Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1913 Nr. 6

Spalte:

184

Autor/Hrsg.:

Sorley, W. R.

Titel/Untertitel:

The Moral Life and Moral Worth 1913

Rezensent:

Mayer, Emil Walter

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

183 Theologifche Literaturzeitung 1913 Nr. 6. 184

der zweite Teil als felbftändiger Abfchnitt gelten foll,
nimmt fich etwas fonderbar aus, fobald man iich davon
überzeugt, daß F. auch in den übrigen Lehrftücken den
Boden der chriftlichen Erfahrung zu behaupten ftrebt.
Endlich umfaßt der 3. Teil, neben dem Titel des Gottesreichs
, eine beträchtliche Zahl von Gegenftänden, von
denen man sich fragen muß, aus welchem Grunde fie
unter jenen Allgemeinbegriff fubfumiert werden. In Summa,
es kann nicht in Abrede geftellt werden, daß die Struktur
diefes Grundriffes manches zu wünfchen übrig läßt.

Was den Inhalt anbelangt, fo will der Vf. offenbar
ein im bellen Sinne milder Vermittelungstheologe fein,
der einen theologifchen, im allgemeinen auf Schleiermacher
zurückgehenden, aber auch mit anderen Richtungen
in Fühlung bleibenden Eklektizismus vertritt. Er
bewegt fich vorwiegend in den Bahnen des bei unfern
franzöfifchen Nachbarn zu befonderem Erfolg gelangten
Symbolo-Fideismus, vertritt denfelben aber nicht mit
der ungebrochenen Kraft und der jugendlichen Be-
geifterung, die der ehrwürdige Prof. Menegoz in den
Dienfit der von ihm ausgebildeten und mit Vorliebe gepflegten
Theorie Hellt.

F. enthält fleh jeder Literaturangabe. Man wird
diefen völligen Verzicht auf bibliographifche Unterweifung
bedauern dürfen. Selbftverftändlich wäre eine Aufzählung
von Namen und Werken, ohne befondere Charakteriftik
und Kritik, wertlos gewefen. Dagegen würde aber in
doppelter Hinficht ein literarifcher Nachweis lehrreich
gewefen fein: wo der Vf. fich ausdrücklich oder ftill-
fchweigend mit anderen Anflehten auseinanderfetzt, oder
wo er hoffen konnte, daß andere Schriften feinen eigenen
Standpunkt noch zu ergänzen und zu begründen imftande
find, da wäre gewiß eine den Kapiteln oder felbft einzelnen
Paragraphen beigegebene Literaturüberficht am Platze
gewefen.

F. hat feinen Grundriß zunächft auf die Bedürfniffe
feiner Zuhörer berechnet; dadurch aber, daß er ihn der
Öffentlichkeit übergibt, muß er auf die Kritik weiterer
Kreife gefaßt fein. Diefe Kritik wird ihm hoffentlich zu
einer feinem eigenen Ziel entfprechenderen Ausarbeitung
feines Leitfadens verhelfen. Den bellen Anlaß zu einer
folchen werden ihm die Erfahrungen geben, die er bei
dem Halten der Vorlefungen auf Grund feines Entwurfes
machen wird. Möge es ihm gellattet fein, durch wiederholtes
Vortragen des von ihm behandelten Stoffs, diefen
Grundriß einer immer höheren Vollendung entgegen zu
führen!

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Johnlen, Superint. Oberpfr. Wilhelm: Homo sapiens. Das

Menfchproblem, beleuchtet. (138 S.) 8°. Gütersloh,
C.Bertelsmann 1912. M. 1.50

Holzapfel, D. P. Heribert, u. Dr. P. Otto Keicher:
MoniftiFche u. chriFtliche WeltanFchauung. Religiös-wiffen-
fchaftl. Vorträge. (IV, 104 S.) 8°. München, J.J. Lentner
1912. M. 1 —

Je ein Mufter von evangelifcher und katholifcher
Apologetik, darum nicht nur an fich intereffant, fondern
auch für den vergleichenden Blick. Johnfen geht energifch
der angeblichen wiffenfchaftlichen Begründung des Monismus
, dem Darwin-Haeckelfchen Deszendenzdogma zu
Leibe. Er hat ftudiert und gedacht, darum faßt er
Haeckel fehr gefchickt und erfolgreich an. Man bekommt
keine Alltagsware vorgefetzt, fondern manche neue Tatfache
und Idee. Beffer ift die Kritik als die eigne An-
fchauung; ich weiß z. B. mit dem Satz, daß der Menfch,
ftatt mittels der gefchlechtlichen Zeugung von den Primaten
zu flammen, von dem Mutterfchoß der Erde bis
zur Reife ausgetragen fei, nichts anzufangen. Aber fonft
fehlt es dem Buch nicht an der Komik, daß der Theologe
mit Tatfachen und Gedanken naturwiffenfehaftlicher Art

j dem Naturdogmatiker das Heft aus den Händen fchlägt.

j Als Hilfsmittel und Mufter populärer Apologetik fehr

: empfehlenswert.

Die beiden Franziskaner rechnen gründlich und vor-

j nehm mit dem modernen Monismus ab. Den Grundfehler
alles modernen Denkens finden fie natürlich in

> Kants Leugnung des Kaufalitätsgefetzes als eines objektiven
Weltgefetzes. Für fie reicht diefes Gefetz in das
Transzendente hinein, und die Abneigung des falfchen
Willens allein hindert unfere Zeitgenoffen, diefer Verteidigung
des Gottesglaubens zuzuftimmen.

Heidelberg. F. Niebergall.

Sorley, Prof. W. R., Litt. D., LL. D., F. B. A.: The Moral
Life and Moral Worth. (V, 147 S.) kl. 8». Cambridge, -
University Press 1911. s. 1—

Der Verf. erfreut fich eines gewiffen Rufs bei feinen
Landsleuten. Was er hier bietet, ift ein kurzes Kompendium
der Ethik in populärer Form. Inbezug auf den
Urfprung der Sittlichkeit begnügt er fich mit dem Hinweis
darauf, daß fie in irgend welcher Geftalt ftets ein wichtiger
Faktor des menfehlichen Lebens gewefen fei, daß fie
von Haus aus mit der Sitte zufammenfalle, daß fie, obwohl
bei den verfchiedenen Völkern verfchieden, doch auch
mehr oder weniger konftante Elemente enthalte, daß fie
fich allmählich von der Sitte losgelöft habe und reine
Gefinnungsfache geworden fei. Den größten Teil des
Buchs füllt dann eine Befchreibung der geltenden fitt-
lichen Ideale in Form einer Tugendlehre aus. Die wich-
tigften Tugenden, die unterfchieden werden, find: Mäßigkeit
, Mut, Weisheit, Gerechtigkeit, Wohlwollen. Die Bedeutung
der Religion befteht darin, daß fie dem fittlichen
Leben Einheit verleiht, indem fie deffen letztes Ziel benimmt
, und Kraft gewährt diefem Ziele nachzuftreben.

Der Autor geht von der befcheidenen aber gefunden
Vorausfetzung aus, daß die Wiffenfchaft als folche keine
fittlichen Ideale zu erzeugen fondern nur fie zu fchildern
und deutlich herauszuarbeiten vermöge. Ohne befonders
tief zu gehen, ift die Darftellung ebenfo klar und an-
fprechend als fchlicht und anfpruchslos. Durch eine Reihe
eingeflochtener gefchichtlicher Notizen wirkt fie anregend
und unter Umftänden auch belehrend.

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

Niebergall, Prof. D. Frdr.: Praktifche Auslegung des Alten
Teltaments. Methodifche Anleitg. zu feinem Gebrauch
in Kirche u. Schule. Im Anfchluß an ,Die Schriften
des Alten Teftaments' in Auswahl. (In 3 Bdn.) 1. Bd.:
Weisheit u. Lyrik. Mit Namen-, Sach- u. Stellenregifter.
(VIII, 406 S.) Lex.-8°. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
1912. M. 8—; geb. M. 9.20

Merklich unterfcheidet fich die .Praktifche Auslegung
des A. T.', deren erfter Band hier vorliegt, von dem was
herkömmlich unter diefer Bezeichnung geboten zu werden
pflegt. Niebergall verzichtet darauf; den Wortlaut der
Atlichen Schriften im Zufammenhange fei es in Luthers,
fei es in einer eigenen Überfetzung feinen Ausführungen
voranzuftellen. Er wählt (in der Spruchweisheit) einzelne
Stellen für die Erörterung aus; er verteilt die Pfalmen
nach Inhaltsgruppen. Er verzichtet ebenfo auf eine exe-
getifche Feftftellung des Wortfinns, und auf die Bemühung,
diefer die praktifchen Gedanken fo an- oder einzufügen,
daß fie den Charakter oder doch den Anfchein natürlicher
Folgerung aus jenen gewinnen. Er fetzt die Einzelexegefe
voraus oder erfetzt fie (bei den Sprüchen) durch Mitteilung
der Überfetzung eines Exegeten der Gegenwart. Der
Begriff .Auslegung' ift ihm fo wenig eine ftrenge Fefiel,
daß er mehr als einmal den Sachverbalt feftftellt, daß für
die praktifche Behandlung der einen oder anderen Alt-
teftamentlichen Auslage die Kunft der Einlegung unent-