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Ausgabe:

1913

Spalte:

14-16

Autor/Hrsg.:

Dobschütz, Ernst von

Titel/Untertitel:

Das Decretum Gelasianum de libris recipiendis et non recipiendis in kritischem Text hrsg. u. untersucht 1913

Rezensent:

Massigli, René

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 1.

.klar' (S. 80, 86), .felbftverftändlich' (S. 42), .offenbar' t
(S. 42, 80), was .bei einigem Nachdenken auf der Hand
liegt' (S. 44); dagegen andere Auffaffungen find .falfch'
(S.44), .finnlos' (S. 71), .unbegreiflich'(S. 70), .nichtsfagend' |
(S. 57), was man .beileibe nicht fagen darf (S. 72), woran
.man wohl nur im Scherze denken kann' (S. 88); ja, er
zitiert gegen den Gegner: ,t% eövarr/s de ayvoiag [eöriv]'
(S.70). Sollte man nicht liebenswürdiger und vornehmer reden
können? Es gibt einen gewifien, wohlbekannten Gelehrtentypus
, den Typus des Philologen minderer Art: in den
Sprachen wohlerfahren, in allem anderen, befonders im
Literarifchen und Afthetifchen verfagend, aber um fo
kräftiger darüber urteilend oder gelaffen darüber hinweg-
fehend, feiner Methode froh und feiner felbft ficher, feine j
Schwächen nicht kennend, rauh gegen den Gegner und
von zweifelhafter Höflichkeit. Sollte ein folcher Typus
irgend jemand als erftrebenswertes Ziel gelten können?
Und fo wünfchen wir dem Herrn Verf., der uns ein Buch
nicht ohne Verdienft vorgelegt hat: wenn ihm wieder
einmal der Dämon zur Linken verführen will, fich auf
den hohen Stuhl zu fetzen, fo möge ihm der zur Rechten
zuflüftern: ,der Kopte', ,Ode i', .Harrison*, ,die tüchtige
Jungfrau', jemand, deffen Namen ich vergehen habe' und
überhaupt: ,das Verftändnis der Oden Salomos'.

Gießen. Hermann Gunkel.

Aiaööyov eniöxönov <Pmrix7]g rrjg 'Hnsigov rov 'lXlv-
qixov xeepd/.aia yveoarixb q. — Sancti Diadochi epis-
copi Photicensis de perfectione spirituali capita centum. !
Textus graeci ad fidem codd. mss. editionem criticam
et quasi principem curavit D. Dr. J. E. Weis-Liebers-
dorf. (VI, 165 S.) kl. 8°. Leipzig, B. G. Teubner 1912

M. 3.20; geb. M. 3.60 :

Unter den zahllofen Bänden der Bibliotheca Teub- j
neriana fteht dies Bändchen wie ein weißer Rabe. Nicht
wegen feines Inhalts, denn die asketifche Schrift des
Bifchofs Diadochus ift eins der edelften Exemplare ihrer
Gattung, verdient auch durch ihr Alter fchon Beachtung;
und da der griechifche Grundtext noch nie gedruckt
worden oder wenigftens nie der gelehrten Welt bekannt
geworden ift, fo hat fich der Verlag durch die Veran-
ftaltung diefer editio .critica et quasi princeps' einen
zweifellofen Anfpruch auf unfern Dank erworben. Das
Verwunderliche an dem Büchlein liegt alfo nicht in feinem
griechifchen Text, fondern in dem, was der Herausgeber
hinzugetan hat. Zunächft muß auffallen, daß diefem
Text, der zu den bequemften und fchlichteften aus der
ganzen Kirchenliteratur gehört, von Anfang bis zu Ende
die lateinifche Übersetzung des Jefuiten Turrianus (1570)
beigegeben wird. Sie ift nicht einmal glänzend — wenn
auch nicht fchlecht und geht auf eine mangelhafte
griechifche Handfchrift zurück. Aber felbft ihre 100 um-
ftändlichen Kapitelüberfchriften wagt der Herausgeber
nicht zu entfernen, obwohl fie nur für das Publikum von
1570 beftimmt waren; ja auf S. 75. 77 wird Turrians
treuherzige Anmerkung mit der Warnung, einen Gedanken
in Kap. 63 des Diadochus etwa zum Schaden der sanissima
theologorum doctrina fich anzueignen, buchftäblich wiedergegeben
. Daß über beidenKolumnen nunnochdeutfcheTitel,
ein Fabrikat von D. Dr. Weis ftehen, S. 74: ,Der Geiltesmann
führe keine Prozeffe!' oder S. 127: ,Nur die Liebe erzeugt
Indifferenz', vollendet den Eindruck der Mannigfaltigkeit
diefer Edition. Ein beigegebener Index graecitatis von
Dr. L. Thurmayr S. 154—165 ift reichhaltig und ziemlich
zuverläffig; trotz Turrian hält fein Verfaffer oft für nötig,
den Wortfinn durch deutfche Wiedergabe genauer zu be-
ftimmen: wenn hier jcagäßaoig (Sünde), neiget (Erfahrung),
Xagiofia (Gabe), ovveiöi]Oig (Gewiffen), ja fogar nvevfiarixog
(geiftig) auftreten, fcheint man auf Benutzer von recht
elementarer Bildung zu rechnen. Vom Verzeichnis der
Schnftftellen S. 153 rede ich nicht, um das Zitat II Petr. 2,20

als bloße Einbildung abzulehnen, (was für die Kanons-
gefchichte von einiger Wichtigkeit fein kann) fondern
weil es beweift, daß der neuefte Herausgeber auch hier
faft nichts wahrgenommen hat, was Turrianus überfah
(ftatt etwa 20 weggelaffener Bibelftellen fügt er 2 neue
hinzu). Bezeichnend ift, daß die Zitate nur zu der
lateinifchen Überfetzung, ftatt zum Urtext angegeben
werden. So ängftlich wahrt D. Weis das heilige Vermächtnis
von Franz Torresi

Der griechifche Text ift nach einigen leicht zugänglichen
Handfchriften in München, Wien und Paris fixiert;
unter den unbenutzt gebliebenen hätte der cod. 231 von
Monte Caffino (saec. XI) eine Erwähnung verdient. Über
Einzelheiten in der Textkonftitution lohnt es fich nicht
zu Breiten; alles Wefentliche ift gut erhalten.

Die Einleitung, in deutfeher Sprache, ift von nicht
zu übertreffender Dürftigkeit. Nicht einmal von Turrians
lateinifcher Ausgabe erfahren wir denTitel; an eineBefchrei-
bung feiner Handfchriften denkt der Herausgeber nicht.
Im Vorwort muß man fich die einzige Jahreszahl fuchen,
durch die des Diadochus Lebenszeit feftgelegt wird, leider
falfch, 451 ftatt 457I8. Der Bifchofsfitz des D. Photike
foll in Altepirus oder (!) Illyrien liegen, und Diadochus
der Generation unmittelbar nach den großen Kappadoziern
angehören. In Wirklichkeit trennen 80 Jahre die beiden
Generationen. S. 2 hört man, daß Maximus Confeffor
den D. erwähne; welche Stelle aus dem vorliegenden
Werk er aber zitiert, und wo, erfährt man nicht, erft
recht nicht, daß in Diekamps Ausgabe der Doctrina de
incarnatione das gleiche Stück noch vollftändiger zitiert
wird. Das Intereffantefte an der Einleitung, zugleich eine
Stelle, wo der Herausgeber garnicht mit den Zeilen knau-
fert,ift dasBekenntnisauf S. 1,daßerdiefe Schätze,zunächft
dem (!) Klerus und mittelbar dem ganzen Volke' darreiche.

,Die ethifche Kultur des Chriftentums braucht nur
beachtet und in ihrer Vergangenheit aufgehellt zu werden,
um fich die Anerkennung und Bewunderung aller Urteilsfähigen
zu erwerben. Was die „Ethiker" des modernen
Unglaubens als große neue Denkprobleme in die Welt
pofaunen, wurde von den alten griechifchen Mönchen
fchon längft erwogen und nach den Grundfätzen des
Evangeliums und der Erfahrung in die bündigen „Haupt-
ftücke (xEtpdlaia)", zufammengefaßt, die, ganz unähnlich
dem Wortfchwall unferer Neukantianer und Pietiften, in
Worten ebenfo fparfam als an Gedanken reich find.'

Mit folchen Anmaßlichkeiten und Verdrehungen
reicht D. Weis mittelbar dem ganzen Volke das Büchlein
eines Mannes dar, der fchon vor unfchuldigeren Phrafen ein
Grauen empfand; er widmet feine Ausgabe dem Andenken
von Adolf Furtwängler, Karl Krumbacher, Ludwig
Traube, und konftatiert auf S. VI, daß Carl Weyman
ihm ,dem gefchätzten Teubnerfchen Verlage gegenüber die
Bezugnahme auf feine Autorität erlaubt' hat.

Es ift nur heute möglich, gegenüber foviel Komik
ernft zu bleiben.

Marburg i.H. A.Jülicher.

Doblchütz, Ernft v.: Das Decretum Gelasianum de libris
reeipiendis et non reeipiendis in kritifchem Text hrsg.
u. unterfucht. (Texte u. Unterfuchungen z. Gefch. d.
altchriftl. Literatur. 38. Bd., Heft 4.) (VIII, 362 S.) 8".
Leipzig, J. C. Hinrichs 1912. M. 13.50

Contribution de premiere importance ä l'etude de ce
mysterieux document, jamais etudie jusqu'ici d'une maniere
vraiment critique. Au moment oü M. v. D. dont nous
avions ignore le dessein, publiait le resultat de ses re-
cherches, nous achevions de notre cote un travail sur ce
sujet: nous n'en pouvons que mieux reconnaitre le merite
de ce livre.

Voici les points sur lesquels la lumiere est faite de-
sormais: 10: avec une grande richesse d'appareil critique