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Ausgabe:

1913 Nr. 9

Spalte:

277-279

Autor/Hrsg.:

Straub, Antonius

Titel/Untertitel:

De ecclesia Christi. 2 vols 1913

Rezensent:

Wieland, Konstantin

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277 Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 9. 278

will. Verf. bekennt freilich, ihn im übrigen nicht ganz zu und aus den Äußerungen der Väter hierüber konftruiert
yerftehn. Shaw hat fich einmal, wie noch bemerkt wird, Verf. lelbftverftändlich einen Primat des Papftes im heutigen
dahin ausgefprochen, daß er zwar an einen das AU Sinne (II S. 105—120, 355—381). Es ift hiernach überregierenden
Geift glaube, ihn aber nicht für allwiffend flüffig, eigens zu betonen, daß Verf. die heilige Schrift
halte, fofern ihm in der Art, wie er die Welt ihrem Ziele wie die Kirchengefchichte nur durch die Brille des Vati-
entgegenführe, einige Schnitzer (blunders) mit unterliefen, kanifchen Konzils zu fehen vermag und daß feine Er-
Für einen fehr gefährlichen Gegner des Chriftentums hält i gebniffe demgemäß zu bewerten find.
T. Karl Marx und deffen materialiftifche Gefchichtstheorie, Auffallend ift immerhin, daß Verf. es fogar über ftch

nach der wirtfchaftliche Kämpfe die treibenden Kräfte bringt, immer wieder die Prophetien des Alten Teftamentes
in der Weltgefchichte feien. Dem gegenüber weift er 1 über das künftige Meffiasreich auf die katholifche Kirche
darauf hin, daß die Fürforge für das leibliche Wohl ja und das Papfttum zu beziehen und als Beweife für die
auch zum Wefen der chriftlichen Religion gehöre, wie fchon j Göttlichkeit und Heiligkeit des römifchen Syftems anzu-
die Heilungen Jefu bewiefen. Dann werden noch einige | führen. Übrigens geht Verf. auf die für den Kirchenbegriff
aUgemeine Einwendungen gegen das Chriftentum be- j fo hochbedeutfame Frage nach den eschatologifchen Än-
fprochen, wie die, daß es die Gläubigen kraftlos mache, 1 fchauungen und Erwartungen Chrifti gar nicht ein.
oder die, daß die Predigt der Sündenvergebung die Von Einzelheiten find folgende Aufftellungen des

Menfchen im Böfen beftärke. Hier ragt eine fchöne Schil- ; Verfaffers intereffant: I S. 293 wird das Wefen des zum

derung der chriftlichen Demut hervor S. I22f, deren Wefen
im fich felbft Vergehen gefehen wird.

Den Vorträgen ift beigegeben eine Predigt über das
göttliche Gericht, mit Zugrundelegung von Apoc. i, 7.
Diefes Gericht vollzieht fich nach unferm Verf. im Unglauben
felber. Den Gedanken an eine äußere Strafe als

Heile notwendigen Glaubens charakteriftifch kurz und
bündig bezeichnet als Glaube an die Erlaffe des kirchlichen
Lehramtes. Den Begriff der ,alleinfeligmachenden'
Kirche erklärt Verf. I S. 305 f. dahin, daß nur ignorantia
plane invincibilis inbezug auf die Kirche, wie fie aber bei
einem edlen Menfchen gar nicht vorkommen könne, von

fittliches Motiv will er, wie auch aus andern Stellen feiner , der Todfünde des Unglaubens befreie. Aber auch wer

Schrift (z. B. S. 129) hervorgeht, nicht recht gelten laffen.
Furcht vor Strafe ift ihm etwas wefentlich Egoiftifches,
was aber doch nicht ganz richtig ift. Denn in folcher
Furcht liegt nicht bloß die Angft vor einem Übel im
allgemeinen, fondern vor allem der Gedanke, daß dies
Übel den Übeltäter gerechterweife trifft. Darin liegt
eine wefentliche Anerkennung der fittlichen Weltordnung,
alfo ein fehr berechtigtes Moment.

Königsberg i. Pr. R. A. Hoffmann.

Straub, Prof. D. Dr. Antonius, S. J.: De ecclesia Christi.

2 vols. (XCII, 500 u. VI, 916 S.) gr. 8°. Innsbruck, F.
Rauch 1912. M. 25.50

Das Werk des Innsbrucker Jefuiten bringt inhaltlich
zwar für den Kenner der katholifchen apologetifchen und
dogmatifchen Literatur nicht viel Neues, empfiehlt fich
aber durch feine erfchöpfende und überfichtliche Darfteilung
des Stoffes fowie durch feine umfangreichen, von
hoher Belefenheit zeugenden biblifchen, patriftifchen und
fachwiffenfchaftlichen Nachweife als vorzügliche Bearbeitung
des geftellten Themas — vom römifchen Standpunkte
aus. In acht Kapiteln handelt der Verfaffer 1) von
der unmittelbaren Stiftung einer fichtbaren Kirche durch
Chriftus, 2) von ihrem Zweck, ihrer Notwendigkeit und
Unvergänglichkeit, 3) von der unmittelbaren Einfetzung
der Hierarchie, befonders des römifchen Primats durch
Chriftus, 4) vom Umfang der hierarchifchen Machtbefug-
niffe, 5) vom unfehlbaren Lehramt der Kirche und des
Papftes, 6) vom Verhältnis der Kirche zum Staat u. a.
inbezug auf Schule, Kirchengüter, Konkordate, Kirchen-

ftaat, 7) von den Eigenfchaften der Kirche und den Be- der Schrift ausgefprochene Offenbarungswahr

mit einer folchen Ignoranz behaftet fei, werde dennoch
gewiß dem ewigen Verderben verfallen, wegen anderer
Todfünden, die er ficher begehe. Den Syllabus Pius
IX wie die Enzykliken Leo XIII erklärt Verf. für
definitiones ex cathedra und fomit für katholifche
Dogmen (IIS. 39Öf. 401 f.). Unter Berufung hierauf erklärt
er die fog. politifche Toleranz d. h. die ftaatliche
Duldung akatholifcher Konfeffionen für grundfätzlich
unerlaubt. Nur ,per accidens', aus befonders wichtigen
Gründen dürften ,falfche Religionen' im Staate zugelaffen
werden (I S. 3iof.) Konfequenterweife läßt Verf. auch
alle Häretiker, Schismatiker, Exkommunizierte u. f. f. der
Jurisdiktion der Kirche unterworfen fein (II S. 658 f. 59^0»
weil die Gewalt derfelben fich auch auf die ihr Wider-
ftrebenden erftrecke (II S. 9). Energifch vindiziert Verf.
der Kirche das Recht auf körperliche Strafen, die eine
,vis salutifera' enthalten fowie das Recht auf Verfolgung
und Hinrichtung der Ketzer (II S. 9—17). Eigentümlich
berührt die Bemerkung S. 17: .Wenn einer der Kirchenväter
über das Recht 3er Kirche auf körperliche Strafen
anders gelehrt hätte, fo wäre feine Meinung in diefer
Frage „als minder korrekt" aufzugeben'. Zugleich feiert
Verf. die Verdienfte der Kirche um das irdifche Wohlbefinden
der Menfchheit in den höchften Tönen (I S. 2Ö4f.i.
Die Thefis XIV (I S. 375—381), dem Nachweis gewidmet,
daß Petrus nach Chrifti Willen bis ans Ende der Welt
Amtsnachfolger haben follte, ift wohl am fchwächften
von allen begründet. Gleichwohl wird die Beftimmung
der Stadt Rom als Sitz des Primates auf göttliche Anordnung
zurückgeführt (I S. 472—475), ja fogar als
göttliche, von den Apofteln verkündete und in

dingungen der Zugehörigkeit zu ihr, 8) von den Kennzeichen
der wahren Kirche.

Der Verfaffer gibt fich natürlich alle Mühe, feine

heit bezeichnet (I S. 481—486). Nach der Meinung des
Verf. ift die Jurisdiktion der Kirche fo unbefchränkt, daß
die Hierarchen dem Gewiffen der Gläubigen jede beliebige

ultra-orthodoxen Auffaffungen als der Schrift und Väter- 1 Vorfchrift auferlegen dürfen, wenn fie nur dem Zwecke
lehre gemäß zu erweifen; aber jeder vorurteilslofe Lefer I der Kirche angemeffen ift (II S. 1—6. 93); fie erftreckt fich
wird fich gewiß wundern über die Ausdeutung, welche auch auf rein innerliche Akte (I S. 39. 41 — 49) und wird
Verf. manchen Schrift- und Väterftellen angedeihen läßt j von der Kirche kraft eigenen Rechtes, nicht nur in gött-
(z. B. I S. 71—77. 80. 129. 130. 131. 171. 172. 346. 347). i lichem Auftrag ausgeübt (I S. 40). Sie ift keineswegs auf
Diefelbe Art erzwungener und erkünftelter Darlegung : den Inhalt der Offenbarung befchränkt (II S. 251—283),

kennzeichnet fall durchgängig die Erwiderungen des jeder ftaatlichen Autorität übergeordnet (II S. 496_514)',

Verfaffers auf Einwände und Schwierigkeiten fachlichen j fodaß alle Staatsgefetze durch eine ,lex altior' anulliert
oder gefchichtlichen Charakters z.B. hinfichtlich der Frage I werden können (II S. 582), und kann auch durch ein
des römifchen Episkopates im erften Jahrhundert (I S. 420. | Konkordat nicht zum Schaden der Kirche befchnitten
422. 427—438) oder der Unfehlbarkeit der Konzilien (II werden (II S. 530—534)- Die Kirche hat Anfpruch auf
b. 205) und des Papftes (II S. 403—469) u. a. m. Aus ! volle Immunität (II S. 539), insbefondere ift die Not-
der Tatfache, daß die alte Kirche dem römifchen Bifchof- ' wend igkeit des Kirchenftaates unfehlbares Dogma,
ftuhle vor allen anderen apoftolifchen Charakter zuerkannte, 1 fodaß der Papft weder erlaubter- noch giltigerweife auf