Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1913 Nr. 11

Spalte:

346

Autor/Hrsg.:

Messer, Aug.

Titel/Untertitel:

Geschichte der Philosophie im Altertum u. Mittelalter 1913

Rezensent:

Goedeckemeyer, Albert

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

345

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 11.

346

der Jugend zu weifen. Die Hefte find höchft originell gearbeitet
. Sie wollen dem Gedanken der Arbeitsfchule
gerecht werden. Die Schüler follen den religiöfen Gewinn
für fich felbft aus dem religiöfen Leben der Vergangenheit
durch Vertiefung in die Quellen erarbeiten.
Das können fie jedesmal nur an kleinen, feft umriffenen
Gebieten; und in folchen wird deshalb in den geplanten
vier Reihen der religionsgefchichtliche Stoff nach und
nach dargeboten. Die vier Reihen umfaffen: 1. Vorftufen
des Chriftentums, 2. Chriftenglaube, 3. Heilige Gefchichten,
4. Außerchriftliche Religionen. Gedacht ift zunächft etwa
an die Oberftufe der Volks-, die Mittelftufe der höheren
Schulen. Es kann aber, wenn man den Sinn diefes meifter-
haften Lehrverfahrens erfaßt hat, ohne weiteres mit den
nötigen Abänderungen und Erweiterungen für die Oberftufe
der höheren Schulen Nutzen daraus gezogen werden.
Die Kunft der Hefte befteht darin, daß der Lehrer zunächft
feine eigene Stellung nimmt in forgfältigfter wiffen-
fchaftlicher Grundlegung. Für irgend eine Theologie
muß fich der Religionslehrer entfcheiden. Diefe Verfaffer
haben fich für eine Theologie entfchieden, die fich durch
Namen wie Gunkel und Greßmann, Budde und Cornill,
Jülicher und J. Weiß u. a. ausdrücken ließe. Wäre ihre
Entfcheidung anders ausgefallen, würde man ihnen keinen
Vorwurf daraus machen können, wenn nur der Zwang
innerer Überzeugung aus ihrer Arbeit redete. Das ift hier
der Fall. Das Bild, das fie gewonnen haben, ift ihnen
die Frucht vorbehaltlofer Wahrhaftigkeit und ftudierenden
Fleißes gewefen. Nun aber beginnt die Kunft des Erziehers
. Sie machen nicht den Vernich, dies Bild, das
doch von der Tradition weit abweicht, zu verhüllen oder
zu übermalen; und dennoch laffen fie eine folche Fülle
religiöfer Kraft von ihm aus in die Jugend hinüberftrömen,
wie nur je die kritiklos hingenommene Tradition früher
es vermocht hat, — ja, wie mir fcheint, weit mehr. Wie
machen fie das? Sie zeichnen die wirkliche gefchichtliche
Dage, aus der f. Z. das religiöfe Erlebnis oder das von
religiöfen Kräften durchglühte Einzelleben erwachfen ift.
Dann fchildern fie mit der Kunft packender Erzählung
das Erlebnis felbft, fo packend, daß es in ergreifender
nacherlebbarer Wucht vor der Seele auffteht; und nun
vertiefen fie fich in die Schilderung, die unfere Quellen,
etwa Exodus oder Arnos oder Markus davon geben. Da
wird denn die umgeftaltende Kraft der Überlieferung, es
wird aber vor allem auch deren Begründung in der nachwirkenden
Geiftesgewalt der Heroen, in der emportreibenden
Kraft des Glaubens, kurz in der Religion gezeigt
, die wohl von der Wirklichkeit abwich, aber dabei
der inneren Wahrheit um fo ergreifendere Formen fchuf.
Und es ift hoher Bewunderung wert, wie bei diefem im
Grunde fo einfachen Verfahren Anftöße aus dem Wege
geräumt werden, an denen fonft mancher für fein Leben
Schiffbruch litt, und wie die Verehrung nicht bloß für
die religiöfen Heroen und für die in ihnen offenbar gewordene
Gottesgewalt, fondern auch für die alten Schriften
erzeugt wird, die uns von ihnen erzählen. Ift es nicht
ein wirklich bewunderungswürdiger Einfall, wenn Krohn
feinen Hamburger Schülern die Mofegeftalt des Exodus
an dem gigantifch verklärenden Bismarckdenkmal in Hamburg
begreiflich macht? Von fo klugen Gedanken find
die Hefte an allen Enden voll. Man wird von ihrer Fort-
fetzung noch Vortreffliches erwarten dürfen.

Düffeldorf. R. Kabifch.

Hennig, D. Mart.: Quellenbuch zur Gefchichte der inneren

Million. (XXXVI, 664 S.) gr. 8°. Hamburg, Agentur
d. Rauhen Haufes 1912. M. 5.50; geb. M. 6.50

Für jeden, der fich mit der Gefchichte der inneren
Miffion eingehender befchäftigen will, bietet die vorliegende
Arbeit des jetzigen ebenfo kenntnisreichen wie
rührigen Leiters des Rauhen Haufes D. Hennig eine
reiche Fundgrube von Dokumenten über diefe Difziplin,

die aus einer umfangreichen, zerftreuten und zum Teil
nicht leicht zugänglichen Literatur mit viel Liebe zur
Sache und verftändnisvoller Auswahl zufammengeftellt
und zum Abdruck gebracht find. Auch die Zeit vor
Wicherns Auftreten ift in angemeffener Weife, mit Luther
beginnend, vertreten. Den weitaus größern Teil des
Buches, S. 176—634, füllen jedoch die einfchläglichen Urkunden
feit 1833. Das Mitgeteilte ift chronologifch geordnet
. In einem Anhang find in verfchiedenen Regiftern
die benutzten Quellenfchriften S. 635—639, die im Buche
vorkommenden Perfonen- und Ortsnamen S. 640—649 und
die behandelten Gegenftände S. 650—664 alphabetifch
aufgeführt, während S. XXIV—XXXVI eine Überficht
über die mitgeteilten .Quellftücke nach ihrem Inhalte' gegeben
wird. So ift es dem Benutzer nach verfchiedenen
Seiten hin fehr erleichtert, dasjenige, was er für feine
Studien bedarf, in diefer Sammlung zu finden. Die Sammlung
felbft ift eine überaus reichhaltige, wie fich fchon
aus dem Umfange des Buches ergibt. Da fich der Verf.
zudem von Männern wie den Profefforen v. Schubert,
Wurfter, Mahling und dem früheren Direktor des Rauhen
Haufes Joh. Wichern in Köfen hat beraten laffen, fo bietet
die Arbeit in der Hauptfache nur Wichtiges, Wertvolles
und Bedeutfames. Doch darf nicht verfchwiegen werden,
daß fich das Intereffe des Sammlers wefentlich nur denjenigen
Beftrebungen der inneren Miffion zugewandt hat,
welche vom Rauhen Haufe ihren Ausgangspunkt genommen
und auf dem Gebiete der altpreußifchen Landeskirche
ihren Nährboden gefunden haben. Demgegenüber
kommen andere Erfcheinungen, wie mir fcheint, zu kurz.
Bei der ,Armenpflege' vermifie ich z. B. einen Hinweis auf
die ,Gefellfchait freiwilliger Armenfreunde' in Kiel (1793
gegründet) und auf ähnliche Einrichtungen in Göttingen
(vgl. Ztfchr. f. inn. Miff. XIII, 225 fr.). Merkwürdig wenig
Rückficht ift auf die Entwicklung der inneren Miffion in
Hannover genommen. Zwar werden Lücke, Bödeker,
Ifermeyer, Petri, Münchmeyer genannt, doch die Auffätze
des letzteren gegen Wichern find nicht erwähnt, ebenfo
nicht die Schriften Uhlhorns für die innere Miffion, oder
Frickes, Oehlkers, Backhaufens Schriften für einige Zweige
derfelben. Ich erwähne dies, weil der Vf. felbft S. IX
Wünfche zur Erweiterung feiner Arbeit für eine fpätere
Neuherausgabe des Buches erbittet; für eine folche möchte
ich ihm gern die Wege eröffnet fehen.
Göttingen. K. Knoke.

Referate.

Meffer, Prof. Dr. Aug.: Gefchichte der Philofophie im Altertum u.

Mittelalter. (WifTenfchaft u. Bildung. Einzeldarftellungen aus
allen Gebieten des Willens. Hrsg. v. P. Herre. 107. Bd.)
(VII, 136 S.) 8". Leipzig, Quelle & Meyer 1912. M. 1 —

geb. M. 1.25

M. Itellt fich die Aufgabe, die vielbeklagte Dunkelheit philo-
fophifcher Bücher zu vermeiden und klar und verftändlich zu
reden, dabei aber doch nicht nur einzelne Denker herauszugreifen,
fondern den geschichtlichen Zufammenhang und die Beziehung
der Philofophie zur allgemeinen Kulturlage zu berückflchtigen
u. a. mehr (Vorwort). Daß eine folche Abficht auch bei gründlicherer
Kenntnis der behandelten Philofophen und Perioden, als
M. fie befitzt, in einem fo dünnen Heftchen nicht zu bewältigen
war, liegt auf der Hand. Und fo ift nicht nur die Darftellung
der mittelalterlichen Philofophie zu einem ,ganz fkizzenhaften
Bilde' (126) geworden. Als Quellen hat M. einige größere Dar-
ftellungen benutzt, unter denen man für die griechifche Philofophie
Zellers Werk vermiffen wird.
Königsberg. Goedeckemeyer.

Lindemann, Prof. Dr. Hub.: Florilegium hebraicum. Locos selectos
librorum Veteris Testamenti, in usum scholarum et disciplinae
domesticae adiuncta appendice quinquepartita ed. (XII, 215 S.)
8°. Freiburg i. B., Herder 1912. M. 2.70; geb. M. 3.20

Neben der wenig umfallenden Auswahl von hebräifchen
Texten, die jeder hebräifchen Grammatik für Anfänger beigegeben
zu werden pflegt, hat es auch fchon früher manche reichhaltigere
Lefebücher gegeben. Aber ihr Umfang wird jetzt bedeutend von