daß er dem Mittelalter völlig unbefangen
gegenüberftände. In der Tat ift die neue Bearbeitung
viel unbefangener als die erfte. Doch zeigt fie fpezififch
Katholifches noch genug: allgemeinere Ausführungen über
den Segen der Ehelofigkeit oder den Unfegen der Ehe
gehören in folche Bücher nicht hinein, wenn fie nicht die
Anfchauungen der behandelten Zeit wiedergeben follen;
apologetifche Sätze wie: die Kirche hat daran keine Schuld
(an den Auswüchfen der Heiligenverehrung) operieren
mit einem hiftorifch unbrauchbaren Begriff von Kirche

eine große Zahl von Originalurkunden und Kopien ein-
gefehen zu haben fcheint, wäre eine nähere Auskunft über
das Mitbefiegelungsrecht leicht zu geben gewefen. Sie
wäre in der Tat fehr erwünfeht. Da B. fich mit einigen
Fragen der Urkundenausfertigung befchäftigt, fo hätte er
füglich die eine oder andere Arbeit verwerten können,
die fich mit dem privaten, infondere bifchöflichen Ur-
kundenwefen befaßt. Ref. weist hier hin auf die kleine
aber forgfältige Studie von O. H. May: Unterfuchungen
über das Urkundenwefen der Erzbifchöfe von Bremen im
13. Jhdt. (Archiv für Urkundenforfchung, Bd. 4. S. 39—112).

Auf S. 94 kommt May näher auf das Mitbefiegelungsrecht
des Domkapitels und erörtert an einer recht geläufigen
Formel den Zufammenhang von Mitbefiegelungsrecht
und Konfensrecht; auch gerade auf das 13. Jhdt,
ja auf den Anfang diefes Zeitraumes bezieht fich May:
dort fei es üblich gewefen, daß das Kapitel fein Siegel
den bifchöflichen Urkunden angehängt habe. Wichtig ift,
daß B. die Stärkung des Domkapitels durch das Archi-
diakonat darlegt. Wenn die 16 Domherren von 11 Ar-
chidiakonaten ficher 9 in ihren Händen gehabt haben, fo

die Kirche, die der Verfaffer meint, fpricht und handelt ; haben fie damit dem Bifchof gegenüber ein bedeutendes
nicht; doch gehörten die für die Auswüchfe der Heiligen- | Übergewicht.

Verehrung verantwortlichen Perfonen ficherlich zur Kirche. Erwünfeht wäre ein Verzeichnis der benützten un-

Aber das ift richtig, daß der Verf. nichts unterdrückt hat, gedruckten Quellen gewefen: Staatsarchiv Hannover, Stadt-

was geeignet ift, die mittelalterliche Kirche zu belaften.
In folchem Umfange wie in feinem Werke ift z. B. der
Teufelsglaube noch in keiner Darftellung herangezogen

archiv Lüneburg, Dombibliothek Trier und Univerfitäts-
bibliothek Göttingen hätte der Verfaffer nennen können.
Im Literaturverzeichnis fehlt leider Sägmüller, Katholifches

worden; man erhält einen lebendigen Eindruck von der 1 Kirchenrecht 1909 (2. Aufl.), das S. 401 ff. auch recht viel
ungeheuren Macht der mit ihm zufammenhängenden fuper- j neuere Literatur bietet, die B. mit Erfolg hätte nutzen
ftitiöfen Vorftellungen. Die für den Katholiken verfang- können.

liehen Jahrhunderte, das 13. bis 15., hat der Herr Verf.
noch zu behandeln, und ich traue es ihm zu, daß er bei
ihnen volle Unbefangenheit walten läßt.

Kiel. G. Ficker.

Wolfenbüttel. Otto Lerche.

Bück mann, Dr. Rudolf: Das Domkapitel zu Verden im Mittelalter
. (Beiträge für die Gefchichte Niederfachfens und
Weftfalens, hrsg. von Prof. Dr. Georg Erler. 34. Heft.)
(86 S.) gr. 8°. Hildesheim, Auguft Lax 1912. M. 2.40

Im erften Teile feiner Arbeit gibt der Verfaffer eine
kurze Gefchichte des Domkapitels: wefentlich und interef-
fant daran ift die Tatfache, daß das gemeinfame Leben,
wenn auch in weitgedehnter Form bis in das hohe Mittelalter
hinein in Verden fich erhalten hat. Im 12. Jahrh.
finden fich Spuren einer Auflöfung, die erft im 13. Jahrh.
eine völlige wird. Die Domherren, 16 an der Zahl, werden
im einzelnen nach ihren Funktionen durchgenommen.
Von ihnen nimmt einer, der Propft der St. Johanniskirche
zu Lüneburg eine Sonderftellung ein. Ein zweites Kapitel
ift den Ämtern, der Wirtfchaftsverfaffung und der Rechtspflege
des Domkapitels gewidmet, während ein letzter
Abfchnitt die Stellung des Domkapitels dem Bifchof
gegenüber darzuftellen verfucht. Gerade diefer letzte
Gegenftand erfordert heute befondere Aufmerkfamkeit.
B. erörtert den Rangftreit zwifchen Bifchof und Domkapitel
in allen fo verfchiedenen Phafen. Zunächft verlangen
die Domherren die Synodalien, fodann machen fie
Anfpruch auf den Nachlaß des verftorbenen Bifchofs,
zuerft unter Bifchof Hugo (f 1180). Mit der Wahlkapitulation
von 1205 fteht das Domkapitel auf der Höhe
feiner Macht, beliebig kann es fie gebrauchen. So unter-
ftützt es einen fchwachen Bifchof gegen einen unruhigen

Adel, andererfeits verbindet fich das Kapitel in Macht- 1 von der NotwendTgkeit und dem Nutzen eines katholifchen

Hefele, Dr. Frdr.: Der Würzburger Fürftbifchof Julius Echter
v. Mespelbrunn u. die Liga. (Würzburger Studien zur
Gefch. des Mittelalters u. der Neuzeit. 6. Heft.) (VIII,
112 S.) gr. 8°. Würzburg, Kgl. Univerfitätsdruckerei
H. Stürtz. 1912. M. 3.50

Das Wirken Julius Echters von Mefpelbrunn entbehrt
noch immer einer zeitgemäßen Darfteilung. Dem Kundigen
ift dies wohl erklärlich; der Schwierigkeiten find nur all-
zuviele zu überwinden. Es ift daher ein Verdienft des
Verfaffers, wenn er es unternommen hat, die Politik des
Fürftbifchofs in feinen letzten Lebensjahren auf Grund
der urkundlichen Quellen darzuftellen. Er gewinnt dadurch
nicht befonders; großzügige Gedanken lagen ihm
fern; ihm kam es darauf an, vor allem fein Bistum zu
heben und zu fördern. Die Rückficht auf diefes beftimmt
fein ganzes Verhalten zu Kaifer und Reich. So kann es
kommen, daß er in feinem eignen Lande rückfichtslos
den Proteftantismus ausrottet, dagegen um diefem Ruhe
und Sicherheit zu erhalten mit proteftantifchen Fürften
zufammenzugehen kein Bedenken trägt. Seine Politik ift
demnach kaum unterfchieden von der der anderen Reichsglieder
; feine Gabe beftand darin, wie er diefes Ziel mit
Zähigkeit und Fettigkeit immer durchzufetzen wußte.
Aber auch hier fehlt es nicht an Schatten. Von Geiz war
er nicht frei; viel zu opfern für feine Pläne lag nicht in
feinem Sinne.

Die letzten Lebensjahre des Bifchofs laffen fich in
2 Teile gliedern: ,Die Liga und der Bifchof und ,der Bifchof
und die Liga'. Es dauerte geraume Zeit, bis er fich

fragen mit dem Adel gegen den herrfchfüchtigen Bifchof. ; Sonderbündniffes überzeugte; erft mußte er die Not im

Vor allem forgt das Kapitel dafür, daß die vom Bifchof
forglos und unvorfichtig ausgegebenen Vogteien beim
Tode der Inhaber wieder eingezogen werden. Schließlich
erreichte das Kapitel die eigene Wahl der Domherren und
das Konfensrecht. Diefem Konfensrecht entfpricht ein
Mitbefiegelungsrecht, dem B. S. 68 nur wenige Zeilen
widmet. Gerade weil B., wie Referent gern anerkennt,

eignen Lande fpüren, bis er feine zögernde Stellung aufgab
und eine aktive Haltung unter den Bundesmitgliedern
annahm.

Mit Fleiß hat der Verfaffer in Bamberg, München
und Würzburg fein Material zufammengetragen; es ift zu-
meift unbekannt bis jetzt gewefen. Die Darftellung ift
klar und überfichtlich; fie wäre aber konzinner geworden,