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Ausgabe:

1913 Nr. 1

Spalte:

7-8

Autor/Hrsg.:

Machen, J. Gresham

Titel/Untertitel:

The Hymns of the first Chapter of Luke and the Origin of the first two Chapters of Luke 1913

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 1.

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fumerifchem Boden und damit dann vorausfichtlich auch
über Zeit und Bedeutung altbabylonifcher Fefte neuen
Auffchluß erhalten werden.

Berlin. Wolf Baudiffin.

Machen, J. Gresham: The Hymne of the firet Chapter of
Luke and the Origin of the first two Chapters of Luke.

[Reprinted from Princeton Theol. Review, Vol.X(i9i2)
Nos. 1 and 2 (p. 1—38. 212—277).]

Diefe fehr gründliche Abhandlung fetzt die fprach-
lichen^Unterfuchungen mit großer Umficht fort, die ich
in meiner Abhandlung über das Magnifikat der Elifabeth
in den Sitz.-Ber. d. K. Preuß. Akad. d. Wiffenfch. 1900
p. 537m und in .Lukas der Arzt' (bef. S. 69—75; 138—152),
fowie in den .Neuen Unterf. z. Apoftelgefch.' (bef. S. 108 ff.)
angefleht habe, und fie kritifiert die Folgerungen, die
ich gezogen habe. In erflerer Hinficht fucht fie unter
weitgehender Anerkennung meiner. Ergebniffe zu zeigen,
daß das LXX-Element in den Hymnen noch umfangreicher
fei, als ich es angenommen habe, und daß demgemäß
das fpezififch lukanifche Element einzufchränken
fei. Hieraus und aus der guten Bekanntfchaft mit den
jüdifchen Gebräuchen wird gefchloffen, daß die Hymnen
judenchriftlichen Urfprungs fein müßten. Ich muß demgegenüber
dabei bleiben, daß das fpezififch lukanifche
Element in den Hymnen fo groß ift, daß es fehr prekär
erfcheint, fie einem anderen Autor zuzufchreiben als eben
dem Lukas felbft. Daß diefes lukanifche Element zu
einem fehr beträchtlichen Teile aus der LXX herrührt,
habe ich nie beftritten, und es trifft meine Ausführungen
auch nicht, wenn die Beweife für den Anteil diefer Quelle
noch erweitert werden; denn die Eigenart und Konftanz
der Auswahl macht eben auch die LXX-Elemente zu
fpezififch lukanifchen.

Was den Urfprung der Kindheitsgefchichten bei
Lukas betrifft, fo ift der Verfaffer, der von ihrer Ge-
fchichtlichkeit überzeugt ift, befliffen zu zeigen, daß ihr
eigentümlicher Charakter nach Inhalt und Sprache die
Hypothefe der Gefchichtlichkeit zuläßt. Allein er zeigt
fich von meiner Kritik doch foweit affiziert und ift zugleich
unparteiifch genug, um einzuräumen, daß — die
Ungefchichtlichkeit der Erzählungen vorausgefetzt —
meine Annahmen zutreffend fein können. Am wichtigften
in diefer Hinficht ift, daß er den .vorchriftlichen Charakter
' des .Benediktus' und damit den .vorchriftlichen' Charakter
der Kindheitsgefchichte des Johannes zugefteht,
alfo zugibt, daß diefe Stücke nicht von einem Chriften entworfen
find. Dem dann notwendigen Schluß, daß fie
aus dem Kreife der Johannesjünger flammen, entzieht er
fich lediglich durch die Erwägung, wir hätten hier eine
echte Prophetie des Zacharias vor uns, die, wie alle
Prophetie, in wefentlichen Zügen unbeftimmt fei und die
zukünftige Wirklichkeit nur unficher feftzuftellen vermöge.
Es fcheint mir ein großer Gewinn zu fein, daß hier zu-
geftanden ift, daß — die Ungefchichtlichkeit der Kindheitsgefchichten
vorausgefetzt — die Johannesgefchichte
famt Benediktus und Magnifikat (diefes gehört in Wahrheit
zu 1,25) aus einem ganz anderen Kreife Hammen
muß als die Jefusgefchichte, wie fie ja auch lediglich
durch eine Notbrücke (1,39—45- 5°J mit einander verbunden
find. Ift aber anderfeits doch alles in c. 1,1—3, 2
fprachlich und ftiliftifch aus einem Guß, fo bleibt fchwer-
lich eine andere Annahme übrig als die, daß Lukas felbft
einft zu den Johannesjüngern gehört und als chriftlicher
Gefchichtsfchreiber feine frühere Aufzeichnung verwertet
hat. Diefe von Wilkinfon und mir in Unabhängigkeit
von einander aufgeftellte Hypothefe hält Machen für
probabel — wenn die Berichte ungefchichtlich find, wovon
er fich nicht zu überzeugen vermag. Seine treffliche
Studie verdient alle Aufmerkfamkeit. Das Rätfei
freilich, woher letztlich die Stoffe der Kindheitserzählungen

flammen, löft fie nicht, weil für den Verfaffer hier kein
Rätfei befteht.

Berlin. A. Harnack.

Frey, Mag. theol. Johs.: Die Glaubwürdigkeit der Uberlieferung

üb. Jehls. Eine Antwort auf die Frage: ,Hat Jefus gelebt
?' (VII, S3S.)gr.8°. Reval, F. Kluge 1911. M. 1.20

Vifcher, Prof. D. Eberh.: Jefus Chriftus in der Gefchichte.
Ein Beitrag zu den Drews- u. Jatho-Debatten. (42 S.) 8°.
Tübingen, J. C. B. Mohr 1912. M. — 80

Jeremias, Pfr. Priv.-Doz. Lic. Dr. Alfr.: Hat Jefus gelebt?
Prolegomena zu e. religionswiffenfchaftl. Unterfuchg.
des Chriftusproblems. Mit 2 Beilagen: 1. Der Auf-
erftehungsmythos der vorchriftl. Religionen. 2. Leit-
fätze zum Chriftusproblem. (64 S.) 8°. Leipzig, A.
Deichert Nachf. 1911. M. 1 —

Jeremias, Pfr.Dr. Johs.: Wiffen wir etwas Sicheres üb. Jefus?
Im Zufammenhang des Chriftusmythenftreites beantwortet
. (VI, 48 S.) 8°. Leipzig, A. Deichert Nachf.
1912. M. —80

Von den vorliegenden vier Beiträgen zur Debatte um
die Chriftusmythe ift die Schrift von Frey ganz in der
üblichen Weife einer Revue über die Zeugniffe gehalten.
Natürlich hört man dabei manches wieder, was im Verlauf
der Debatte fchon gefagt ift; aber auch originelle
Ausführungen fehlen nicht, z. B. in dem Referat über
! Jofephus, deffen flavifchen Text der Autor ja bekanntermaßen
fehr optimiftifch beurteilt (vgl. feine 1908 er-
fchienene Monographie über diefen Gegenftand). Einige
Darlegungen F.'s fcheinen mir methodifch fehr bedenklich
zu fein, fo der Satz, daß divergierenden Legenden ein
konkreter Anlaß, und zwar eine gefchichtliche Tatfache,
zu Grunde liegen müffe, fo die Art, wie die neuefte literar-
kritifche Arbeit am vierten Evangelium dazu benutzt wird,
nun wenigftens die Grundfchrift einem Augenzeugen aus
der nächften Umgebung Jefu zuzufchreiben.

Im Gegenfatz zu der üblichen Unterfuchung des
Problems will Vifcher in feinem Vortrag die Gemeinde
derer, die von den älteften Zeiten bis heute fich um Jefus
Chriftus als ihren Herrn fcharen, Zeugnis ablegen laffen.
Er führt feinen Hörern einige allgemein — vielleicht zu
allgemein — gehaltene Bilder aus der Kirchen- und
Religionsgefchichte vor, um an ihnen zu zeigen, wie die
Menfchheit im Aufblick zu Jefus fich immer wieder auf
das Höchfte und Heiligfte befonnen hat, das fie befitzt.
V. findet auch noch Zeit, gegen Ende zwei große Probleme
wenigftens in denUmriffen aufzuzeigen: die Stellung
Jefu im Vergleich zu anderen Führern der Menfchheit und
das Verhältnis von felbftändigem Erleben zu gefchicht-
licher Abhängigkeit in der Religion. Ich habe den Eindruck
, daß die offene und warmherzige Art von diefen
Fragen zu reden manchem Lefer der kleinen Schrift mehr
als bloße Anregung zu bieten imftande ift.

Alfred Jeremias tritt nach einem gefchichtlichen
Überblick über die Entftehung des Problems in eine Kritik
an der modernen Jefustheologie' ein, die in zwei Sätzen
I gipfelt: 1) eine Theologie, die mit einem vom Wunder
befreiten Evangelium lediglich ,Gott und die Seele in das
rechte Verhältnis bringen' will, verliert die Troftkraft an-
fichts von Sünde und Tod. 2) eine Theologie, die fich
| auf Jefu Lebensanfchauung befchränkt, aber feine Welt-
! anfchauung aufgibt, verzichtet auf die Löfung des Welt-
) problems durch die Erfcheinung Jefu Chrifti. Was das
erfte betrifft, fo, denke ich, darf unfere Theologie ftolz
fein, wenn fie das Ziel erreicht, von dem J. fpricht: man
kann einer Theologie ihr Ziel nicht höher flecken. Und
I wer es erlebt, daß Gott und die Seele ,in das rechte
Verhältnis gebracht' find, der wird auch von der Troft-