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Ausgabe:

1913 Nr. 13

Spalte:

388-390

Autor/Hrsg.:

Kittel, Rudolfus (Ed.)

Titel/Untertitel:

Biblia hebraica. Ed. altera emendatior stereotypica, iterum recognita 1913

Rezensent:

König, Eduard

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 13.

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hat ja Buddha alles eitle Philofophieren und Spekulieren,
jede einfeitig intellektuelle Betrachtung der Dinge (tarka,
tib. rtog-pa, nam-rtog), kurz jeden Vernich, durch bloßes
logifches Denken die Weltgeheimniffe ergründen zu wollen,
verworfen, und gerade Wallefer hat das Verdienft, in
feiner Abhandlung über ,die philofophifche Grundlage des
älteren Buddhismus' (Heidelberg 1904) auf diefen Punkt
mit dem gehörigen Nachdruck hingewiefen zu haben
(üehe S. 11, 80 a. a. O.). Der Buddha verkündet nicht
eine Philofophie, fondern zeigt einen Weg, und das Be-
fchreiten diefes Weges allein kann zur höheren Erkenntnis
führen. Fragen über Dinge, die nicht durch Grübeln
erforfcht, fondern nur durch das Befchreiten des Heilsweges
geoffenbart werden können, pflegte Buddha zurück-
zuweifen. Nun läßt fleh aber zeigen, daß gerade in der
Art und Weife, wie er folche Fragen zurückwies, die
eigentümliche Ausdrucksweife des Mädhyamika-sästra
ihren Grund hat, daß alfo hier genau wie anderwärts eine
fog. Mahäyänalehre im urfprünglichen Buddhismus bereits
im Keime enthalten ift. An vielen Stellen des Kanons,
z. B. im Potthapadasutta des Dlghanikäya, im Cüla-
Mäluhkyasutta des Majjhimanikäya, wird Buddha
gefragt, ob die Welt unendlich oder endlich, ewig oder
nicht ewig fei, ob Leben und Körper eins feien oder nicht,
ob der Tathägata nach dem Tode exiftiere oder nicht?
Auf folche Fragen pflegte Buddha in der Weife zu antworten
, daß er zunächft die pofitive Thefe verneinte, hierauf
in gleicher Weife die negative Thefe, ebenfo wird
drittens die Verbindung (Coexiftenz) der pofitiven und
negativen Thefe, und viertens ihr gegenfeitiges Sichaus-
fchließen verneint, oder genauer gefagt, nicht verneint,
fondern Buddha erklärt, daß jede der vom Standpunkte
der Logik möglichen vier Arten, zu einer folchen Frage
bejahend oder verneinend Stellung zu nehmen, ,von ihm
nicht gelehrt fei'. ,Der Tathägata exiftiert nach dem Tode,
er exiftiert nicht, er exiftiert und exiftiert nicht, weder
exiftiert er noch exiftiert er nicht — alles diefes ift von
mir nicht gelehrt worden'. Faft wörtlich dasfelbe aber
finden wir im Mädhyamikasästra S. 140 der Wallefer'-
fchen Uberfetzung. Auch dort wird die Frage erörtert,
ob der Tathägata nach dem Nirväna bezw. nach dem
Vergehen (nirodha) exiftiere, und mit unverkennbarer
Anwendung der fchon im füdlichen Kanon gegebenen
Formel wird jede der vier logifch möglichen Beantwortungen
: der Tathägata exiftiert, er exiftiert nicht, er
exiftiert und exiftiert nicht, weder exiftiert er noch exiftiert
er nicht — in gleicher Weife zurückgewiefen. Ganz ebenfo
wird auf S. 163 die (ebenfalls fchon im füdlichen Kanon
in diefem Sinne erörterte) Frage, ob die Welt ein Ende
habe oder nicht, behandelt. Die Anknüpfung an den
urfprünglichen Buddhismus tritt hier überall fo deutlich
als möglich zutage, und aus der Art und Weife wie Buddha
bei beftimmtem Anlaß auf beftimmte Fragen geantwortet
hat, wird ein allgemeines Schema entnommen, nach dem
mehr oder weniger alle philofophifchen Probleme behandelt
werden, das ganze Mädhyamikasästra ftellt fleh in
diefem Sinne gewiffermaßen als die Durchführung eines
einzigen Motivs dar. Gerade das Zurückgehen auf den
Urfprung jenes Motivs im älteren Buddhismus wird es
vielleicht ermöglichen, das Werk Nägärjuna's gerecht
zu beurteilen und einen Sinn hinter dem fcheinbaren Wider-
finn herauszufinden. Freilich dürfen wir dann nicht an
der Oberfläche des Wortfinnes haften bleiben, fondern
müffen jener Ausdrucksweife den Sinn unterlegen, den fie
im Munde Buddhas gehabt hat. Wir werden dann in
ihr nur eine Umfchreibung des echt buddhiftifchen Gedankens
erblicken, daß die letzte und höchfte Wahrheit
fchlechthin tranfzendent ift, daß fie aller begrifflichen
Formulierung fpottet und durch keine gewundenen Irrgänge
logifchen Denkens jemals erreicht werden kann,
eben weil fie über menfehliches Denken hinausgeht, nur
das hellfichtige Erkennen eines Buddha oder Heiligen
vermag fie zu durchdringen. In diefem Sinne redet auch

das Mädhyamikasästra felbft (S. 150 der Überfetzung
von Wallefer) von zwei Wahrheiten, der weltlich verhüllten
Wahrheit und der Wahrheit des höchften Sinnes, diejenigen
, welche den Unterfchied diefer zwei Wahrheiten
nicht erkennen', fo wird dort gefagt, ,erkennen nicht der
Buddhalehre tiefe Befchaffenheit.' Und damit ganz in
Einklang fleht auch auf S. 128 der echt buddhiftifche
Gedanke ,Entftehen und Vergehen werden durch einen
Verblendeten, Unwiffenden, mit Irrtum Behafteten gefehen.
Was durch einen mit Irrtum Behafteten gefehen wird, das
wird nicht im höchften Sinne gefehen', und S. 51 ,So
ift zu wiffen, daß Entliehen, Stehen, Vergehen einem
Traume, einem Zauber, einer Gandharvenftadt gleich nur
in samvrti (verhüllter Wahrheit) gefehen werdend (er-
fcheinend) (durch Buddha) verkündet werden.' Um zu
jener Wahrheit des höchften Sinnes zu gelangen, müffen
wir — das wollte Buddha, und das will indirekt auch
Nägärjuna, der fein Lehrbuch eben für Buddhiften verfaßt
hat, mit feiner fo befremdlichen erfcheinenden philofophie
' uns fagen — den von Buddha gezeigten prak-
tifchen Heilsweg befchreiten, er allein führt zur Öffnung
des geiftigen Auges, alles Grübeln, Spintifieren, Spekulieren
, Klügeln und Philofophieren bleibt fruchtlos.

Indem Wallefer der Überfetzung des tibetifchen Textes
nunmehr auch diejenige der chinefifchen Verfion des
gleichen Werkes folgen läßt, zeigt er, wie gewiffenhaft
und vollftändig er die Aufgaben, die er fich geftellt hat,
zu löfen trachtet, und bis zu welchem hohen Grad die
Fähigkeit, fich auf abftrufe und fchwierige Dinge zu konzentrieren
, bei ihm gediehen ift. Als befonders verdienft-
lich erfcheint es, daß (wie es bereits bei der Überfetzung
des tibetifchen Textes gefchehen ift) die Sanfkrit-Äqui-
valente der technifchen Ausdrücke in Parenthefe hinzugefügt
werden. — Eine wörtliche Übereinftimmung beider
Verfionen befteht nicht, der wefentliche Inhalt ift aber
derfelbe. Daher findet alles, was über die Überfetzung
des tibetifchen Textes gefagt ift, auch auf die chinefifche
entfprechende Anwendung.

Berlin-Steglitz. Hermann Beckh.

nmiroi Disins mm Biblia hebraica. Adjuvantibus pro-
fessoribus G. Beer, F. Buhl, G. Dalman, S. R. Driver,
M. Lohr, W. Nowack, J. W. Rothftein, V. Ryffel ed.
Rud. Kittel, prof. Ed. altera emendatior stereo-
typica, iterum recognita. (1320S.) 8°. Lipsiae,J. C. Hin-
richs 1913. Geb in Halbldr. M. 10 —;

in 2 Leinenbdn. M. 10.40; geh. M. 8 —

Außer mehreren einfachen Drucken des hbr. A. T.,
wie dem von Theile, deffen Clavis massoretica nunmehr
in meinem WB. (1910) einen weit reichlicheren und ver-
deutfehten Erfatz bekommen hat, find in der neueren
Zeit drei Ausgaben der Biblia hebraica erfchienen, die
fich je ein befonderes höheres Ziel gefleckt haben. Denn
i erftens die von Baer und Delitzfch unternommene Ausgabe
(bei Tauchnitz) ftrebte darnach, den Text aufs ge-
nauefte nach den Vorfchriften der Maffora zu geftalten,
und befitzt einen eigenartigen Vorzug darin, daß in Anhängen
zu jedem Buche die Varianten der Orientalen
und Okzidentalen ufw. dargeboten, auch die mafforetifchen
Schlußformeln zu den einzelnen Büchern überfetzt find.
Zweitens hat der Londoner Gelehrte Chr. D. Ginsburg
feit 1894 eine Ausgabe geliefert, die auf 73 Handfchriften
und 17 älteften Drucken (1482—1524/5) aufgebaut ift,
deren Lesarten er in den Anmerkungen anführt und dazu
auch mehrfach die Abweichungen des Samaritaners, der
LXX, der Targume, der Pefch. und Vulg. beifügt, und diefe
Ausgabe erfcheint feit 1908 als Jubiläumsausgabe der
Britifchen und ausländifchen Bibelgefellfchaft in prachtvoll
deutlichem Druck für ca. zehn Mk. (für Deutfchland bei
j Trowitzfch & Sohn in Berlin). Die dritte wiffenfehaftliche
I Ausgabe des hbr. A. T. ift die, welche Kittel in Ver-