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Ausgabe:

1913 Nr. 1

Spalte:

3-5

Autor/Hrsg.:

Budge, E. A. Wallis

Titel/Untertitel:

Coptic biblical Texts in the Dialect of Upper Egypt 1913

Rezensent:

Rahlfs, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 1.

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allmählich verflüchtigt, die reale Perfon der Ker fchließ-
lich in ein Appellativum verwandelt. Das letzte Kapitel
befchäftigt fleh mit dem Schickfal (fiolga aiöa). Auch in
der Entwickelung der Schickfalsvorftellungen zeigt fleh
der zunehmende Trieb zur Reflexion und Abftraktion.
Die Tendenz der Dichter, die den planmäßigen Verlauf
ihrer Handlung zur fiolga hypoftafieren, erzeugt z. T. erft
die Unklarheiten und Widerfprüche im Verhältnis von
Schickfal und Göttern. Die Annahme, daß in den Vor-
ftellungen von der fiolga fleh ein monotheiftifcher Zug
offenbare, wird mit Recht zurückgewiefen.

Ein Vortrag von 12 S., dann 45 S. Anmerkungen, das
ift keine gute Dispofition. Aber das Büchlein von Roßbach
gibt ein gutes auch durch Abbildungen veranfehau-
lichtes Bild des jetzigen Henna, feiner wechfelnden Schick-
fale in der Vergangenheit, feiner Kulte, in denen z. T.
griechifche Götter ältere einheimifche verdeckt haben.
Starke Bedenken habe ich gegen die Ausführungen
S. 22—44 über Kriegs- und Erdgötter. Um Odyffeus
unter fie einzureihen, werden manche Einzelzüge des
Epos, die in deffen Handlung begründet und aus fleh
verftändlich find, ohne Grund auf einen älteren mythifchen
Sinn zurückgeführt. Für Kaineus (S. 24) verweife ich auf
die 1912 Sp. 162 befprochene Schrift von Berthold; über
Schlangengötter (S. 32 f.) gibt jetzt J. Harrisons Themis
reiches Material. Die Erklärung von Philoktet 401 (S. 30)
halte ich für unmöglich.

Staehlins Arbeit ift vor allem für die Technik des
Dramas ergiebig, aber auch religionsgefchichtlich wertvoll.
Die ganze Wirkung der mantifchen Motive bei Äfchylos
und Sophokles fühlen wir nicht leicht nach, weil wir den |
Glauben, den die Dichter vorausfetzen, nicht teilen. Die
Motive find meift dem Epos entnommen und weifen vielfach
auf den Volksglauben zurück: S. 52 grünender Stab,
vgl. auch S. 36; öfter offenbart der Prophezeiende, um
Glauben in dem befonderen Falle zu finden, zuerft fein
höheres Wiffen auf anderem Gebiete. Die ftarken Wirkungen
, die die Dichter in der befonderen dramatifchen
Verwendung der Tradition erreichen, emfinden wir noch
heute: die Stimmung wird auf das kommende Unheil vorbereitet
; bei Äfchylos ift öfter die Mantik Trägerin des
Zufammenhanges der Trilogie. Das Traummotiv pflegt
Neben-, das Orakelmotiv Hauptmotiv zu fein. Aber fchon
Äfchylos erfindet gelegentlich aus technifcher Rückficht
ein Orakel als Nebenmotiv. — Der Zwiefpalt zwifchen
Gebundenheit an die Tradition und der Oppofition feiner
eigenen Überzeugung tritt auch auf diefem Gebiet bei
Euripides hervor. Er kritifiert mitunter die Orakel, die
er nach der Überlieferung als Hebel der Handlung benutzt
. Das Orakelmotiv finkt bei ihm zu einem dramatur-
gifchen Requifit herab. Daß es als folches in Senecas
Tragödien und vor allem durch die Vermittelung der
neueren Komödie in der römifchen fortlebt, ift einer der
vielen Beweife, daß Euripides die dramatifche Technik
der folgenden Zeiten maßgebend beeinflußt.

Göttingen. Paul Wendland.

Budge, E. A. Wallis, M. A., Litt. D.: Coptic biblical Texts
in the Dialect of Upper Egypt. (LXXXV, 349 S. m. 10 Taf.)
8°. London, Longmans & Co. 1912.
Im April 1911 hat das British Museum wieder einen
koftbaren Schatz erworben. Es ift ein Papyrusbuch mit
dem fahidifchen Text des Deuteronomium, des Jonas und
der Apoftelgefchichte und (lammt aus fehr alter Zeit,
denn am Schluß ift ein apokryphes /Wort des Herrn' in
einer Kurfive hinzugefügt, die Kenyon durch Vergleichung
mit vielen datierten griechifchen Papyri als aus der Mitte
des 4. Jahrh. flammend beftimmt hat. Das Buch ift im
ganzen wohl erhalten, doch fehlen etwa 9 Kapitel des
Deut, und 2V2 Kapitel der Apgfch.; auch ift eine Anzahl
von Blättern verftümmelt oder abgenutzt.

Dies Papyrusbuch hat Budge zufammen mit einer
1907 erworbenen Papierhandfchrift der Apokalypfe herausgegeben
. An der Ausgabe, die ,by order of the Tru-
stees' des British Museum gedruckt ift, find die Schnelligkeit
der Veröffentlichung, die prächtige Ausftattung und
die vorzüglichen Tafeln zu loben. Sonft aber ift fie fo
ungenügend, wie man es nach Budges früheren Leiftungen
auf diefem Gebiet nur erwarten konnte. Vor allem läßt
fie in jeder Hinficht die für eine Textausgabe nötige
Sorgfalt vermiffen. Faft fcheint es, als habe Budge feine
erfte Abfchrift unrevidiert in den Druck gegeben, denn
die beigegebenen Tafeln zeigen, daß die Ausgabe auch
an ganz leicht lesbaren Stellen von der Handfchrift abweicht
.

Gleich in der erften Zeile der erften Tafel fleht z. B. fo deutlich
wie nur möglich das richtige neRgMc-afA, aber Budge druckt gegen die
Orthographie nKoüg&Ä. Auf Taf. 4 Zeile 5/4 von unten fleht klar
Teqc-HMe e.qTe.'Ae epoq ,er gab fein Fährgeld und beftieg es (das
Schiff/, aber Budge druckt TeTc-KMe, eine Form, die es gar nicht gibt,
und eqTe.'Ae, was zwar an fich möglich ift, hier aber nicht paßt. Ganz
fchlimm wird es natürlich, wo die Hf. weniger gut erhalten ift. In der
letzten Zeile von Taf. 4 ift z. B. in CTeee.?l'Ae.cce. der horizontale Strich
des T verfchwunden, daher druckt Budge Ci e «e.'A'Ae.cce., obwohl dies
gar keinen Sinn gibt, und obwohl der leere Raum vor und hinter dem
vermeintlichen 1 ihn bei etwas Überlegung auf die richtige Spur hätte
bringen können. Durchweg fchlecht erhalten ift Taf. 7i und hier wird
es auch mit Budges Ausgabe am ärgften: man verbeffere bei Budge S.
236 Z. I uyuje in eTtxje (vgl. ncTUje am Schluß diefer Anzeige), 7 n
rte.'i in HAI, 9 piroer" (mit Anzeigung einer Lücke vor p und Fragezeichen
über p) in [e.y]noeT, 11 e-y^ne in e-y^m, u/12 e yMK|[e.p_] in
eyMo|[Kc-], 13 e.qcs.ooy (mit Fragezeichen über y) in e.qc£Ooq, 15
| ujeyono (mit Fragezeichen über -e>) in [njetrTono (fehr leicht lesbarl),
19 m in c-m, 21 ff Tep rtc-e in nTepenc-e, 24 mmoiI in mmÖ,
25/26 e t||ts"p]oc in e|[Yyp]oc, 28 m in n.

Dazu kommen dann noch allerlei fonftige Ungenauig-
keiten. Charakteriftifch ift es z. B., daß Budge Buchftaben
, die er willkürlich hinzufügt, weil er — in der
Regel irrig — meint, der Schreiber habe fie vergeffen,
z. B. Jon. 1,2 Ttoo-s-n [n]fi (vgl. Ttootrnr« Apgfch. 9,6; io, 20;
22,16) und [e] gpewi (vor Hc-htc!), Apgfch. 20,36 ufejAcs (vgl.
meine Ausgabe des Berliner fahid. Pfalters S. 20 Anm. 1),
ebenfo in eckige Klammern fetzt, wie Ergänzungen von
Lücken der Handfchrift. Auch die Bezeichnung der
Lücken felbft ift fehr ungenau: bald flehen Buchftaben
in Klammern, die auf den Tafeln deutlich zu erkennen
find, bald find ganz verfchwundene Buchftaben nicht eingeklammert
.

Außer den Tafeln zeugt gegen Budge befonders die
lange Lifte von Schreibfehlern in der Apoftelgefchichte,
welche er auf S. XXXI—XXXVII zufammengeftellt hat.
Hier kann man mit Recht fagen: O si taeuisses, sapiens
fuisses. Ich gebe nur einige Beifpiele für die faft unglaubliche
Unkenntnis des Koptifchen, die fich in diefer Lifte
verrät.

Iu Apgfch. 18, 12 hat der Papyrus e.yn rtetrefi«, eine andere Handfchrift
dagegen «.yeme nney^iss, alfo jener ganz richtig den status
construetus mit direkter Abhängigkeit des Subftantivs, diefe ebenfo richtig
den Status absolutus mit Anknüpfung des Subftantivs durch n; aber
Budge fagt S. XXXV, das *.yn des Papyrus fei Schreibfehler für «.yeine.
Analog liegt der Fall in Apgfch. 16, 37' w0 der Papyrus cene-no-siit,
die andere Hf. cenoyse m.uou hat und Budge cene.rt02s.ri als Schreibfehler
für cenoyss.e anführt, und bei den gleichfalls richtigen Formen
11,10 ujMrtT, 12,1 «Xi,;e, 17,19 oyeui, 19,25 etnoyg, 19,31 ta.to,
20, 36 (richtiger 35) ec<oye ■zu, welche Budge nur deshalb für falfch
halten konnte, weil ihm der Unterfchied der status im Koptifchen nicht
klar war. Schreibfehler follen ferner fein Apgfch. 3, 19 neyoetuj (latt
neovoeiuj, 7, 16 ge.ye.coy ftatt?ge.oye.coy, 7,24 eye. ftatt eoye.,
7,36. 44 nzte-eie ftatt nsse-ie, 8, 30 und 21, 33 neqoyoei ftatt neqoyoi,
15,3 Tgnooy ftatt enooT, 21,38 eeie ftatt eie, 23,6 rtiteye. ftatt
mseoye., 23, 30 e.i-Te.oyoq ftatt e.iTe.yoq, 24, 3 ceTe.eio latt ceTe.10,
als ob folche Schreibungen, befonders in alten Handfchriften, nicht ganz
gewöhnlich wären. Daß Budge'bei einer folchen Unkenntnis des Koptifchen
mit felteneren Formen, wie Apgfch. 1,23 ptnq ,fein Name', 2,41
e.iqMT UJO .ungefähr dreitaufend', 9,6 ueTUje ,was lieh ziemt' (tytge