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Ausgabe:

1913

Spalte:

262

Autor/Hrsg.:

Kenyon, Frederic

Titel/Untertitel:

Handbook to the Textual Criticism of the New Testament. 2. ed 1913

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 9.

262

Einiges von den ErgebnifTen, die Dr. Exner aus dem
bearbeiteten Material gewinnt, möchte ich hier mitteilen.
Aus den Jahresfummen für die Temperatur und für den
Niederfchlag geht hervor, daß Paläftina trotz der großen
Bodenverfchiedenheiten klimatifch einzufammenhängendes,
einheitliches Ganze bildet, die Übergangszone zwifchen
dem regenreichen Libanon und dem regenarmen Nordägypten
(S. 21. 23. 31). Die Jahresfummen des Nieder-
fchlags zeigen große Schwankungen, 1905/6 hatte Jeru-
falem 1064mm, 1906/7 nur 464mm, 1900/1 340mm ufw.
Verfuche, die Verdunklung des Waffers zu meffen, haben
ergeben, daß ein Wafferbecken, das nur durch Regengüße
gefüllt wird, fchon Anfang Juli fein Waffer verlieren muß
und unter normalen Verhältniffen fich erft Ende November
einigermaßen wieder füllen kann (S. 34Q. Alle diefe
Erkenntniffe find für die Beurteilung des Landes von
großer Wichtigkeit und liefern den Beweis, daß die kleine
Schrift wertvolle Beiträge zu einer zukünftigen allgemeinen
Behandlung der klimatifchen Verhältniffe Paläftinas enthält.

Leipzig. Guthe.

Zerbe, Prof. Alvin, Ph.D., D.D.: The Antiquily of Hebrew
Writing and Literature or Problems in Pentateuchal
Criticism. (XXIV, 297 S. m. 2 Taf.) Cleveland, O.,
Central Publishing House 1911. S 1.50

Der Verfaffer beabfichtigt, eine Lücke in der alt-
teflamentlichen Einleitungswiffenfchaft auszufüllen durch
eine Unterfuchung über die äußeren Bedingungen für das
Entftehen und die Überlieferung einer mofaifchen und
felbft vormofaifchen israelitifchen Literatur. Er geht von
dem Widerfpruch der traditionellen und kritifchen Richtung
aus (Kap. I—II). Zur Gewinnung eines eigenen
Urteils auf geficherter Grundlage follen hauptfächlich drei
Unterfuchungen führen. Die erfte (Kap. III—V) fleht
zunächft feil, daß die Ägypter, Babylonier und Kananiter
fchon frühzeitig eine entwickelte Kultur und insbefondere
auch ein ausgebildetes Schriftfyftem und eine reiche Literatur
befaßen, und folgert dann aus der keineswegs
geringeren Begabung und den engen Beziehungen der
Israeliten zu diefen Völkern, daß auch fie fehr wohl fchon
zu Mofes Zeit eine Literatur befeffen haben können. Die
zweite (Kap. VI—XI) erörtert die Fragen, die mit dem
Urfprung und der Entwicklung der phönizifchen Buch-
flabenfchrift verbunden find, und kommt dabei zu dem
Ergebnis, daß fie um 1500 fchon völlig ausgebildet ge-
wefen fein muß und auch den Israeliten bekannt gewefen
fein kann; fo muß auch in diefer Beziehung die Herkunft
des Pentateuchs oder wenigftens feiner Hauptteile aus der
Zeit Mofes für möglich gehalten werden; die an fich mög- •
liehe Annahme, daß die ältefte israelitifche Literatur in
einer andern Sprache oder Schrift verfaßt war, lehnt der
Verfaffer als nicht genügend begründet ab. Drittens
(Kap. XII—XIII) fucht er zu zeigen, daß der Pentateuch
in der Hauptfache tatfächlich aus der Zeit und wenigftens
zum Teil auch aus der Hand Mofes flammt; denn die
israelitifche Kultur war damals fchon fo fortgefchritten,
daß der Pentateuch nicht fpäter angefetzt zu werden
braucht, die altteftamentlichen Zeugniffe beweifen, daß
die Entwicklung der israelitifchen Literatur nicht erft mit
der Königszeit begann, und die für eine fpätere Entftehung
der einzelnen Bestandteile des Pentateuchs vorgebrachten
Gründe find teils nicht beweifend, teils flehen ihnen po-
fitive Gründe für ein fehr hohes Alter gegenüber.

Dem Buch kann manches zum Lobe nachgefagt
werden. Der Verfaffer bemüht fich redlich um ein un-
parteiifches Urteil und fucht auch das nach feiner Meinung
Berechtigte in der modernen Kritik zu feinem Recht
kommen zu laffen: er ift kein Advokat, der die Tradition
um jeden Preis verteidigen will. Er hat fich feine Aufgabe
im ganzen auch nicht leicht gemacht: auch die ent-
legenften Möglichkeiten erörtert er, und der Umfang der

von ihm berückfichtigten und benutzten Literatur verdient
alle Anerkennung.

Im ganzen aber muß ich doch urteilen, daß der
Verfaffer der Aufgabe, die er fich ftellte, nicht gewachfen
war, und daß daher auch der Beweis feiner Thefe nicht
ausreicht. Er hat, befonders bezüglich der Gefchichte der
altorientalifchen Schriftfyfteme, eine unendliche Maffe von
Stoff gefammelt, aber er beherrfcht fie nicht. Schon die
Dispofition in ihrer Darbietung ift höchft verwickelt und
unklar, Thefen werden im Beweis verwandt, die erft fpäter
erörtert werden, und allenthalben trifft man auf Wiederholungen
. Es fehlt völlig an einer Unterfcheidung des
für den Gang der Unterfuchung Wichtigen und des gänzlich
Bedeutungslofen; oft verliert man den Zweck der
Unterfuchung ganz aus den Augen und gewinnt den Eindruck
, der Verfaffer wolle ein Handbuch der Epigraphik
fchreiben. Es fehlt ihm auch an der Fähigkeit zu eigenem
Urteil; er verfteht es nicht, aus den Tatfachen der Schrift-
und Literaturgeschichte den Lefer felbftändig fchließen
zu laffen, fondern er überfchüttet ihn mit einer Fülle
widersprechender Urteile anderer über fie und erklärt fich
dann für eines von ihnen, ohne daß man recht erführe,
warum er fich fo entfeheidet. Er vermag es nicht, das
Verhältnis verfchiedener Schriftfyfteme oder verfchiedener
Formen und Stadien eines Systems klar zu formulieren.
Auch feine Schrifttafeln find dilettantenhaft und bei weitem
nicht exakt genug. Den Problemen der hiftorifchen Kritik
bringt er wenig Verftändnis entgegen. Obwohl er das
Alter des Pentateuchs, des Buches Jofua und des Richterbuches
erft ermitteln will, entnimmt er ihnen doch die
Zeugniffe für die Kultur Israels in der vorköniglichen Zeit
und vor allem für die Entwicklung der Literatur in diefer
Periode, als wäre das hohe Alter diefer Bücher völlig
gesichert. Die Widerlegung der Gründe für die fpäte
Anfetzung des Deuteronomiums und des Priefterkodex
ift viel zu allgemein und zeigt, daß der Verfaffer die
Beweisführung feiner Gegner gar nicht recht erfaßt hat.
So muß das Gefamturteil lauten: ein trotz aller Mühe doch
im ganzen verfehltes Werk.

Halle a. S. C. Steuernagel.

Kenyon, Dir. Sir Frederic, K. C. B., F. B. A.: Handbook
to the Textual Criticism of the New Testament. 2. ed.

(XII, 381 S. m. 16 Fksms.) 8°. London, Macmillan
& Co. 1912. s. 5 —

Diefes im Jahr 1901 zum ersten Mal erfchienene Handbuch
der Textkritik erfcheint jetzt in zweiter Auflage.
Es hat diefen Erfolg wohl verdient; denn es gibt in klarer
und überfichtlicher Darstellung ein vorzüglich ausgewähltes
Material zur Einleitung in das Studium auf diefem weitverzweigten
Gebiet. Die Ausftattung des Werkes ift fehr
gut, und besondere Erwähnung verdienen die vielen (16)
Facfimiles von Handfchriften, die dem Werke beigegeben
find. Neue und eigne Wege wandelt K. nicht, es ift im
großen und ganzen Weftcott-Hortfche textkritifche Rechtgläubigkeit
, die hier vertreten wird. Nur zögernd wird
an gewiffen Punkten die Korrekturfähigkeit diefes Systems
zugestanden. Die neue Auflage hält fich ganz in den
Bahnen der alten und begnügt fich damit, diefe up to Date
zu bringen. Die Handfchriftenbezeichnungen nach den
neuen Systemen von Sodens und Gregorys find nachgetragen
. Eine ausführliche Darfteilung des neuen text-
kritifchen Sy Heins von Sodens ift am Schluffe der Gefchichte
der Textkritik angehängt. Über die Tatianhypothefe v.
S's. äußert fich auch K. fehr zurückhaltend. Der Verfaffer
fagt felbft von der neuen Auflage: In other respects,
though there are many alterations in detail, the book
remains substantially as before.

Göttingen. Bousset.