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Ausgabe:

1913 Nr. 8

Spalte:

250-251

Autor/Hrsg.:

Holtzmann, Heinrich Julius

Titel/Untertitel:

Praktische Erklärung des I. Thessalonicherbriefes, neu hrsg. v. Eduard Simons 1913

Rezensent:

Niebergall, Friedrich

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249 Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 8 25c

den die älteren theologifchenRichtungen bei ihren anders- j Religionsgefchichte feftftellen, wohl aber läßt fich die
artigen und ftärker drängenden Aufgaben nicht zu lebten Mannigfaltigkeit der Religionen gliedern. Sie unterfchei-
vermochten. Es wäre zugleich die höchfte und würdigfte j den fich vor allem darnach, ob das Göttliche in ihnen

nur als Steigerung und Idealifierung des in der finnlichen
Erfahrung Gegebenen erfcheint oder als die Offenbarung
eines neuen, wefentlich andersartigen Lebens und Willens.
So mündet die ganze Erörterung in eine Heraushebung
der biblifchen Religion als der einzigen typifchen Offen-
barungsreligion aus der Reihe der übrigen.

Auch in diefen Erörterungen finde ich (ganz abgefehen
davon, daß fie mir den fremden Religionen nicht gerecht

Apologetik; denn fie würde den Blindeften zeigen, daß
ein ftarker und feiner Tragweite bewußter Glaube die
notwendigfte Vorbedingung für jede wahrhaft fruchtbare
Arbeit an Vernunftfyftem und Weltanfchauung ift, und daß
nicht die Eingliederung der Religion in ein erkenntnis-
theoretifch oder pfychologifch zubereitetes Schema, fondern
die Befinnung auf die Leiftungskraft der Religion am beften
die Einheit des Bewußtfeins verbürgt. Freilich kann St.

fich darauf berufen, daß heute zahlreiche oder doch wert- I zu werden Rheinen) manche ungeklärte Vermifchung von
volle Chriftten jenen Zwiefpalt wirklich empfinden; und > Glaubensgedanken und wiffenfchaftlichen Theorien; St.
fo ift auch das Nachdenken über außerreligiöfe Mittel zu | bleibt dem einmal begonnenen Typus treu. Trotz folcher
feiner Heilung verdienftlich. Nur fragt fich, ob es gerade j Einwendungen aber muß die Schrift aus den oben ge-
die Rolle innerhalb der Theologie zu fpielen berufen ift, nannten Gründen den Theologen, nicht nur den Intereffen-

ten der Religionsphilofophie, dringend zum Studium empfohlen
werden.

die St. u. a. ihr zufprechen, und ob es den Theologen
nicht unnötig in philofophifche Gegenfätze verwickelt.

Allerdings der einen großen Gefahr, die mit jener
falfch-religionsphilofophifchen Tendenz verbunden ift, weiß
St. zu entgehen: er leitet keineswegs die Inhalte der Re- | Voigt, Pfr. Paul: Der erfte Brief Petri in Betrachtungen
ligionoder des Chriftentums religionsphilofophifch ab, er I erbaulich ausgelegt. (VIII, 232 S.) 8". Gütersloh, C.

Marburg i. H. Horft Stephan.

will vielmehr lediglich durch erkenntnistheoretifche Unter
fuchung feftftellen, daß es fich bei der Religion nicht um
etwas Zufälliges oder Willkürliches handelt. Dazu leitet
er aus einem umfaffenden Nachdenken über die Erfahrung
die Frage ab, inwiefern denn unfere Erfahrung die Wirklichkeit
erfchöpfe. Diefe Frage nach der Vollftändigkeit
unferer Erfahrung fei .unter allen Umftänden mit der Tatfache
unferes Bewußtfeins gegeben' (S. 84) und fordere
eine Antwort. Die Antwort aber fei nun die Sache der
Religion, die durch die Anfchauung des Überfinnlichen
die l'onftige Erfahrung ergänze. Was St. als notwendig
im Gefüge des Bewußtfeins ableitet, ift darnach freilich
nicht die Religion felbft, fondern nur irgendwelche Stellungnahme
in der Frage nach der Vollftändigkeit der Erfahrung
, fei es eine negative oder eine pofitive. Für den
Inhalt der Antwort felbft werden wir auf die religiöfe
Erfahrung verwiefen, die das, was unfere Sinne und unfer
Verftand als Wirklichkeit faffen, als bloße Andeutung und
bloßen Weg zur Wirklichkeit erkennt (S. 94). Die Antwort
auf die Grundfrage der Religion ift alfo zwar formal
in fchwieriger Unterfuchung als notwendig erwiesen,
bleibt aber inhaltlich wiederum nur ,Willkür des fubjek-
tiven Eindrucks'. Dann aber bleibt auch jener von St.
betonte Zwiefpalt des Bewußtfeins, und der Zweck des
ganzen Verfahrens wird fehr unvollkommen erreicht.

St glaubt in diefer Erörterung, die fich auf eine eingehende
Auseinanderfetzung mit Kant und Schleiermacher
aufbaut, außer der erkenntnistheoretifchen Verankerung
der Religion auch noch das .eigentümliche Merkmal aller
Religion' gezeigt zu haben: die .Anfchauung vom Überfinnlichen
' (S. 90); da aber dies Ergebnis vorlaufend, ohne
gefchichtliche Betrachtung, gefunden ift, fo ergibt fich
weiter die Aufgabe, es an der Gefchichte der Religion zu
erproben. Dem gilt der letzte Abfchnitt des Buches. Er
geht davon aus, daß die religiöfe Anfchauung ein Exponent
der finnlichen Erfahrung fei, daß alfo der Inhalt der
religiöfen Anfchauung den Stufen entfprechen müffe, nach
denen der Menfch fich der Wirklichkeit feines eigenen
Lebens bewußt wird. Es find die Stufen der Natur, des
Lebens und des perfönlichen Seins. Im Zufammenhange
mit ihnen ftellt die Religion fich dar als Glaube an eine
überfinnliche Macht, an einen unendlichen Geift, an einen
unbedingten Willen. Damit tritt der Gottesbegriff von

Bertelsmann 1912. M. 3—; geb. M. 3.50

Das Alte Teftament in religiöfen Betrachtungen f. das moderne

Bedürfnis. In Verbindg. m. Anderen hrsg. v. G. Mayer.

9. Bd. Rump, Pfr. Lic. Dr. Joh.: Der Prophet Jefaia in

religiöfen Betrachtungen f. das moderne Bedürfnis.

(XIX, 424 S.) gr. 8°. Gütersloh, C. Bertelsmann 1912.

M. 6 —; geb. M. 6.60
H 011 z m an n's, Heinr., Praktifche Erklärung des I.Theffalonicher-

briefes, neu hrsg. v. Prof. D. Eduard Simons. (XII, 163

S.) gr. 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1911. M. 2.50

Diefe drei Schriften wollen biblifche Bücher praktifch
auslegen. Im folgenden foll nicht nur auf die Art geachtet
werden, wie jede von ihnen diefe Aufgabe anfaßt, fondern
fie mögen auch zu einigen allgemeinen Gedanken über
praktifche Schriftauslegung hinführen.

Voigt bietet den religiöfen Inhalt des Petrusbriefes in
34 Betrachtungen dar, die einen unmittelbar erbaulichen
Zielpunkt haben. Dabei geht er immer von der Briefftelle
aus, die er einigermaßen ihrem gefchichtlichen Sinne nach
anfaßt und auslegt. Der ganze Nachdruck feiner Arbeit
liegt aber auf der erbaulichen Seite. Dies gibt der Schrift
den Grundzug der Bibelftunden-Andachten. Es herrfcht
der Geift und der Ton der überkommenen Frömmigkeit
vor, ohne daß ein befonders bezeichnender perfönlicher
Zug fich dem Gedächtnis einprägte.

Ganz anders ift die Arbeit von Rump über Jefaia.
Sie gehört zu dem Mayerfchen Bibelwerk, das die Schrift
für das moderne Bedürfnis auslegen will. R. faßt feine
Aufgabe von klar und kräftig betonten Grundfätzen aus
an. Er zollt einer Mittelftellung feinen Tribut, indem er
das zeitgefchichtliche Verftändnis mit dem heilsgefchicht-
lichen verbindet. An jenes ift tüchtig Arbeit verwandt
worden; Orelli ift hauptfächlich fein Gewährsmann. Darum
ift R. in kritifchen Fragen recht konfervativ; auchJef. 40—66
geht mittelbar auf Jefaia zurück. Die Hauptfache ift ihm
das heilsgefchichtliche Verftändnis. Daß Weisfagung und
Erfüllung abfolut kongruent find, ift ein wichtiger Beweis
für Jefus Chriftus. Zumeift wird darum auch die erbauliche
Auslegung auf Jefus hingewandt. Oft tritt darüber
jede Ausdeutung des gefchichtlichen Sinnes ganz zurück.

vornherein in den Mittelpunkt der Religionswiffenfchaft. Überall herrfcht in der Anwendung der Wunfeh, ganz

Er bildet auch den Maßftab für die Wertung der ge- j nahe an Gegenwartsfragen und-Aufgaben heranzurücken.

Ichichtlichen Religionen; ihr Wert hängt nämlich davon i Dazu dienen .aktuelle' Überfchriften wie etwa,der „Chrift-

ab ,ob und in welchem Maße in ihr die Kategorien des i liehe" Staat; Religionslofe Sittlichkeit; das Wunder; Drei-

Eberfinnlichen, Unendlichen und Unbedingten in der An- einig? Überkultur und Emanzipation'. Sehr gefchic'kt und

Wendung auf die der religiöfen Anfchauung gegebene anfallend find im Geift der modern-pofitiven Theologie

Wirklichkeit eine Rolle fpielen' (S. 105). Dabei läßt fich ' die meiften der 90 Betrachtungen gehalten. Viele fchließen

zwar in keiner Weife eine Entwicklung innerhalb der ! mit einer Frage: ,Und du?'. Ein Regifter ftellt die be-