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Ausgabe:

1913 Nr. 8

Spalte:

229-231

Autor/Hrsg.:

Kautzsch, Emil

Titel/Untertitel:

Biblische Theologie des Alten Testaments 1913

Rezensent:

Nowack, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 8.

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verweifen auf die intereffante Rezenfion Goethes über
Lavaters 1773 erfchienene Predigten über das Buch Jonas
und neben Bouffets Urteil, das er S. 32 zitiert, aufK. Äxen-
feld's Auffatz: ,Die jüdifche Propaganda als Vorläuferin
und Wegbereiterin der urchriftlichen Miffion' in den
Miffionswiffenfchaftlichen Studien, Feftfchrift zum 70. Geburtstag
G. Warnecks, Berlin 1904.

Königsberg i. Pr. Max Lohr.

Kautzfch, f Prof. D. Emil: Biblifche Theologie des Alten
Teltaments. Aus dem Nachlaß des Verf. hrsg. v. Paft.
Dr. Karl Kautzsch. (XV, 412 S.) gr. 8". Tübingen,
J. C. B. Mohr 1911. M. 8—; geb. M. 9 —

Es ift ein eigentümliches Gefchick, dem die Bearbeitung
der Altteftamentlichen Theologie unterworfen zu
fein fcheint: abgefehen von wenigen Arbeiten, welche
die Autoren felbft publiziert haben, find die meiften erft
nach dem Tode ihrer Verfaffer veröffentlicht: ich erinnere
an die Bücher von Dan. von Cölln, Haevernick, Ewald,
Oehler, Hitzig, Kayfer, Riehm, Dillmann, zu denen nun
auch Kautzfch hinzutritt, der bei feinem am 7. Mai 1910
erfolgten Tode ein für den Druck beftimmtes Manufkript
hinterließ, deffen von ihm in Ausficht genommene Durcharbeitung
ihm aber leider nicht mehr befchieden war.
Den Fachleuten ift diefe Arbeit freilich nicht unbekannt,
denn fie deckt fich im wefentlichen mit dem Artikel
Religion of Israel in dem von James Hartings und Rev.
Selbie herausgegebenen Dictionary of the Bible. Da
aber dies Buch nur fehr wenigen in Deutfchland zugänglich
fein dürfte, fo hat der Sohn des Verewigten mit
Recht diefe Arbeit der deutfchen theologifchen Welt
zugänglich gemacht. Er hat fich auf redaktionelle Änderungen
befchränkt und die den einzelnen Paragraphen
vorgefetzten Literaturangaben hinzugefügt, während das,
was im Text oder in Fußnoten zitiert ift, aus der eigenhändigen
Niederfchrift des Verfaffers flammt. Die einheitliche
Geftaltung der Umfchrift der hebräifchen Wörter
rührt von einem Schüler des Verf. her, der S. VII f. fein
Umfchriftfyftem darftellt.

Der ganze Stoff ift in fechs Kapitel gegliedert. Nach
einer Skizze der vormofaifchen Religion Israels, foweit
fich diefe aus den uns erhaltenen Andeutungen rekon-
ftruieren läßt, erörtert K. die Stiftung des Jahvismus
durch Mofe am Sinai, als deffen eigentliches Wefen K.
Henotheismus oder Monolatrie mit ftark fittlichem Charakter
anfleht, der freilich nicht in einzelnen Vorfchriften,
weder für den Kultus, noch für das foziale Leben durch
Mofe feine Ausprägung erfahren hat. Bei diefer Gelegenheit
erörtert K. auch die Frage der Mofaizität des
Dekalogs, ohne freilich zu einer Entfcheidung zu kommen.
Das dritte Kapitel zeichnet ein Bild des Jahvismus auf
dem Boden Kanaans in der vorprophetifchen Zeit. Er
zeigt, wie notwendig ein Synkretismus zwifchen Jahve
und Baal eintreten mußte, wie aber fchließlich Baal durch
Jahve überwunden wurde. In dem letzten Abfchnitt
diefes Kapitels: Anthropologifches und Weltanfchauung
behandelt K. die Scheolvorftellung, indem er zeigt, wie
neben der dem Jahvismus eigentümlichen Dichotomie
der menfchlichen Perfonlichkeit die von anderer Voraus-
fetzung ausgehende Scheolvorftellung eigentlich keinen
Raum hat, fie vielmehr ein Fremdkörper im Jahvismus
ift, der vielleicht auf babylonifchen Urfprung zurückgeht,
S- 178. Die Frage nach der Weltanfchauung des alten
Jahvismus gibt K. zugleich Gelegenheit, fich über den
für diefe Frage bedeutungsvollen Einfluß Babyloniens
zu äußern. So fehr ich dem Urteil zuftimme, daß diefer
von vielen erheblich überfchätzt ift, fo wenig fcheint es
mir freilich richtig, daß man die Frage aufwerfen könne,
ob nicht in manchen Perikopen anftatt von einer Anlehnung
und Nachahmung vielmehr von der Abficht
einer Polemik gegen die angebliche Vorlage geredet
werden müffe. Die diefer Meinung zugrunde hegende

Anfchauung dürfte nur in dem Kopf eines Gelehrten
exiftiert haben, nicht aber in dem wirklichen Leben eine
Realität gewefen fein. Das vierte Kapitel befchäftigt fich
zunächft mit Namen und Wefen der Schriftprophetie,
den Formen der den Propheten zuteil gewordenen Offenbarung
fowie den Formen der prophetifchen Verkündigung
, um dann eine Skizze des Inhalts der prophetifchen
Predigt zu geben. K. handelt 1. vom Gottesbegriff,
2. von dem Verhältnis Jahwes zu Israel, 3. von dem
Verhalten des Volkes gegen Jahve, 4. von der Stellung
der Propheten zu der Verderbnis des Volks und endlich
5. von der fogenannten meffianifchen Weisfagung. Der
letzte Paragraph fkizziert den äußern Entwicklungsgang
der Religion Israels im Zeitraum der vorexilifchen Pro-
phetie, eine Skizze, von der man zweifeln kann, ob fie
hier am Schluß des Kapitels an ihrer Stelle ift. Im
fünften Kapitel fpricht K. vom Prophetismus feit dem
Exil: naturgemäß nimmt die Darftellung Ezechiels und
des Deuterojefaja einen breiteren Raum ein, ebenfo behandelt
er die Zukunftserwartungen der exilifchen und
nachexilifchen Prophetie ausführlicher, während er mit
wenig Strichen die religiöfen, ethifchen und kultifchen
Vorftellungen diefer Zeit zeichnet. Das letzte Kapitel
ftellt die verfchiedenen Strömungen des Judentums dar:
die im Prieftergefetz, die in der lyrifchen und elegifchen
und die in der Chochma-Literatur. — Die Arbeit zeichnet
fich durch Klarheit der Ordnung des Stoffs und der
Darftellung aus. K. verlieht es, wiffenfchaftliche Akribie
mit religiöfer Wärme zu verbinden: klar wird die Eigenart
der religiöfen Frömmigkeit fowohl in ihrer Überlegenheit
andern Religionen des Altertums gegenüber, wie in
ihrer Befchränktheit und Unterchriftlichkeit herausgehoben.
Wie das bei K. nicht anders zu erwarten war, tritt uns
überall forgfam abwägendes Urteil entgegen, er begnügt
fich lieber mit einem non liquet, als daß er fich zu einem
abfprechenden Urteil verleiten ließe. Dem Verf. will es
faft Rheinen, als ob K. in feiner Zurückhaltung bisweilen
über das erlaubte Maß hinausgegangen wäre. Charakte-
riftifch dafür ift die Stellung von K. zum Dekalog Ex. 20:
hier fucht er dem Einwand, daß man Bedenken tragen
müffe, den Dekalog wegen der in ihm zutage tretenden
ausgebildeten fittlichen Anfchauungen an die Spitze der
Entwicklung zu Hellen, durch den Einwand zu begegnen,
daß nicht der ethifche, fondern der rechtliche Ge-
fichtspunkt im Vordergrunde fleht. Läßt fich das auch
von dem Verbot des Ehebruchs fagen, fo doch nicht
ohne große Künftelei von den Geboten der erften Tafel
und gar nicht von dem Verbot, fich auch nur in Gedanken
an dem Eigentum des Nächften zu vergreifen.
Betreffs des Bilderverbotes ift K. objektiv genug, anzuerkennen
, daß bis ins 8. Jahrh. niemand ein fo kate-
gorifches Verbot der Jahvebilder zu kennen fcheint.
K. hätte auch die Schwierigkeit, welche das Sabbatgebot
für die Mofaizität des Dekaloges bietet, herausheben
follen: mag auch die Frage der Entftehung des
Sabbats noch keine allgemein anerkannte Löfung gefunden
haben, fo fordert die andere Frage, wie es zu
erklären ift, daß feine Feier allein im Dekalog Erwähnung
gefunden hat, doch eine Antwort. Mit Recht wendet
fich K. gegen Eerdmans, der von den zehn Geboten
drei ftreichen und nur fieben der mofaifchen Zeit zu-
fchreiben will, aber er hätte doch angefichts der eben
herausgehobenen Momente und von feinen eigenen Vor-
ausfetzungen aus nicht auf ein beftimmteres Urteil verzichten
und nicht von der Möglichkeit der Mofaizität
Irgendwelcher Grundgeftalt des Dekalogs mit Abfehen
vom Bilderverbot' fprechen follen. Es fcheint mir nicht
ausgefchloffen, daß K., wenn er feine Abficht einer nochmaligen
Durcharbeit zur Ausfuhrung gebracht hätte, hier
wie an andern Stellen feine Anfchauung modifiziert bzw.
ein beftimmteres Urteil ausgefprochen hätte. Dahin
rechne ich auch die im ganzen vortreffliche Darfteilung
über die Scheolvorftellung. Während fich S. 78 der Ge-

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