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Ausgabe:

1913 Nr. 11

Spalte:

333-334

Autor/Hrsg.:

Heer, Jos. Mich.

Titel/Untertitel:

Ein karoling. Missions-Katechismus 1913

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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333

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. II.

334

fcheidet (vgl.St.fr. II, 136 fr.). Bei Bafilius wird dagegen
3,2 als erfte Tätigkeit des menfchlichen Xoyoq bezeichnet,
daß er eine Vorftellung fich bildet, 'ijieixa (isxa xb
tpavTaoQ-rjvai ctJco xcdv vjcoxulievcov xaq olxEiaq xai
JtQoocpveiq txaoxov oi/fiaacaq ixkeyS/isroq s^ayyEXXei,
eixa xfj vjti]QtOia xcbv gDcovrjxixcöv ooyävcov jcanaöovq
xa vot]d£vxa ovxco öta xrq xov depo? xvjtcoöscoq . . . (xo,
die Ergänzung ist nötig) ev xeö xQVJirm vörjfia öaprjvi&i.
Daß hier mit der zweiten und dritten Stufe der Xoyoq
Evdiadxxoq und xoocpoQixöq gemeint find, ift von Gronau
richtig hervorgehoben (S. 52). Danach dürfen wir jetzt
diefe Scheidung wohl jedenfalls fchon Pofeidonios geben,
und zugleich fcheint das orj/iaoiaq hcleyopsvoq (vgl.
Porphyr, de abft. 111,2 jcQoqjoQixöq eöxi Xoyoq (pmvi] öja
yXcoxxrjq orjuavxixi) xcbv evöov [xai] xaxaipvyrjv jtadcbv)
anzudeuten, daß diefer an das frühere Schema, das nur
den fprachlich geformten Gedanken berückfichtigte, angeknüpft
und es bewußt durch die Gegenüberftellung der
rein gedanklichen Tätigkeit ergänzt hat.

Es ift heute vielfach üblich, in Pofeidonios nicht bloß
den griechifchen Gelehrten mit myftifchen Neigungen zu
fehen, der auf die religiöfe Bewegung großen Einfluß gehabt
hat, fondern ihn mit den konfufen Synkretiften vom
Schlage Philons auf eine Stufe zu ftellen. Daß das verkehrt
ift, kann uns auch Bafilius lehren. Seine Homilien
zeigen den wohltuenden Einfluß der Wiffenfchaft. Von
Verfchwommenheit und Unklarheit, von der ftickigen
Atmofphäre orientalifcher exaltierter Myftik ift nichts zu
fpüren. Das ift eine Ehre für Bafilius, aber es ift auch
bezeichnend für den Geift des Mannes, dem er hier fo
viel verdankt.

Göttingen. M. Pohlenz.

Heer, Priv.-Doz. D. Dr. Jos. Mich.: Ein karoling. Miffions-
Katechismus. Ratio de catechizandis rudibus u. die
Tauf-Katechesen des Maxentius v. Aquileia u. e.
Anonymus im Kodex Emmeram. XXXIII saec. IX.
(Biblische u. patriftifche Forfchungen. I. lieft.) (VIII,
103 S.) Lex.-8°. Freiburg, Herder 1911. M. 3 —

Heer veröffentlicht aus der Münchener lateinifchen
Handfchrift 14410 saec IX.— fie ftammt aus St. Emmeram
in Regensburg und hat die alte Signatur Emmeram. XXXIII—
eine ratio de catechisandis rudibus, beftehend aus 6 Kate-
chefen, die beftimmt find, Heiden für die Taufe vorzubereiten
durch Aufklärung über den wahren Gottesbegriff
und über die falfchen Götter. In ausführlicher,
mitunter etwas breiter und nicht genügend ausgefeilter
Unterfuchung legt er dar, daß fie in die karolingifche Zeit
gehören (ca 800), uns einen Einblick gewähren in die
Miffionspraxis der damaligen Zeit und namentlich Alkuins
Prinzipien gut veranfchaulichen. Ob fie auf Germanen
oder Awaren berechnet find, kann nicht entfchieden werden,
da die Angaben über heidnifchen Götzendienft zu allgemein
und unbeftimmt find. Wahrfcheinlich find fie in
Salzburg oder Regensburg verfaßt, wie ja auch die fie
enthaltende, aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts flammende
Handfchrift in oder bei Regensburg gefchrieben fein wird.
Abhängig find fie zum Teil von Auguftin und von Alkuins
Anweilüng zur Heidenbekehrung; doch zeigen fie auch
felbftändige Arbeit; mit den uns erhaltenen auf Heidenbekehrung
bezüglichen Traktaten jener Zeit flehen fie
jedenfalls nicht in direktem Zufammenhang. Mit anderen
Stücken derfelben Handfchrift, die Heer befpricht, bilden
he einen Miffionskatechismus, wobei es freilich auffällig
bleibt, daß eine explanatio symboli, wie man fie als Fort-
fetzung der 6 Miffions-Katechefen erwarten müßte, von
der Handfchrift nicht geboten wird.

Heer Hellt die durch die Ratio bezeugte Praxis zu-
fammen mit Karls des Großen epistola encyclica ad archie-
piscopos de baptismo anni circ. 812; er druckt diefe nach
Wiegands Ausgabe (Studien zur Gefchichte der Theologie

und der Kirche 4, 1, 1899) von neuem ab. Berechtigt
ift er zu diefer Zufammenftellung auch dadurch, daß die
Münchener Handfchrift zwei der Antwortfehreiben auf Karls
epistola, das des Patriarchen von Aquileja Maxentius und
das eines Anonymus, enthält; beide werden von Heer in
verbeffertem Texte mit lehrreichem Kommentar abgedruckt
.

Die übrigen von der Handfchrift gebotenen Stücke
werden von Heer forgfältig analyflert und gewürdigt.
Das umfangreichfte Stück ift die erfte Hälfte des Epiftel-
Homiliars des Ps.-Baeda, das bisher nur in einer Ausgabe
von 1535 vorliegt; es ift deswegen befonders bemerkenswert
, weil 2 es enthaltende Handfchriften (Freifing
64 [München, Clm 6264] und Melk) die lateinifche
Didache bieten, und weil die Bibelzitate auffällig find.
Heer weift darauf hin, wie wichtig eine neue Ausgabe
diefes Homiliars ift und welche Dienfte dafür die von ihm
benutzte Handfchrift leiften kann. An das Homiliar
fchließen fleh in der Handfchrift unter der Überfchrift
De execrandis uitiis 2 karolingifche Bußpredigten an, die,
nach dem von Heer mitgeteilten Inhalt zu urteilen, über
die Beichtpraxis der karolingifchen Zeit Auffchlüffe geben.
Ihnen folgen 15 Canones einer Synode, die jedenfalls in
Bayern in karolingifcher Zeit abgehalten worden ift.

Heers Publikation zeigt von neuem, wie viel wertvolles
Material die forgfältige Durchforfchung der karolingifchen
theologifchen Handfchriften zutage fördern kann;
fein Beitrag zur Kenntnis der karolingifchen Miffionspraxis
ift fehr wertvoll. Da er für die Charakterifierung der
Methode zur Bekehrung der Germanen nur auf die Bonner
Differtation von Wilh. Konen verweift, fo will ich nicht
unterlaffen, die Kieler Differtation von H. Lau, Die angel-
fächfifche Miffionsweife im Zeitalter des Bonifaz, 1909 und
vor allem Moll-Zuppke, Die vorreformatorifche Kirchen-
gefchichte der Niederlande, Leipzig 1895 in Erinnerung
zu bringen.

Heer eröffnet mit feiner, Alfred Holder in Karlsruhe
gewidmeten Publikation ein neues Unternehmen, das er
,Biblifche und patriftifche Forfchungen' nennt.

Kiel. G. Ficker.

Hertling, Georg Frhr. v.: Wilfenfchaftliche Richtungen und
philofophifche Probleme im 13. Jahrhundert. Feftrede,
gehalten in der öffentlichen Sitzung der Kgl. Akad. d.
Wiff. am 12. November 1910. (37 S.) Lex. 8°. München,
G. Franz'scher Verlag 1910. M. 1 —

v. Hertlings Feftrede bringt keine neuen Forfchungs-
ergebniffe. Das Material, das er mitteilt, ift dem Kenner
zum großen Teil aus den Arbeiten von Denifle, Grabmann
, Ehrle, Bäumker, Endres u. a. bekannt. Was diefer
Rede trotzdem einen gewiffen Wert verleiht, ift das Be-
ftreben, die geiftigen Strömungen, aus deren Komplikation
der Thomismus und damit die Grundlage der
katholifchen Weltanfchauung entftand, dem Intereffe der
heutigen Menfchen näher zu rücken. Die neueren Forfchungen
geben uns ein immer deutlicheres Bild von dem
ftarken Widerftand, dem der theologifche Ariftotelismus
bei feinem erften Auftreten im 13. Jahrhundert von feiten
der kirchlichen Behörden und der auguftinifchen Richtung
innerhalb des Franziskanerordens begegnete. Nicht nur
ergehen bis 1263 päpftliche Verbote gegen die Behandlung
der Naturphilofophie und Metaphyfik des Ariftoteles
auf der Univerfität Paris, fondern, was viel bedeutfamer
ift, unter den 221 Sätzen, die Stephan Tempier, der Bifchof
von Paris, 1277 als averroiftifch verurteilte, befanden fich
einige, als deren Verfechter Thomas bekannt war (fpeziell
die Sätze über das Prinzip der Individuation durch die
Materie). Während Denifle diefe für die gefchichtliche
Situation äußerft charakteriftifche Tatfache nicht recht
Wort haben will, hebt fie v. Hertling deutlich hervor.
Die Gegner des Thomas konnten damals noch ,die fcharfe