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Ausgabe:

1913 Nr. 7

Spalte:

209-212

Autor/Hrsg.:

Ecke, Karl

Titel/Untertitel:

Schwenckfeld, Luther u. der Gedanke e. apostolischen Reformation 1913

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 7.

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nur S. 68 f., 87) angemerkt worden. Berichtigungen:
S. 60 Z. 6 hinter ludis: intersint einzufchieben; S. 63
Z. 12: ecclesiis(?); S. 64 Z. 10: festo; S. 69 Z. Ii: ipsi(f);
Anm. d: Montbach 58; S. 71 Z. 29: portatores (?); S. 78
Z. 15: aut; S. 79 Z. 29: abortum(?); S. 83 Z. 8: Extra-
vaganti; S. 85 Z. 35 hinter invenitur: in iure(?); S. 86
Z. 33: vor corrodatur einzufchieben locus (?); S. 87 Z. 20:
vor heretico einzufchieben ignoranter (?); S. 88 Z. 17:
nach Leonem einzufchieben papam (?); S. 90 Anm. q Z. 2:
premisse [(?) = s. Hartzheim und Montbach].

Ein Anhang enthält die bisher unbekannten und
ungedruckten kurzen Protokolle der Breslauer Diözefan-
fynoden vom 15. Oktober 1418 und 14./15. Januar 1423
(letzteres verbunden mit dem fchon wiederholt gedruckten
Anfangs- und Schlußprotokoll der Provinzialfynode von
Willun-Kalifch v. 25. September 1420) fowie erftmalig
nach den vatikanifchen Regiftem feftgeftellt den Wortlaut
der fchon früher gedruckten Bulle Eugens IV. vom
21. VII. 1445, in der die Refignation Bifchof Konrads
für ungültig erklärt wird.

Eine gefchichtliche Einleitung (S. IX—XX) und zahlreiche
erläuternde Anmerkungen zum Text erhöhen den
Wert, ein Regifter die Brauchbarkeit der Publikation.
Berichtigung: S. X Z. 7: 1439. Überdies hätte es fich
empfohlen, in dem Zitat S. XV Anm. 1 anzudeuten, daß
es fich nur um das Ende eines Satzes handelt, und in
der Anm. 3 S. 17 auf die bei Schmeidler, Die ev. Haupt-
und Pfarrkirche zu St. Elifabeth, Breslau 1857, S. 16 wiedergesehene
Originalurkunde zurückzugehen, nach der eine
Kirchenfchenkung, keine Übertragung von .Patronat und
Seelforge' in Frage fteht.

Leipzig. E. Jacobi.

Ecke, Liz. Karl: Schwenckfeld, Luther u. der Gedanke e.
apoftolilchen Reformation. (XIII, 345 S. m. 1 Bildnis.)
gr.8°. Berlin, M. Warneck 1911. M. 7 —; geb. M. 8 —

Bei der den Täufern und Spiritu.diften der Reformationszeit
zuteil gewordenen neuen Wertung konnte es
nur eine Frage der Zeit fem, daß auch Caspar Schwenckfeld
wieder in den Gefichtskreis der kirchen- und dogmen-
hiftorifchen Forfcher trat ; im ,Theologifchen Jahresberichte'
hatte ich ihm fchon feit längerem eine Auferftehung
prophezeit, und das von den amerikanifchen Schwenck-
feldern mit bewundernswerter Opferfreudigkeit herausgegebene
Corpus Schwenckfeldianorum mußte neben
der allgemeinen geiftesgefchichtlichen Situation anregend
wirken. So kommt die von Heinrich Böhmer in Bonn
(jetzt in Marburg) angeregte Monographie Eckes nicht
überrafchend, und es fei von vornherein bemerkt, daß
fie eine gründliche und forgfältige Arbeit bedeutet, die
auch die Mühe der Heranziehung des handfchriftlichen
Materials nicht gefcheut bat und der Gefchichte Schwenck-
felds auch einen Abriß der Schwenckfeldergefchichte
beifügte, die freilich ein wenig fehr ftark mit dem Abdruck
von (allerdings feltenen) Quellenauszügen arbeitet.
Eckes Buch wird die Grundlage der kommenden
Schwenckfeldforfchung bilden; daß aber diefer noch
manches zu tun übrigbleibt, und daß fie auch an Eckes
Ausfuhrungen allerlei korrigieren wird, ift ficher. Ab-
ichließend und erfchöpfend ift diefe erfte größere
Schwenckfeldbiographie nicht, wohl aber ein fehr erfreulicher
und dankenswerter Anhub.

Nach einem eingehenden Überblick über die Literatur
und den gegenwärtigen Stand der Schwenckfeldforfchung
, dem fich ein Verzeichnis der handfchriftlichen
Beftände anfchließt, fetzt E. ein mit einer Prüfung der
.grundlegenden Faktoren in der eigentümlichen inneren
Entwicklung des fchlefifchen Edelmanns' und rückt mit
Recht Luther in den Vordergrund, zu dem Schw. ein
.dauernd pofitives perfönliches Grundverhältnis' hatte.
1551 hat Schw. felbft in intereffanter Weife die Artikel
zufammengeftellt, in denen er mit Luthers Anhängern

übereinftimmte (S. 38); deutlich fpürt man aber das
einigende Band im Kampfe gegen Rom, die Artikel find
fämtlich antithetifch gegen Rom gerichtet; in der pofi-
tiven Ausgeftaltung des reformatorifchen Glaubensideales
war die Übereinftimmung nur eine gebrochene. Als
.zweites Hauptmotiv' der Schw.fchen Lehrbildung wertet
j E. das Schriftprinzip, im letzten Grunde nur ein Spezifi-
kum des Lutherfchen Einfluffes (S. 42), fo fehr es geeignet
war, fich über die Autorität Luthers zu ftellen.
Das .dritte konftitutive Element' war ein perfönliches
Heilserlebnis von 1527, das ihn ,in eine neue Atmofphäre
religiöfen lükennens, Erlebens und Handelns erhob'
(S. 52) und ihm die Gegenwart des glorifizierten Chriftus
garantierte. Wenn nun aus diefen drei Faktoren fich
Schw.s Gedankenwelt zufammenfetzte, fo treibt der
Biblizismus ihn zunächft zur Kritik an kirchlichen Miß-
ftänden innerhalb der Reformation; er eifert gegen ein
falfches Verftändnis der Lutherfchen Rechtfertigungs- und
Willensunfreiheitslehre; auch wird ihm die Taufe und
das Maffenabendmahl ein Problem. Pofitiv begründet er
(Kap. s) eine Gemeinfchaft, die fich immer mehr von
Luther entfernte, je ftärker bei diefem fakramental-katho-
lifierende Tendenzen fich zeigten. Die anfänglichen
Sympathien der Zwinglianer zu Schw. — fie find übrigens
vermittelt worden durch Matthias Winkler, wie ein noch
unbekannter, in der neuen Zwingli-Ausgabe zu veröffentlichender
Brief Zwingiis an Crautwald, Schw. und die
Brüder in Schlefien vom 17 April 1526 dartut — diskreditierten
ihn natürlich bei Luther, er felbft aber ,war
fich bewußt, das damals allgemein, felbft von den Wiedertäufern
akzeptierte apoftolifche Reformationsideal am
konfequenteften zu vertreten'(S. 94) E fucht nun in einem
zweiten Teil das Kirchenideal Schw.'s klar zu machen.
.Orientierender Gefichtspunkt' ift Luthers Grundgedanke
vom unfichtbaren Organismus des Leibes Chrifti, aber in
der praktifchen Frage: wie zeigt und geftaltet fich der
Leib Chrifti in diefer Welt? geht Schw. eigene Wege.
Er fetzt die Gemeinfchaft an die Stelle der Volkskirche,
aber er realifiert fie nicht als Gemeinde der Heiligen,
fondern läßt den Geift Organifationsprinzip fein (f. über
die hier bei E vorliegende Unklarheit unten). Lediglich
durch göttliche Kraft wird im Einzelnen das neue religiöfe
Leben gezeugt, und gekräftigt durch beftändige .herzerquickende
Lebenszuflüffe aus der oberen Welt' — ,man
kann fich den Realismus Schws. nicht ernfthaft genug
vorftellen' (S. 128) —, zu deren .Veranfchaulichung' Taufe
(natürlich nur Envachfenentaufe) und Abendmahl dienen
(letzteres als Gemeindemahl der Bekehrten). Jede fakra-
mental-dingüche Faffung ift dabei ausgefchloffen, die
Geiftwirkung kann fich aber mit diefen äußeren Formen verbinden
, in der Taufe, fofern Geiftesempfang mit dem Waffer-
bade fich verknüpft, im Abendmahl, fofern eine reale Verbindung
mit dem auferftandenen und verklärten Herrn erzielt
wird (vgl. aber auch hierzu unten). Natürlich weiß Schw.
feine .Kirche' als apoftolifch und gibt dafür auch die übliche
hiftorifche Begründung. Seit der Zeit der Apoftel
gab es einen großen Abfa'l, Luther beginnt wieder eine
Aufwärtsentwicklung, blieb aber auf hadbem Wege flehen,
wie eine fcharfe Kritik des Reformators, fpeziell feiner
Rechtfertigungs- und Prädeftinationslehre (f. o) erweift:
die Stufe des biblifchen Chriftentums ift im damaligen
Luthertum nicht erreicht, man darf apoftolifche Kirche
und ftaatliche Maffenanftalt nicht verwechfeln, Luther
ift ,dem Baue der Papillen nachgefaren' (S. 196). In ähnlicher
Weife zeigen nach Schw. auch die reformierten
Volkskirchen unapoftolifcheZuftände, ihrGrundfehlerifteine
mangelnde Unterfcheidung zwifchen A. und N. T. Und felbft
das .gottesfürchtigs Völklein' der Täufer verfällt in ein .neues
Judentum' — es ift intereffant zu fehen, wie ftark bei
1 Schw.'s Polemik gegen die Täufer die Lutherfche Grund-
I läge feiner Theologie doch wieder heraustritt, wenn der
] Bekämpfer der Prädeftinationslehre, die doch nur die
logifche Konfequenz der reformatorifchen Sündenlehre ift,