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Ausgabe:

1913 Nr. 9

Spalte:

279

Autor/Hrsg.:

Fuchs, Theodor

Titel/Untertitel:

Wissenschaft und Religion 1913

Rezensent:

Thimme, Wilhelm

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Seite 1

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279 Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 9. 28c

denfelben Verzicht leiften kann (II S. 551—556). Das
Werk fchließt mit einem Panegyrikus auf die Einheit,
Heiligkeit, Katholizität und Apoftolizität der katholifchen

will, von vorneherein für unzurechnungsfähig hält' (109).
Darum fieht fie auch vom .naturphilofophifchen Gott' (Schöpfer
, transzendente Welturfache) als einem Irrtum ganz

Kirche und entfprechenden Bemängelungen aller übrigen | ab und hält fich lediglich an den moralifchen Gott des
chriftlichen Bekenntniffe ,die fich gleichfalls Religionen j inneren Verpflichtungsbewußtfeins und den religiöfen der
nennen', bei denen aber .eigentliche Heiligkeit' nicht zu eigenartigen religiöfen Tröftungen, inneren Hilfen, Kräfti-
finden ift (II S. 738). Eigentümlich ift die Art, wie die j gungen, Erlöfungen und Befriedigungen. Hinter diefen
Einheit der Kirche während des abendländifchen Schis- i ethifchen und religiöfen Phänomenen unferer Erfahrung
mas zu retten gefacht wird (II S. 898—907).

Das Werk atmet weniger chriftlich-katholifchen, als
unverfälfcht römifchen Geift und ift infofern dogmen-
gefchichtlich hochintereffant, als es deutlich den Kurs
zeigt, welchen die römifche Lehrentwicklung der nächften
Epoche fteuern wird.

Ulm. Konftantin Wieland.

aber fleht als .Tatfache' — um eine Hypothefe handelt
es fich hier nicht —, als ein einfach erfahrungsmäßig
im Menfchen Gegebenes, ganz genau ebenfo gegeben,
wie das Leben, der Geift. Diefer Geift, im Gegenfatz
zum individualiftifchen Leben ein allgemeines Prinzip, ift
der reale Gott der eigentlichen religiöfen Phänomene,
kein transzendentes Wefen, fondern ganz eigentlich ein

_.____S Erfahrungsprinzip. Überhaupt liegt im Trialismus: Natur,

Fuchs, em. Dir. Prof. Thdr.: Wiffenfchaft u. Religion. Eine Leben, Geift die Löfung aller Probleme. ,Für den Ver-

naturwiffenfchaftlich-philofoph. Studie. (21 S.) gr. 8". j ?fht. es feit *eihe VOn Jah,r^ *;ft' ^J*

„ „ r r i» Möglichkeit einer Widerlegung ausgefchloffen, daß die

Wien, u fromme 1911. M. — 70 j Formel des menfchlichen Dafeins in unferer Lehre ent-

Der Verfaffer will zeigen, daß reine Religion und I deckt ift' (123). Freilich, der kritifch gefchulte Lefer wird
exakte Wiffenfchaft fich nicht nur nicht widerfprechen, 1 viel Gelegenheit haben, fich über feine Konftruktionen zu
fondern fogar zu dem gleichen Refultate kommen, ,zu der j verwundern, und noch über manches andere mehr, wie z. B.
Überzeugung nämlich von der Exiftenz einer lebendigen j über die Zufammenrückung Kants mit dem Skeptizismus
Kraft, einer lebendigen Intelligenz, die außerhalb der j der alten Sophiften (S. 17). Der Verf. philofophiert eben
unfern Sinnen zugänglichen materiellen Welt ftehend als j immer ein wenig ,mit dem Hammer', wie auf S. 41 und 42,
Schöpferin und Erhalterin des ganzen Weltalls, als Quelle j wo er feinen Trialismus damit beweift, daß ein erfter
des Lebens, als Quelle der fittlichen Weltordnung er- j Hammerfchlag auf den Kopf den Geift heraustreibt, ein
fcheint' (S. 5). Er entwickelt folgende Gedanken: 1. Eine 1 zweiter auch das Leben, fodaß dann nur noch der Leib
mechaniftifche Welt wäre ein perpetuum mobile; das j überbleibt. So einfach kommt man zu jener grundlegenden
gibt's aber nicht. 2. Durch die Entdeckuug der Röntgen- j Erkenntnis, welche ,die Löfung der ganzen religiöfen und
ftrahlen und des Radiums ift die materialiftifche Atom- j ethifchen und einer Menge anderer Probleme in fich
theorie aufgelöft. 3. Das Organifche flammt nicht vom fchließt' (42).

Anorganifchen. Wer es doch behauptet, fetzt fich leichtfinnig
über Erfahrung und Naturgefetze hinweg. 4. Wie
der Mechanismus der Gehirnvorgänge nicht ausfchließt,
daß wir denkende, fühlende, fchöpferifch wirkende Men

Gnadenfeld. Th. Stein mann.

Wir zeugen vom lebendigen Golt! Predigten religiös-fozialer
feTen"^^ I Pfarrer der Schweiz- Hrsg. v.J. Eugfter. (VII, 327 &]

und Geift nicht ausfchließen. Übrigens behält nicht ein- 8°. Jena, E. Diederichs 1912. M. 4—; geb. M. 5.20
mal im Anorganifchen der Mechanismus das letzte Wort, j Taube, Pafl. Lic. Arnold: Gott in der Natur. 12 Natur-

Auch Freiheit und Gefetzmäßigkeit fchließen fich nicht
aus; diefer Satz wird originell bewiefen (?) durch Hinweis
auf das Prinzip der Gefetzmäßigkeit großer Zahlen.
5. Die mechaniftifche Naturwiffenfchaft ift nichts weniger
als vorausfetzungslos.

Die zuverfichtlich vorgetragenen Ausführungen, deren

predigten. (ModernePredigt-Bibliothek, hrsg.v.E.Rolffs.
X. Reihe, 1. Heft.) (IV, 172 S.) 8°. Göttingen, Vanden-
hoeck & Ruprecht (1912). M. 1.35

Peabody, Prof. Francis Greenwood: Sunday Evenings in
the College Chapel. (XI, 300 S.) kl. 8°. London, Con-

Tendenz dem Theologen ja nur erfreulich fein kann, find _ , . a

leider in manchen Punkten anfechtbar. Ein paar Be- ltaDie & Lo. 1911. s. 5 —

denken feien erwähnt. Ich glaube nicht, daß der Phy-
fiker zugeben muß, daß durch Röntgenftrahlen und
Radium die Gefetze der Konftanz der Materie und der
Erhaltung der Energie umgeftoßen feien (S. 8), daß der
Religionskundige fich mit einer Religion befreunden wird,
die ein .Produkt der Wiffenfchaft' ift (S. 5), und am aller-
wenigften, daß jemand, der gefunden Menfchenverftand
hat, fich leicht überreden laffen wird, daß der in die Luft
geworfene Kreuzer beim Niederfallen, wenn fich's darum
handelt, ob Schrift oder Wappen oben liegen werden,
.vollkommene Freiheit' befitzt (S. 16).

Iburg:. W. Thimme.

Ritter, Dr. Albert: Der wahre Gott und leine Tafeln. (VI,
130 S.) 8°. Leipzig, Dieterich 1912. Kart. M. 2 —

Von irgend welchen Tafeln ift in diefem Büchlein
überhaupt nicht die Rede, wohl aber vom wahren Gott
und von der Löfung aller Rätfei der menfchlichen Erfahrung
, auch der okkultiftifchen und fpiritiftifchen Er-

fcheinungen, mit bewußter Befchränkung auf die Er- I als Menfch und Chrift beffer leben kann, als unter der

Diefe drei Predigtfammlungen wird man als ,modern'
bezeichnen können, und zwar nicht nur in bezug auf ihre
Zeit, fondern auch auf ihre Art.

Ihre moderne Art liegt zunächft in ihrem Inhalt.
Wie aus den Titeln hervorgeht, find es lauter Predigtfammlungen
, die eine ganz beftimmte Aufgabe oder Beziehung
haben. Die erfte hat die foziale Seite des Lebens
zum Gegenftande. Ihr Herausgeber hat mit ihr ein Wort
eingelöft, das er feinen Freunden vom .Verein fozialiftifcher
Kirchgenoffen Zürich-Neumünfter' gegeben hat. Fängt
hier fchon unfer Staunen an, fo geht es durch den ganzen
Band hindurch, wenn wir nicht wiffen, wie auch in derSchweiz
die Beftrebungen der fozialiftifchen Pfarrer und der religiöfen
Sozialiften zufammengehen. Alle, die hier zu diefem
Bande beigefteuert haben, gehören zu diefer Gruppe. So
bekommen wir ein gutes Bild von dem fozialen Kerygma
der fortgefchrittenen ev. Pfarrer der Schweiz. Dies hat
zu feinem Hauptinhalt die Verkündigung der befferen
Zukunft eines Gottesreiches, in dem Liebe und Treue fo
die äußeren Lebensbedingungen verbeffert haben, daß man

fahrung als das uns allein zugängliche. Es ift eine reine [ jetzigen Mammonsherrfchaft. Prophetifche Töne erfchallen
Diesfeitslehre ohne alle Transzendenz. Von Welterklärung alfo hier, obwohl die prophetifchen Texte merkwürdig
fieht fie ganz ab. .Bald wird die Auffaffung platzgreifen, j zurücktreten. Im ganzen ift die Wucht der Prediger und
daß man jeden, der das Weltall und Weltprinzip erklären | die Fülle ihrer Motive fo groß, daß man garnicht daran