Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1913 Nr. 7

Spalte:

206-207

Titel/Untertitel:

Bibliotheca hagiographica orientalis ediderunt socii Bollandiani 1913

Rezensent:

Jaeger, C.

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

205

Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 7.

206

lange Agonie und das Ende unter der Herrfchaft der
Vandalen, der Byzantiner und der Araber in Afrika.
Auch die geographifche Ausdehnung und numerifche
Stärke des Donatismus, feine verfchiedenen Schattierungen
und Zweige, feine kirchliche Verfaffung und Verwaltung,
leine Liturgie und fein kirchliches Leben werden vorgeführt
, fowie die tieferen Gründe feiner Entftehung,
feine gefchichtliche Stellung und Bedeutung gezeichnet.

Mit Recht wird dabei auf Cyprian zurückgegangen,
auf den fich die Donatiften gerne beriefen, deffen Bibel —
zu S. 154L wäre an v. Soden, Das lateinifche NT in
Afrika zur Zeit Cyprians (Leipzig 1909) zu erinnern —
fie beibehielten. Diefer Zufammenhang dürfte fogar noch
fchärfer herausgehoben werden, als M. es getan hat.
,Die Donatiften find im Grunde, wie fchon Vincentius
von Lerinum (Commonit. c. 6, al. 11) richtig gefehen hat,
im Grunde nichts anderes als die alte cyprianifche Ana-
baptiftenpartei mit ihrem eigenen tertullianifch-cypria-
nifchen Kirchen- und Sakramentsbegriff1. Mit Recht
werden unter den Charaktermerkmalen der afrikanifchen
Chriften ihre Frömmigkeit und Intranfigenz, ihr Konfer-
vatismus und Lokalpatriotismus, ihr Anfpruch, ihre kirchlichen
Angelegenheiten felbft zu ordnen, aufgeführt, ein
Anfpruch, den fie fchon zur Zeit Cyprians erhoben und
zum Teil noch zur Zeit Auguftins feilgehalten hätten
(S. 165). Nur darf dabei nicht überfehen werden, daß
diefer Anfpruch eben mit ihrem Konfervatismus und
Traditionalismus aufs engfte zufammenhing und nur deshalb
mit der Zeit auffiel und fie von andern Abendländern
unterfchied, weil diefe vor ihnen den Anfprüchen
Roms nachzugeben und damit auf die alte Selbftändig-
keit zu verzichten begonnen hatten. Auch im Kirchen-
und Sakramentsbegriff der Donatiften zeigt fich, wie
fchon angedeutet, der afrikanifche Konfervatismus: ihr
Sakramentsbegriff ift der cyprianifche, ihr Kirchenbegriff
der vorcyprianifche, der als Unterftrömung weiterlief,
während Cyprian felbft im Kirchenbegriff den Wandel
der Zeit mitgemacht, im Sakramentsbegriff die alte
Strenge bewahrt hatte, wenn er zwar eine Mifchung von
Reinen und Unreinen in der Kirche gelten ließ, die
Gültigkeit der Sakramente aber vom Geiftesbefitz und
der Würdigkeit des Spenders abhängig machte, alfo die
urfprüngliche Heiligkeit der Gefamtkirche auf das Priefter-
tum einfchränkte, diefe aber für unbedingt notwendig
erachtete — zu einer Zeit, als man von Rom her (feit
Kailift) auch fie fchon preisgegeben und die Heiligkeit
der Kirche aus dem Perfönlichen ins Dingliche übertragen
hatte. Darum halte ich auch eine Unterfuchung darüber,
ob die Donatiften nur Schismatiker oder zugleich Häretiker
gewefen feien (S. 160 ff), für ziemlich überflüffig,
da diefe von einer fertigen kirchlichen Dogmatik gelieferten
Stempel gänzlich verfagen bei Kämpfen, in
denen altüberlieferte und neu fich bildende Begriffe zu-
fammenftoßen, und für Zeiten, wo die Entwicklung noch
in haftigem Tempo verläuft. Dagegen ift die den Donatismus
aufs heillofefte kompromittierende Allianz mit dem
,afrikanifchen Jakobinertum' gut gewürdigt (S. 180ff.).
Sie war auch der Grund, warum ein Auguftin feine bisherigen
Prinzipien änderte und für Polizeimaßregeln plädierte
. Vorzüglich ift endlich der Hinweis auf den
tertius gaudens bei diefem Bruderkampf in Afrika, Rom.
,Seule, la papaute a tire profit du schisma africain, qui
a favorise ses ambitions en diminuant la resistance de
la glorieuse Eglise africaine, en forcant la Carthage catho-
lique, jadis animee d'un si vif esprit d'independance, ä

1) Als ich diefen Satz bei Bardenhewer, Gefch d. altkirchl.
Literatur III (1912) 488, wo er ohne Anführungszeichen fleht, las, kam
er mir ziemlich bekannt vor, obwohl diefe beftimmte Formulierung zugleich
mit der Berufung auf den Mönch von Lerinum nicht alltäglich
ift. Bardenhewer hat ihn aus meiner Befprechung des Kompendiums
von Heuffi in der Theol. Revue 190S, 413 genommen und — nach
meinen Beobachtungen übrigens nicht in diefem Falle allein — Anführungszeichen
und Hinweis vergeffen.

solliciter,- l'appui :'de Rome. De Cyprien ä Augustin,
d'Augustin ä Gregoire le Grand, on mesure aisement les
etapes de la Suprematie romaine en Afrique. A ce recul
de Carthage devant Rome, il y eut sans doute bien des
causes: mais l'une de ces causes est la folie fratricide
du Donatisme' (S. 192). Rom hat es eben von jeher
verftanden, die Schwäche der Brüder auszunützen und
fich für geleiftete Hilfe bezahlen zu laffen. Übrigens
mußte die afrikanifche Kirche, die auch in den Zeiten
der Schwäche und des Niederganges ihre große Vergangenheit
doch nie ganz vergeffen konnte, erft von der
Bildfläche verfchwinden — und wie leicht war es den
Arabern gemacht, das durch fo lange Kämpfe zerriebene
Land zu überwältigen! —, ehe das Papfttum mit Hilfe
der gefchichts- und traditionslofen Germanen das werden
konnte, was es geworden ift.

Der zweite Teil (S. 192—4S4) behandelt die Ge-
fchichtsquellen des Donatismus, nämlich die donatiftifchen
oder auf den Donatismus fich beziehenden Schriftftücke,
die Akten der donatiftifchen und antidonatiftifchen Konzilien
, endlich die epigraphifchen Zeugniffe. Beigegeben
ift ein forgfältiges chronologifches Verzeichnis der von
Donatiften flammenden oder gegen den Donatismus gerichteten
Schriftftücke, worin auch die literarifchen
donatiftifchen und antidonatiftifchen Werke, die erft im
kommenden Bande dargeftellt werden, bereits Aufnahme
gefunden haben. Das Ganze ift demnach die ausführ-
lichfte und eingehendfte Gefchichte des Donatismus, die
wir befitzen. Wer immer fich mit einer hier einfchlagen-
den Frage befchäftigen wird, muß künftig nach diefem
Werke greifen. Schade, daß die Franzofen fich faft nie
zu einem Namen- und Sachregifter entfchließen können.

München. Hugo Koch.

Bibliotheca hagiographica orientalis ediderunt socii Bollan-
diani. (Subsidia hagiographica 10.) (XXIII, 288 p.)
Bruxellis apud editores 1910. M. 16 —

Was Ph. Meyer (Th. L. 1895 Sp. 108—110) und
G. Anrieh (Th. L. 1910 Sp. Ö24f.) von Delehayes Bibl.
Hagiogr. Graeca gerühmt haben, darf mit vollem Recht
auch von der im Auftrag der Bollandiften von P. Peeters
herausgegebenen Bibl. Hagiogr. Orientalis ausgefagt werden.
Zu 512 Heiligen oder Heiligengruppen hat der gelehrte
und fleißige Verfaffer alle bis 1910 in fyrifcher, armeni-
fcher, koptifcher, arabifcher und äthiopifcher Sprache veröffentlichten
Texte — es find 1264 Nummern — namhaft
gemacht, von einer weifen Einfchränkung des Begriffs
,hagiographifch' ausgehend, die bei der außerordentlichen
Fülle des Stoffs vonnöten war. Gern hätten wir in einer
Bibl. Hagiogr. Orientalis die beiden fonderbarften unter
den im Orient, fpeziell in Abeffinien, in Anfehn flehenden
chriftlichen Heiligen erwähnt gefehen, nämlich Alexander
den Gr. und Pilatus. (Vgl. E. A. Wallis Budge, The life
and exploits of Alexander the Great, Vol. I. The Ethio-
pic Text, London 1896, und zu Pilatus: Margaret Dunlop
Gibson, Studia Sinaitica No. V, Apocrypha Sinaitica, London
1896.) Auch darf der Wunfeh geäußert werden,
daß fpäter, wenn einmal das äthiopifche und das koptifch-
arabifche Synaxar vollftändig im Druck vorliegt, das
hierin gebotene Material ebenfalls Verwertung finden
möge. Die Heiligen find, foweit dies möglich war, datiert;
dabei wäre Tacla Haimänöt beffer in das 13. ftatt in das
14. Jahrhundert gefetzt worden, da feine Tätigkeit in die
zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts fällt.

Das Buch bietet einen lehrreichen Überblick über
die bisher auf dem Gebiet der orientalifchen Hagiologie
geleiftete Arbeit. Bei weitem die meiften Beiträge liefert
das Syrifche; ihm folgt das Armenifche und, in weitem
Abftand, das Koptifche, das Äthiopifche, endlich das bis
jetzt am wenigften beackerte Feld, das Arabifche. Wie
in der griechifchen Hagiographie, fo fleht auch hier die
Jungfrau Maria mit 70 Nummern an der Spitze. Allein