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1913 Nr. 13

Spalte:

395-396

Titel/Untertitel:

Recherches sur la manichéisme. II. extrait de la CXXIII. Homélie de Sévère d’Antioche. III. L’Inscription de Salone par M. A. Kugener et Franz Cumont 1913

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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395

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 13.

396

ausführliche, viel intereffantes Detail (namentlich in fprach-
licher Hinficht) bietende Befprechung des Hebräerbriefes
einzugehen. Die untheoretifche Art der in diefem Brief
herangezogenen altteftamentlichen Kultvorftellungen wird
aus der paränetifchen Abficht der Einführung der zentralen
Vorftellung von dem Hoheprieftertum Chrifti dargetan:
der Opfervergleich habe überwiegend formalen
Charakter.

Das Schlußergebnis der vergleichenden Unterfu-
chung fchildert das kultfreie Gottesverhältnis, das in den
neuteft. Schriften fo unbefangen und felbftverftändlich zutage
tritt, während im Spätjudentum die altüberlieferte
Opferpraxis weiter gefchleppt wird. Diefe neue Sachlage
ift aus der Übermacht des neuen religiöfen Geiftes ver-
ftändlich. Sie ift nicht auf die Einwirkung helleniftifcher
Myftik zurückzuführen. Der chriftliche Standpunkt ift
nicht etwa der Endpunkt einer im Diafporajudentum
einfetzenden Reaktion gegen den Ritualismus. Ein neuer
Wille, ein neuer Wert wird in der Gemeinde lebendig und
zwar in dem einen Namen Jefus, den alle neut. Schrift-
fteller^ in verfchiedenen Formen, in Bildern, welche der
Opferinftitution entnommen find, als die überragende
Größe hinftellen. Während in der Myftik die einzelnen
Opfervorfchriften allegorifiert, in Erlebniffe der Seele umgedeutet
werden, zeigt fich die Kontinuität zwifchen Altem
und Neuem Teftament darin, daß in der Opfervorftellung
wie in der Betrachtung des Todes Chrifti als eines Opfers
ein tiefer Ernft in der Auffaffung der Sünde zum Ausdruck
kommt. Für die Gemeinde handelt es fich bei den
Opferausfagen um ein Tun Gottes, für die Myftik find es
Symbole der Vereinigung mit Gott. In der Myftik ift
der Opfergedanke eigentlich ein Fremdkörper.

Der Tatfache, die S. in feinen Schlußfolgerungen
ftärker hervortreten läßt, daß es fich nämlich im Urchriften-
tum um eine neue Religion, nicht um Theologie handelt,
fcheint er im Laufe feiner Unterfuchung nicht genügend
Rückficht zu tragen. Wenn Fiebig dafür getadelt wird,
daß er in allzu fubtiler Weife zwifchen kultifcher und
ethifcher Auffaffung der neut. Schriftfteller unterfcheidet,
fo bekommt der Lefer bei S. felbft den Eindruck, daß
er Diftinktionen macht, die für die alten Jefusgläu-
bigen felbft keine Geltung hatten. Ein gewiffer Wider-
fpruch liegt darin, daß ihnen ein unbefangener, unrefjek-
tierter Gebrauch der Opferidee zugefchrieben und ihre
Ausfagen zugleich als Unterlagen theologifcher Erkenntnis
benutzt werden. So ernftlich S. nach wiffenfchaftlich begründeter
Wahrheit ringt, es mangelt öfters ein klar und
bündig formuliertes Urteil. Gefpreizte Wendungen, unerträglich
abftrakte Gedankenentwickelungen (wie z. B. S. 311)
ermüden den Lefer. Es muß bezweifelt werden, ob dem
Werke die nachhaltige Wirkung befchieden fein wird, die
nur durch Klarheit und Präzifion der Gedanken zu erreichen
ift.

Gießen. Baldenfperger.

Recherches sur le manicheisme. II. extrait de la CXXIII.
Homelie de Severe d'Antioche. III. L'Inscription de
Salone par M. A. Kugener et Franz Cumont. (S. 81
—177.) gr. 8°. Brüffel, Lametre 1912.

Der zweite Teil diefer vortrefflichen Unterfuchungen
behandelt die (i23te) Homilie des Severus über den
Manichäismus. Die Homilien des Patriarchen Severus
von Antiochien find uns in zwei fyrifchen Überfetzungen
erhalten. Die ältere Überfetzung flammt aus dem VI. Jahrhundert
und wird mit dem Namen des Paul von Callinike
in Verbindung gebracht, die zweite, wahrfcheinlich nur
revidierte haben wir Jakob v. Edeffa zu verdanken, der
feine R.evifion im Jahre 700/1 herausgab. Die 123. Homilie,
die hier in Frage kommt, wurde aus der älteren Überfetzung
von Rahmani mit einer lateinifchen Überfetzung
im vierten Bande der Studia Syriaca (Beyrouth 1909)
veröffentlicht. Kugener und Cumont legen hier Text,

Überfetzung und Erläuterung der Überfetzung des Jakob
v. Edeffa, die den Sinn des Originals beffer erhalten hat,
vor. Quelle der Textausgabe ift die Handfchr. add 12159
des Brit. Muf. Die Homilie gibt uns in langen wörtlichen
Zitaten ein Stück kosmogonifcher Spekulation des Mani.
Leider läßt fich nicht genau feftlegen, welchem Buche
Manis diese Ausführungen entlehnt find (To wie C. für
Theodor bar Kuni im erften Heft der Unterfuchungen
als Quelle die Epiftula Fundamenti nachweifen konnte).
Es läßt fich nur feftftellen, daß es diefelbe Quelle war,
die Theodoret Haeret. fab. I 26 und Titus von Boftra
im erften Buche feines Traktates gegen Mani benutzt
haben. Es läßt fich ferner nachweifen, daß das Buch
der Geheimnifle (77 ßißloq xcöv (ivörrjQlcov) diefe Quelle
nicht war. Nach C.s Vermutung könnte vielleicht die
Abhandlung Manis über die Giganten (77 rä>v yiyävrcov
jcgayfiareta. vgl. darüber Recherches I. p. 3 f.) in Betracht
kommen. Das kosmogonifche Stück, das uns durch
Severus von Antiochia aufbewahrt wurde, behandelt nur
die Anfänge der Kosmogonie: die beiden feindlichen
Reiche, der Angriff der böfen Welt auf die gute und
der Entfchluß des guten Gottes, einen Beftand der Lichtwelt
, zur vorläufigen Beruhigung der Böfen und um diefe
in der ,Vermifchung' wie in einem Netze einzufangen,
preiszugeben. Charakteriftifch für diefe Partie ift die
Darftellung der beiden Reiche unter dem Bilde zweier
Bäume (wohl nach Mt. 7,18 f; Lk. 6,43; hier wären noch
zu den Parallelen p. 168 die eng verwandten Spekulationen
Marcions im Anfchluß an Lk. 6, 43, Tertullian
adv. Marcionem I, 2 hinzu zu fügen). — Mit Recht hebt Cumont
die auch hier zutage tretende enge Verwandtfchaft
des Manichäismus mit dem genuinen Parfismus hervor
(vgl. namentlich die Ausführungen über die Lehre der
Barbaren (Perfer) fchon bei Bafilides in dem Fragment
aus den Acta Archelai, zu denen Cumont (p. 167) mit
Recht bemerkt, man könne meinen, Bafilides gäbe hier einen
Auszug des Syftems des Mani, wenn diefer nicht mehr
als hundert Jahre vor Mani gelebt hätte). Jene Symbolik
der beiden Bäume führt uns andrerfeits hinüber zu der
intereffanten manichäifchen Schrift, die Chavannes und
Pelliot im Journal Asiatique Nov.—Dez. 1911 S28ff. aus
dem Chinefifchen überfetzt haben, — nur daß hier die kosmogonifche
Spekulation in die pfychologifche umgebogen ift.
Bei dem fich in überrafchender Weife mehrenden Material
für die Religion des Manichäismus (vgl. meinen Überblick:
Theol. Lt. Zt. 1912. Nr. 14) ift das Unternehmen der Recherches
sur le Manicheisme (Nr. 3. bringt eine kurze Notiz über
eine Infchrift aus Salone (Dalmatien), in der fich eineLydierin
Basia als nagdtvog Maviyßa bezeichnet. Ein viertes Heft
ift bereits in Ausficht geftellt) mit doppelter Freude zu
begrüßen.

Göttingen. Bouffet.

Magnin, Vic. E.: L'Eglise Wisigothique au VII« siecle.
Tome I. (XLI, 203 S.). kl. 8°. Paris, A. Picard et
Fils 1912. fr. 3.50

Die Gefchichte der weftgotifchen Kirche im 7. Jahrhundert
gehörte zu den Abfchnitten der frühmittelalterlichen
Kirchengefchichte, von der wir eine gründliche
Behandlung bisher nicht befaßen. Sie eignet fich zu
einer Monographie befonders deshalb, weil diefe Kirche
ein eignes Leben für fich führte und in wenig lebhaften
Beziehungen zu den anderen Kirchen des Abendlandes
ftand. Außer dem Buche von H. Lecleicq: L'Espagne
chretienne, Paris 1906 befaßen wir aus neuerer Zeit keine
wiffenfchaftliche Arbeit über die fpanifche Kirche; denn
die Kirchengefchichte Spaniens von Garns, Regensburg
1862—1879 enthält zwar viel Material, ift aber ein kritik-
lofes und veraltetes Buch. Da nun Leclercq in feinem
Werke fich weniger mit den kirchlichen Inftitutionen be-
fchäftigt, hat Magnin in feinem fleißigen, von guter wiffen-
fchaftlicher Methode Zeugnis ablegenden Buch diefe