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Ausgabe:

1913 Nr. 11

Spalte:

324-325

Autor/Hrsg.:

Toutain, J.

Titel/Untertitel:

Les Cultes païens dans l’Empire romain. Première partie. Les provinces latines. Tome II 1913

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 11.

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Wiffenfchaft leiftet. So muß man das Erfcheinen jeder I
Fortfetzung feiner Dokumentenfammlung mit erneutem
Dank begrüßen. Der vorliegende Band gibt dem deutfchen
Lefer die Möglichkeit, fich lelbftändig mit einem der
Hauptwerke des Taoismus bekannt zu machen. Sein Ver-
faffer Chuang-tsze (zweite Hälfte des 4. und erfte Hälfte
des 3. Jahrhd. v. Chr.), nicht nur der glänzendfte Schrift-
fteller, fondern auch der gedankenreichfte Philofoph, den
China hervorgebracht, ift der große Interpret Lao-tszes.
Zu deffenTao-teh-king bildet fein Nan-hoa-king den beften
Kommentar. Eine erfte Überfetzung desfelben, für die
fich damals in Deutfchland kein Verleger finden ließ, hatte
bereits anfangs der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts
E. Faber fertiggeftellt. Sein Manufkript wurde 1892 bei
einem Brande ein Raub der Flammen. 1879 machte fich
James Legge an das Werk. Erft 1891 kam er mit feiner
Verfion heraus (Sacred Books of the East vol. XXXIX
und XL). Mittlerweile waren zwei andere englifche Über-
fetzungen erfchienen, eine gänzlich unbrauchbare von
Balfour (1881) und eine ernft zu nehmende von H. Giles
(1889). Dem jüngften Dolmetfch des vielleicht fchwierigften
aller chinefifchen Texte kamen natürlich diefe Vorarbeiten
zu ftatten. Seine Verdeutfchung ift aber eine durchaus
felbftändige, hervorragend tüchtige Leiftung. Nur wer
beides zufammen hat, philologifche Akribie und die Fähigkeit
der Gedankendivination, v/ird einem fo dunkeln Texte,
wie es das Nan-hoa-king ift, ganz gerecht werden können.
Diefe Vorausfetzungen vereinigt Wilhelm in der glück-
lichften Weife in fich, der überdies auch dem chinefifchen
Myftiker fympatbifch genug gegenüberfteht, um ihn voll
würdigen zu können. Was feiner Bearbeitung weiter zu
gute kommt, ift, daß er auch über eine feinen Vorgängern
abgehende 1 Kenntnis der gefamten abendländifchenGeiftes-
gefchichte verfügt, die ihn in den Stand fetzt, die Theoreme
des fremden Denkers durch Anziehung uns vertrauterer
okzidentaler Parallelen europäifchem Verftändnis näher zu
rücken. Werden gleichwohl auch die Überfetzungen von
Legge und Giles neben der Wilhelmfchen weiterhin noch
von Wert für uns bleiben, fo doch hauptfächlich nur
mehr darum, weil Wilhelm darauf verzichtet, das Nan-
hoa-king vollftändig wiederzugeben. Bei der, mit viel
Umficht getroffenen Auswahl des Gegebenen ift auf den
Gefichtspunkt der Authentie Rückficht genommen. Wenn
aber dennoch, auch aus guten Gründen, abfichtlich manches
Aufnahme gefunden hat, was ficher, wenigftens in der
vorliegenden Geftalt, nicht auf Chuang-tsze zurückgeht, fo
möchte man wünfchen, daß von folcher Aufnahme doch
keinesfalls ein Kapitel wie das 31., das Buch vom alten
Fifcher, ausgefchloffen worden wäre. Dies darum, weil
es den Gegenfatz zwifchen Lao-tsze und K ung-tsze fo
ungemein deutlich ans Licht ftellt. Wenn übrigens W.
Grube in feiner Gefchichte der chinefifchen Literatur
(S. 158) fagen zu dürfen meinte, Chuang-tsze fei uner-
fchöpflich in feinen Angriffen gegen Konfuzius und mache
diefen in fchonungslofer Weife lächerlich — eine Bemerkung
, die fich freilich auch fchon bei dem chinefifchen
Herodot Sze-ma Tsfien findet —, fo wird über diefen
Punkt der Lefer durch Wilhelms Werk eines befferen
belehrt. Es find nur unechte Einfchübe des Originals, in
denen Konfuzius herabgefetzt wird, wohingegen Chuang-
tsze von dem Meifter immer mit aufrichtiger Achtung
fpricht und nur gegen die fpäteren Auswüchfe des Kon-
fuzianismus polemifiert.

Seiner Überfetzung hat Wilhelm eine Einleitung (S.
IX—XXIV) vorausgefchickt, in der er fich über die Per-
fönlichkeit des Verfaffers und fein Werk ausläßt und einen
Abriß der Hauptrichtungen der chinefifchen Philofophie
im 4. und 3. vorchriftlichen Jahrhundert gibt. An die

i) Giles hatte einen Oxforder Gelehrten, Rev. Aubrey Moore, der
eingeftandenermaßen der Welt chinefifchen Denkens als völliger Laie
gegenüberftand und nicht ein einziges chinefifches Schriftzeichen kannte,
mit der Bitte angegangen, ihm für die Einleitung feiner überfetzung eine
Skizze der Philofophie des chinefifchen Autors zu fchreiben.

Spitze der einzelnen Bücher find knappe Vorbemerkungen
geftellt. Die erklärenden Anmerkungen, in die viel Neues
untergebracht ift, hat man ftatt unter dem Text leider im
Anhang zu fuchen.

Nicht zu finden ift dort eine folche, auf die im Text S. 178 verwiefen
ift. Hier ift wohl 18 zu ftreichen und die folgende Zahl 19 in 18 zu
korrigieren. In Anm. 13 zu Buch VII muß es heißen: vergleiche Legge
S. 266 (ftatt 166). — Eine kleine ftiliftifche Unebenheit muß vermerkt
werden, weil fie jeden Lefer zu der, nicht zutreffenden, Annahme führen
wird, es fei vor der betreffenden Stelle ein Satz im Drucke ausgelaffen
worden: das ,folche' auf S. 64, Z. 1, das da nicht am Platze ift.

In Beziehung auf die Orthographie der Namen wird es nicht über-
flüffig fein, an die gelegentlich von E. Faber gemachte, noch heute geltende
Bemerkung zu erinnern, daß es allgemeiner Gebrauch unter denen
fei, welche in die Lage kommen, chinefifche Namen mit Buchftaben zu
fchreiben, immer eine eigene Schreibweife aufzuftellen, und daß, wenn
irgend möglich, jeder Autor für ein jedes Werk aus feiner Feder eine
andere Schreibart annehme. So fchreibt auch Wilhelm jetzt z. B. den
Namen von Klings Lieblingsjünger (Yen Hoei) Yän Hui, während diefer
nach feiner eigenen bisherigen Transfkriptionsmethode ganz kürzlich erft
noch Yen Hui geheißen; für den Tyrannen Kieh, von ihm in voraufgegangenen
Bänden der Sammlung Gie transfkribiert, fiudet man jetzt die
Schreibung Giä; der alte Mufterherrfcher Yao erfcheint jetzt als Yau ufw.
In einer 2. Auflage, die die fämtlichen Teile der Sammlung gewiß erleben
werden, wird darauf zu fehen fein, daß durchgängig eine einheitliche
Transfkriptionsweife in Anwendung kommt.

Coburg. Hans Haas.

Toutain, Dr. J.; Les Cultes pai'ens dans l'Empire romain.

I. partie. Les provinces latines. Tome II. Les Cultes
orientaux. (Bibliotheque de l'ecole des hautes etudes.
Sciences religieuses. 25. vol.) (270 S.) Lex.-8°. Paris,
E. Leroux 1911.

Das Werk erinnert vielfach an Cumonts Meifterwerk
(Les religions orientales dans le paganisme romain). Es
behandelt faft dasfelbe Gebiet wie jenes: die ägyptifchen, die
fyrifchen, die kleinafiatifchen Kulte, den Kult des Mithras,
die Aftrologie und die Magie und deren Vorwärtsdringen
nachdemWeften des römifchenReichs. Ein allgemeiner Ab-
fchnitt über den antiken Synkretismus und über den Einfluß
des Oftens auf das religiöfe Leben eröffnet das
Ganze. In den einzelnen Kapiteln behandelt T. jedesmal
zunächft die in Betracht kommenden Gottheiten felbft,
dann ihre geographifche Verbreitung im Römerreich, die
Herkunft und foziale Lage ihrer Gläubigen, endlich den
Gefamtcharakter des betr. Kultes. Vergleichen wir Tou-
tains Werk mit demjenigen Cumonts, fo kann nicht beftritten
werden, daß wir bei Cumont den umfaffenderen religions-
gefchichtlichen Blick und ein in die Sache felbft eindringenderes
Verftändnis finden. Dafür bietet T. ein
gründliches, mit großem Fleiß gefammeltes und vorzüglich
benutzbares Quellenmaterial.

Zum einzelnen bemerke ich noch folgendes. Im
erften Kapitel befchränkt T. auf das energifchfte die
allzuweit gehende Auffaffung Cumonts von dem Einfluß
des Serapis-Ifis-Kultus ,von der Sahara bis nach Britannien
von den Bergen Afturiens bis an die Mündung der
Donau'. ,Für uns find die ägyptifchen Kulte in Afrika,
Spanien, Gallien, Britannien, an den Ufern des Rheins und
der Donau exotifche Kulte geblieben, fie haben auf dem
Boden der Provinz nirgends ernftlich Fuß gefaßt'. Auf-
merkfam mache ich weiter auf die vorzüglichen Ausführungen
in K. 2 über den Jupiter von Doliche und den
Jupiter von Heliopolis. Alles, was wir über die Dar-
ftellung diefer merkwürdigen und intereffanten Gottheiten
wiffen, ift hier gut zufammengetragen. Ich merke noch
an, daß einerfeits im Gefolge des Jupiters von Doliche
auch der Adler erfcheint, daneben eine fich ihm zuneigende
krönende Nike, und daß wiederum bei einer
Darftellung des Jupiter von Heliopolis, ein Adler, der
in feinem Schnabel eine Krone hält, erfcheint. Diefe
Beobachtungen könnten für weitere Zufammenhänge,
denen Cumont in feiner kleinen Schrift sur l'aigle fune-
raire des Syriens nachgegangen ift, von einiger Bedeutung
werden. Auch fonft ift der Abfchnitt über die fyrifchen