Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1913 Nr. 8

Spalte:

237-239

Autor/Hrsg.:

Buchner, Max

Titel/Untertitel:

Die Entstehung der Erzämter u. ihre Beziehung zum Werden des Kurkollegs m. Beiträgen zur Enstehungsgeschichte des Pairskollegs in Frankreich 1913

Rezensent:

Lerche, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

237

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 8.

238

fchrift ermöglichte es ihm auch, den Namen des Verfaffers
mit größerer Sicherheit zu beftimmen; bisher nannte man
infolge unrichtiger Lefung der dafelbft befindlichen Ergänzung
des im Texte allein vorhandenen Anfangsbuchstabens
E ihn Egilward; Bendel lieft aber Eingilhardvs =
Engelhard, und das ftimmt auch zu der Selbftcharakteri-
fierung nec nomine dignus, die der Verfaffer im Texte
gegeben hat. Er identifiziert ihn mit dem Abt des Be-
nediktinerklofters S. Burkard in Würzburg Engelhard, der
wohl als Mönch von St. Stephan dem Abt von S. Burkard
Pilgrim (j 1156) vielleicht zur Säkularfeier des Bistums
1151 diefe vita widmete. Sie ift für Burkards Gefchichte
von keiner Bedeutung, aber charakteriftifch für die Erbauungsliteratur
des 12. Jahrhunderts. Bendel hat die
kritilchen Fragen in der Einleitung forgfältig und um-
fichtig erörtert.

Kiel. G. Ficker.

Kien er, Priv.-Doz. Dr. Fritz: Studien zur Verfaffung des
Territoriums der Bifchöfe von Straßburg. 1. Teil. Die
Entftehung der Gebietsherrfchaft. (VIII, 149 S.) gr.8°
Leipzig, Quelle & Meyer 1912. M. 5 —

Der vorliegende Band ift ein gründlicher und wertvoller
Beitrag zur Erkenntnis des Werdegangs der geift-
lichen Fürftentümer in Deutfchland. Kiener untersucht
die Entftehung der ,Gebietsherrfchaft' der Bifchöfe von
Straßburg. Diefe Gebietsherrfchaft aber, im Mittelalter
auch ,Zwing und Bann' genannt, ift die wichtigfte Grundlage
der landesfürftlichen Gewalt. Die Gebietsherrfchaft
ift aus einer doppelten Wurzel entfproffen, einer öffentlichrechtlichen
und einer privatrechtlichen; und bei der Bloßlegung
diefer beiden Wurzeln zeigt es fich, daß fie felbft
wieder aus verfchiedenen Keimen hervorgegangen find.
Die Privatherrfchaft der Bifchöfe beruhte auf Leibherrfchaft
, Großgrundbefitz und Lehnshoheit, ihre öffentlich
-rechtlichen Befugniffe auf der Immunität und der
Erwerbung graffchaftlicher Unterbezirke (Hundertfchaften),
wozu noch die Benutzung der Immunitätsvogtei über
zwei Klöfter zur (widerrechtlichen) Aneignung diefer
Klöfter und ihres Gebiets kam. Die begriffliche Scheidung
sowie das tatfächliche Ineinandergreifen der verfchiedenen
Faktoren find klar und überzeugend herausgearbeitet.
Als befonders ergebnisreich darf der ausführliche Ab-
fchnitt über die Immunität (§ 4) angefprochen werden
wegen der eindringenden Unterfuchung über die Ver-
waltungsorganifation in den verfchiedenen Immunitätsbezirken
und über die Wirkungen des Wandels von der
urfprünglichen Immunitätsverwaltung im Namen des Reichs
zur fpäteren Immunitätsherrfchaft.

Zu drei Einzelheiteu mögen ergänzende Bemerkungen geftattet fein.
K. rechnet S. iS zu feiner eigenen Verwunderung heraus, daß jede der
vier oberrheinifchen Graffchaften (Xordgau, Sundgau, Ortenau, Breisgau)
etwa 50 oder noch mehr Hundertfchaften gehabt habe. Das kann aber
für die alte Zeit gewiß nicht gelten und weift darauf hin, daß fich diefe
L'nterbezirke im Lauf der Zeit, wie anderwärts, fo auch hier verkleinert
und vermehrt haben. So werden fich auch die auf S. 45 Anm. 3 angedeuteten
Schwierigkeiten löfen. Was ferner den Unterfchied anlangt, den
die Ebersheimer Chronik an der S. 27 zitierten Stelle zwifchen gehorchenden
' und ,knechtifchen' Zinsbauern macht, fo dürfte das auf den
Unterfchied zwifchen Grundeigenen und Leibeigenen herauskommen. Die
v°gte fchließlich waren nicht nur richterliche Beamte als Vertreter des
Grafen (S. 60, 73, 131), fondern vor allem Vermittler mit der weltlichen
Gewalt und Schützer des Kirchenguts (vgl. S. 146L). Daraus erklärt
nch die Bedeutung ihres Amts, das fie nur zu oft von Schützern zu Bedrückern
werden ließ, und das auch dem Bifchof von Straßburg die Aneignung
der beiden oben erwähnten Klöfter ermöglichte.

Straßburg i. E. Robert Holtzmann.

Buchner, Priv.-Doz. Max: Die Entftehung der Erzämter u.
ihre Beziehung zum Werden des Kurkollegs m. Beiträgen
zur Entftehungsgefchichte des Pairskollegs in Frankreich
. (Görres-Gefellfchaft zur Pflege der Wiffenfchaft
im kathol. Deutfchland. Sektion f. Rechts- u. Sozial-

wiffenfehaft. io. Heft.) (XXIV, 319 S.) gr.8°. Paderborn
, F. Schöningh 1911. M. 11 —

• B. ift auf diefem Gebiete durchaus kein Neuling
mehr. Eine Reihe von Auffätzen, die diefes Thema berühren
, find von ihm im Hiftorifchen Jahrbuch, in der
Feftfchrift für Grauert, in der hiftorifchen Vierteljahrs-
fchrift und in der Zf. der Savigny-Stiftung für Rechts-
gefchichte erfchienen. B.- hat fich den Ruf eines fleißigen,
vor allen Dingen den eines gewiffenhaften und gediegenen
Arbeiters erworben: diefer Ruf wird durch die vorliegende
Studie in hohem Maße verftärkt. Es ift weniger eine
große Reihe umftürzender Theorien und neufchaffender
Ergebniffe, die B. hier vorführt, als eine Anzahl fein-
linniger Beobachtungen und glücklicher Kombinationen,
die diefes faubere Buch zu einer höchft erfreulichen Er-
fcheinung machen. B. hat feftgeftellt, daß in dem auch
in letzter Zeit regen Streit der Meinungen um die Entftehung
des Kurrechts, das Kurrecht an fich, die Kurftimme
, daneben auch der Wahlvorgang als solcher die
Aufmerkfamkeit der Forfcher auf fich gezogen haben.
Die Wahlvorgänge, die Abgaben der Stimmen find für
jeden einzelnen Fall genau durchforfcht und ziemlich
fichergelegt. Dagegen hat man fich wenig befchäftigt
mit der Tätigkeit der Wahlfürften vor und nach der
Wahlhandlung. Hier fetzt die Arbeit B.s ein. Er ver-
fucht Hinweife zu geben auf einzelne für die Gefchichte
der Erzämter bedeutungsvolle Momente, welche von der
neueren Forfchung noch nicht herangezogen wurden.
So wird B.s Buch in der viel umftrittenen Frage nach
der Entftehung des kurfürftlichen Amtes zwar keine
Löfung, doch aber einen bedeutenden Fortfehritt dar-
ftellen in mehrfacher Hinficht. Zunächft wegen der
ftärkeren Betonung der Erzämter überhaupt, fodann
durch den Hinweis auf Frankreich, der eine Händige
Parallele zwifchen Frankreich und Deutfchland nach fich
zieht. Dazu kommt ferner die Heranziehung von bisher
wenig für diefen Zweck ausgefchöpften Quellen und
fchließlich eine neue eigenartige Interpretation anerkannt
wichtiger Quellenftellen.

Nachdem B. in der Einleitung nachgewiefen hat,
daß man von einem Erzamt-Archiofficium erft im zweiten
Viertel des 14. Jahrhunderts reden kann, behandelt er
die franzöfifchen Verhältniffe bei Wahl und Krönung des
Königs. Er ift dabei in der glücklichen Lage, fich auf
eigene und Schreuers Vorftudien (i. d. Zf. der Sav.-St.
für Rechtsgefchichte 1909. 1910 Germ. Abtl.) zu ftützen.
Wichtig ift, daß B. entfprechend dem päpftlichen Schreiben
über die Wahl von 1059 in dem Reimfer Protokoll
das deinde prägnant zum folgenden zieht und fo wohl
einwandfrei feftftellt, daß bei der franzöfifchen Königswahl
von 1059 die anwefenden Geiftlichen und die Vertreter
von Aquitanien, Burgund, Flandern und Anjou ein
Elektionsrecht ausübten, während alle übrigen Laien nur
als Laudatores fungierten (S. 20). Von Bedeutung ift
ferner, daß B. den Traktat Hugos von Clers de maioratu
et senescalcia Franciae comitibus Andegavorum collatis
aufs neue gründlich unterfucht und zu dem Ergebnis
kommt (S. 67 f.), daß 1158 der zweite Teil der Schrift
interpoliert ift. Ein Kern ift immer noch echt, der erfte
Teil aber ift glatte Fälfchung. König Ludwig VII. jedoch
erkennt die erweiterte Faffung der Schrift Hugos
an (S. 71 f.), die Grafen von Anjou — König Heinrich II.
von England — find Inhaber des Ehrenfenefchallats von
Frankreich. Von der Behandlung des Ehrendienftes und
der Krönungsinfignien (S. 78: Graf Theoderich von Flandern
als Schwertträger Kaifer Friedrichs I. Barbarofia)
! geht B. über zur Betrachtung der deutfehen Verhältniffe.
Notiert fei hier, daß der Herausgeber der hiftorifchen Zf.
Bd. 107 (1911) S. 421 ein Fragezeichen neben Buchners
Interpretation jener Stelle der Chronica S. Petri Erfor-
densis moderna fetzt, aus der B. das erfte Ehrenamt
perfönlich gebunden an den Inhaber eines deutfehen