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Ausgabe:

1912

Spalte:

161-163

Autor/Hrsg.:

Berthold, Otto

Titel/Untertitel:

Die Unverwundbarkeit in Sage und Aberglauben der Griechen mit einem Anhang über den Unverwundbarkeitsglauben bei anderen Völkern, besonders den Germanen 1912

Rezensent:

Wendland, Paul

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schilrer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur Titius und Oberlehrer Lic. Hermann SchUSter

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich 9 Mark

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37 .Tahrff Nr fi ProfelTorD. Titius in Göttingen, Nikolausberger Weg 66, rufenden. ÄO. McirZ AüIä

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Weiureich, Der Trug des Nektanebos (Paul Wolilrab, DasneuteitamentlicheChrifteutum auf : Happel, Richard Rothes Lehre von der Kirche

Wendlandj. pfychologifcher Grundlage dargellellt (W. j (Eger).

Bauer). Kirchner, Gefchichteder Philofophie von Thaies

Jordan, Gefchichte der altchridlichen Literatur bis zur Gegenwart (Kowalewski).

(Krüger). Pauli, Im Kampf mit dem Amt (Schian).

Deimel, Chriftliche Römerfunde in Carnuntum ! Die Religion und die Frau. Hrsg. v. G. Büumer

(Kubitfchek). (Lobftein).

Altaner, Venturino von Bergamo O. Pr. 1304 , Zt^'v^' ^ A*r»-U) w 1,

—Itd.6 fFicker) Referate: Endemann, Johann Chnftian Wall-

as >' mann. - flfirrinc 1l.-l,.;(.„ Volnpliiomiic

Berthold, Die Unverwundbarkeit in Sage und
Aberglauben der Griechen (Derf.).

Fries, Kleine Beitrage zur griechifchen u. alt-
orientalifchen Mythologie (Derf.).

Jefeth b. Ali's, Arabic Commentary 011 Nahum
(Bacher).

Allgeier, Über Doppelberichte in der Genefis
(Holzinger).

Sprengling, Chronological Notes from the

Aramaic Papyri (O. Holumann).
Metzger, Der Begriff des Reiches Gottes im

Neuen Teftament (Baldenfperger).

mann. — Dörries, Der kleine Katechismus
Luther's, Werke. 30. Bd. I. Abtlg. (Knoke). D. Martin Luthers ausgelegt.
Ili'.naioTiovXoq, AndneiQa kvu/aeaiq töiv Mitteilungen: (8) Die äthiopifche Verfion des
AyyXcov Avwßvrcov iitra xwv 'Oq&oöu§wv j Effher-Buches.

(Ph. Meyer). Wichtige Rezenfionen. — Neuefte Literatur.

Weinreich, Otto: Der Trug des Nektanebos. Wandlungen
eines Novellenstoffes. (X, 164 S.) gr. 8°. Leipzig, 1
B. G. Teubner 1911. M. 4—; geb. M. 4.80

Berthold, Otto: Die Unverwundbarkeit in Sage und Aberglauben
der Griechen m. e. Anh. üb. den Unverwund-
barkeitsglauben bei anderen Völkern, befonders den
Germanen. (Religionsgefchichtliche Verfuche und Vorarbeiten
. XI. Bd., 1. Heft.) (IV, 73 S.) gr. 8°. Gießen,
A. Töpelmann 1911. M. 2.60

Fries, Carl: Kleine Beiträge zur griechifchen u. altorienta-
lilchen Mythologie. (Aus: .Orientalin). Lit.-Ztg.') (82 S.)
8°. Leipzig, J. C. Hinrichs 1911. M. 1.20

Der den Lefern diefer Zeitfchrift fchon bekannte
Philologe Weinreich (Jahrg. 1910, Sp. 804 ff.) legt eine
neue religionsgefchichtlich wie literarhiftorifch wertvolle
Arbeit vor. ,Das Grundthema ift dies, daß ein Menfch
fich für ein Wefen überirdifcher, Ehrfurcht und Ge-
horfam genießender Art ausgibt, um in Liebe einer
Sterblichen zu nahen', multi nomine divorum thalamos
iniere pudicos (Ovid). Die antiken Beifpiele find: 1. Der
Trug des Zauberkünftlers Nektanebos, der Olympias
einen Sohn vom Gotte Ammon verheißt und durch d es
Vorgeben Vater Alexanders des Großen wird. Die in
verfchiedenen Verfionen des Alexanderromanes erzählte
Gefchichte ift griechifche Umarbeitung und Bereicherung
einer ägyptifchen Erzählung. 2. Die von Jofephus
mit feinem Gefallen am Pikanten novelliftifch aus-
gefchmückte Gefchichte von Paulinus und Munda,
die 19 n. Chr. zur Zerftörung des Ifistempels in Rom
führte: Die vornehme Paulina widerfteht den Ver-
führungsverfuchen des Ritters Mundus; diefer weiß
dann durch priefterlichen Trug in Geftalt des Anubis
fein Ziel zu erreichen. Pf.-Hegefipp (Ambrofius) bereichert
die Gefchichte mit neuen Zügen, z. B. wird der
Dame ein göttliches Kind verheißen. 3. Ein Saturnus-
priefter Tyrannos in Alexandria macht aus diefem Mittel
der Verführung ein Gewerbe. Hauptquelle Rufin. 4.
Die in einem unechten Aefchinesbriefe erhaltene ,mile-
fifche' Gefchichte von Skamandros und Kallirrhoe.

Daß die Vorftellungen von folcher gefchlechtlichen
Vereinigung mit einem Gott verbreitet waren, wird mit
Recht als Vorausfetzung für diefe Gefchichten hervorgehoben
. Und daß diefer Glaube nicht feiten zu fchnödem
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Truge Anlaß gab, zeigen manche Anfpielungen der
antiken Literatur. Was die Novelle profaniert und
traveftiert, ift in der Mystik frommer Glaube gewefen
(Chriftliche Parallelen, z. B. S. 118, 31).

Mit erftaunlicher Belefenheit verfolgt W. das Fortleben
jener Typen in der Weltliteratur bei Byzantinern
und Orientalen, in mittelalterlichen Schwänken, Volksbüchern
, Novellen; die Umarbeitungen reichen bis in die
Gegenwart. Der volkstümliche Erzählungsftoff ift ja
nicht reich an neuen Erfindungen, aber die Variationen
des Alten produzieren oft neue und wirkungsvolle Motive.
Ich greife beifpielsweife heraus die Gefchichte vom Judenmädchen
, das verführt wird durch die Verheißung, daß
es den Meffias gebären foll, oder deffen Schuld durch
das Vorgeben einer wunderbaren Schwangerfchaft verdeckt
wird (S. 91 ff.). Bei Grimmeishaufen paffiert das
Unglück, daß der verheißene Meffias als Mädchen zur
Welt kommt. In anderen Novellen fpielt der künftige
Papft oder Bifchof oder der fünfte Evangelift die Rolle
des Meffias. Zum Schluß befpricht W. einige orientalifche
Parallelerzählungen Die Abweichungen überwiegen hier
die Ähnlichkeiten; doch rechnet W. mit der Möglichkeit
helleniftifchen Einfluffes auf Indien. Sicher hat er Benfey
widerlegt, der, nur weil er die von W. erörterten antiken
Beifpiele nicht kannte, die Motive der diefen parallelen
mittelalterlichen Novellen aus Indien ableitet.

Berthold's die verfchiedenen Sagenverfionen fehr
forglältig analyfierende Arbeit führt zu dem Ergebnis, daß
die Unverwundbarkeit auf die homerifchen Helden, von
denen fie lpäter ausgefagt wird, erft in nachhomerifcher Zeit
übertragen ift. Manchen Helden ift fie aus ätiologilcher
Betrachtung zugefchrieben worden (Aias, Kaineus). Man
glaubte an den in der Erde (in feinem Grabe) wirkenden
Heros und ließ ihn von den Feinden verfchüttet fein,
weil eine Waffe ihm nichts habe anhaben können. Bei
Meleager und anderen, deren Schickfal an einen äußeren
Träger ihrer Lebenskraft gebunden war, ergab fich,
wenn fie an Kämpfen teilnahmen, die Vorftellung der
Unverletzbarkeit leicht, weil ihr Leben durch die Waffe
nicht gefährdet werden durfte. Die Talos-Sage fpiegelt
nach B. den phönikifchen Brauch wieder, im glühenden
Erzbilde des Gottes Menfchenopfer darzubringen. Dies
1 Ergebnis ift für die Frage, ob die Heldenfage aus
; Göttermythus oder aus Gefchichte abzuleiten ift, wichtig.
• Wer geneigt ift, in den Heroen herabgefunkene Götter
l zu fehen, darf fich nicht mehr auf die Unverwundbarkeit

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