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Ausgabe:

1912

Spalte:

173-175

Autor/Hrsg.:

Deimel, Theodor

Titel/Untertitel:

Christliche Römerfunde in Carnuntum. Kirchengeschichtlich-archäologische Studie 1912

Rezensent:

Kubitschek, Wilhelm

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kirchengefchichtl. Periode Niederöfterreichs zur Zeit
der Römerherrfchaft. (Studien und Mitteilungen aus
dem kirchengefchichtl. Seminar der theolog. Fakultät
der k, k. Univerfität in Wien. 8. Heft.) (VIII, 6o S.)
gr. 8°. Wien, Mayer & Comp. 1911. M. 1.20

zweite Beifpiel ift unglücklich gewählt, denn was einmal im Papierkorb I yQr ef-wa 14 Jahren habe ich durch einen befbnderen

ift kommt nicht wieder an die Öffentlichkeit ift aber das ,fehr fchhechte Vorfall mi h veranlaßt „efehen, in den Blättern des Vereins

Gedicht' emmal veröffentlicht, fo gilt J.'s e.gener Satz (S. ^..Schreibt ^ Landeskunde yQn Ntederöfterreich l897, l68-l88, der

unter Laien und Halblaien verbreiteten Meinung entgegenzutreten
, daß aus gewiffen Schriftmalern das chrift-

Kunflform abgefallte Schrifttum'. Jordan erfcheint diefe Begiiffsbeflim-
mung als teils zu eng, teils zu weit. Zu eng: denn z. B. Bismarcks
Briefe an feine Braut und Gattin feien auch Literatur (nämlich geworden,
und das ift richtig); zu weit: denn nach Deißmanns Beßimmung ieien
wir ,gezwungen, etwa das von dem Verfaffer für die Öffentlichkeit Le-
fVimmte fehr fchlechte Gedicht, das glücklicherweife der Redakteur im
Papierkorb verfchwinden läßt, zur Literatur zu rechnen' (S. 2k Das

einer ein fchlechtes Buch, fo liefert er doch einen Beitrag zur Literatur'
J. felbft definiert (S. 3): ,Zur Literatur gehören folche veröffentlichte[nj
Schriftwerke, die mindeftens an einem Punkte in formaler oder inhaltlicher
Hiuficht das felbftändige Geifiesprodukt des Schreibers find', j jjcge Glaubensbekenntnis rönrtfcher Bevölkerung Nieder

Aber wie fleht es bei diefer, übrigens rechtverklaufeltenUehnitionz.il. 1 • , __>___,__r. ,-». t t_„„ii: er. ~1-^n ^.'„o,- Siblin

mit den Katenen und FloriiegienT die J. doch auch behandelt? Auch ofteireichs erkennbar fei. Die Unanlaffigkeit einer dahin

die Infchriften insgemein als Literatur zu betrachten, fcheint mir gewagt,
wenn man auch zugeben wird, daß des Damafus ,Epigrainme zur (Ge-
fchichte der] chriftlichen Poefie gehören' (S. 451). Indeffen ich verzichte
auf weitere Erörterung. Der eigentümliche Charakter gerade der
chriftlichen Literatur erfchwert eine durchaus paffende Definition. Sonft
würde ich etwa vorfchlagen: Literatur ift das für die Öffentlichkeit be-
ftimmie oder aufgenommeue Schrifttum, daß den Charakter eigener 11er-
vorbringung trägt.

Sodann: Kann man überhaupt, wiffenfchaftlich ge-
fprochen, von einer Gefchichte der altchriftlichen Literatur
reden? Hat fie ,eine felbftändig (nämlich gegenüber
der antiken Literatur der nachchriftlichen Zeit) darzustellende
Entwicklungslinie (Jordan S. 12) gehabt'?

Wilamowitz hat in der ,Kultur der Gegenwart' kurzweg von den
,Scheuklappen der chriftlichen Literaturgefchichte' geredet. Eine Gefchichte
der chriftlichen Literatur der erften Jahrhunderte habe ,im
Grunde genau die Berechtigung, wie eine Gefchichte der katholifchen
Literatur feit dem Tridentinum'; die altchriftliche Literatur liege völlig
im Strome der helleniftifchen Kultur und Literatur. Ich freue mich der
Entfchiedenheit, mit der J. diefer falfchen Auffaffung entgegengetreten
ift, die gerade auch uuter dem Gefichtspunkt der Form (vom Inhalt ift's
ja ohnehin felbftverftändlich) keine Berechtigung hat. Nicht nur, daß
das Chriftentum neue literarifche Formen hervorgebracht hat, es hat
auch, wie J. (S. 15) richtig ausführt, die von ihm übernommenen Formen
,wenigftens zum Teil' (und das genügt hier) in einer Weife mit feinem
Geifte durchtränkt, daß oft direkt etwas Neues daraus geworden ift'.
Daß die ,literarifchen Entwicklungslinien chriftlicher und außerchriftlicher
Literatur mehr und mehr identifch wurden, feit das Chriftentum . . alle
Gebiete des antiken Lebens eroberte', ift natürlich richtig; aber die
Tatfache, daß fchließlich ,fich eben alles in einer antiken chriftlichen
Literatur vereinigte, deren Erbe das Mittelalter antrat', fleht mit der
Möglichkeit, eine Gefchichte der altchriftlichen Literatur zu fchreiben fo
wenig in Widerfpruch, daß diefe vielmehr von jener erft ihre richtige
Beleuchtung erhält.

Es ift vielleicht nicht überflüffig, zu betonen, daß
hinter der Bejahung der von mir geftellten Frage nicht
fo etwas wie ein ,Dogma von der altchriftlichen Literaturgefchichte
' fteckt. Die Dinge liegen hier nicht fo
wie beim ,Dogma vom Neuen Teftament', gegen das ich
1896 zu Felde ziehen mußte. Damals galt es der Fehde
gegen die unwiffenfchaftliche Beeinträchtigung des literar-
gefchichtlichen Verftändniffes durch Vorausfetzungen, die
der Kanonsgefchichte oder gar der Infpirationstheorie
angehören. Es ift jedenfalls befonders erfreulich an Jordans
Buch, daß fich der Erlanger Profeffor ohne die
Scheuklappen — hier paßt das Wort — zeigt, mit der
man fonft auf ,orthodoxer' Seite an die Betrachtung der
chriftlichen Urliteratur heranzutreten pflegt. Schreibt er
doch (S. 70) ganz unbefangen, als wäre es felbftver

zielenden Interpretation der vorhandenen Denkmäler
nachzuweifen, war meine Abficht; natürlich konnte mir
ebenfowenig beifallen, zu leugnen, daß unter den Römern
N.-Ö. Chriften gewefen feien, als daß fie Waffer getrunken
haben; aber aus .dem Fehlen ausgefprochen chriftlicher
Momente fei in Übereinftimmung mit anderen Indizien
der Schluß geboten, daß am Donau-Limes, örtlich vom
Kahlenberg bis in die Gegend von Budapeft die römifche
Kultur zufammengebrochen fei, bevor das Chriftentum
feinen Siegeslauf dorthin vollzogen hatte. Es ift zwar
nur ein Schluß ex silentio, aber immerhin auf breiter Grundlage
gewonnen.

Vf. hat diefem Schluß durch Interpretation und durch
Vermehrung des Materials feine Grundlage zu entziehen
unternommen. Mit größtem Intereffe wäre ich feinem
Verfuche gefolgt, wenn er fleh auf zureichende Mittel
ftützte, umfomehr, als ich neuerlich feit mehr als Jahres-
frift mit demfelben Gegenftand mich befchäftigen muß
und wenig mit der ftielmütterlichen Behandlung diefer
Landfchaft bei Harnack und Kaufmann einverftanden bin.

Aber ich müßte lange zurückdenken, bis ich mich
einer Abhandlung entfänne, die fo wenig von fachlichem
Wiffen geftützt wird. Dabei glaubt überdies feltfamer-
weife Vf. durch ,die chriftliche Epigraphik und fpeziell
die Katakombenforfchung' zu feinen Äuffaffungen geführt
zu werden; gerade dem Vf. muß diefe Berufung abge-
ftritten werden. Zur vorliegenden Arbeit kann meiner-
feits überhaupt nicht Stellung genommen werden; denn
wie foll man damit rechten, daß (44.51) im Auseinander-
ftellen der Buchftaben, d(is) m(anibus), und in der
Anwendung des Epheublattes als Interpunktion ,ein fpezi-
fifch chriftliches Zeichen zu erkennen fei'? Daß (44 fg.)
die Bezeichnung eines Sohnes als infelicissimus oder
pientissimus und eine genaue Angabe des Alters (bei
einem Kinde!) oder (50.51) ,die auffallende prägnante
Kürze' auf das Chriftentum hinweifen? Daß (58) die Ligatur
von I und T (Italica) ,ein deutliches Kreuzzeichen
fei'; mit demfelben Recht könnte Vf. den altgriechifchen
Buchftaben -f- und das Kreuzornament in vorrömifcher
Kunftübung, ,als deutliches Kreuzzeichen' in Anfpruch
nehmen.

Vf. war gewarnt. Trotzdem hat er allerhand, was in
verftaubten Büchern braver, aber nicht vollwertiger Gelehrten
gefagt war, beweislos wiederholt: famt den Del-

ftändlich und nicht vielmehr in den Augen Vieler eine finen, Hafen (der ,Hafe' auf den Ziegelftempeln der
große Ketzerei, folgenden Satz: ,Eufebius' Kirchenge- XIV. Legion ift vielmehr der Capricorn, das Fahnentier
fchichte ift im Grunde genau fo apologetifch beftimmt, | diefer Legion) und Hunden, Fifchen, Hirfchen ufw., ja

wie die Evangelien und ift auch wie diefe nicht ganz
frei von Legende'. Wohlgemerkt, es ift ein Erlanger
Theologe der diefen an fleh nicht weltbewegenden Satz
gefchrieben hat. Ob nicht mancher Lutheraner, wenn er
üin zu Gesicht bekäme — was ja nicht zu erwarten ift —,
bedenklich den Kopf fchütteln würde? Und wo bleibt
der Unterfchied zwifchen Erlangen und Gießen?

Gießen. G. Krüger.

fogar Iannägeln, die chriftlich fein follen. Die Einfendung
feines Verzeichniffes folcher Schlagwörter hatte der Kuftos
des Mufeum Carnuntinum brieflich beantwortet und aus
diefem Briefe (mit Mißverftändniffen kopiert, z. B. 25
Hirfche' ftatt ,Fifche'), fowie aus den ,Berichten' über die
carnuntinifchen Grabungen hat Vf. einen Materialzuwachs
gezogen, noch dazu ohne Altersperioden zu fcheiden
und ohne um Fundnotizen fleh zu kümmern. Darunter
erfcheinen auch zwei in Liscia (Liffek, nicht Effek, wie

Deimel, Real-Ob.-Gymn-RehV-Prof Dr Thdr ■ Chriftliche Vf^ K %t).gefchkgene Münzen Vetramios (350 n Chr.)
„.. ' . , . _ ?'"»•-K.eng.-i roi. ur. inur . unnuiuie und> f(mel ich k^ überhaupt nur diefe zwei Münzen.

Kumertunde in Carnuntum. Kirchengefchichtlich-archäo- Die Zahl der Fundmünzen aus dem IV. Jahrh., feit der

logifche Studie. Ein Beitrag zur Erforfchg. der älteften konftantinifchen Zeit, ift in Carnuntum groß genug. Vf.