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Ausgabe:

1912 Nr. 5

Spalte:

137-139

Autor/Hrsg.:

Spitta, Frdr.

Titel/Untertitel:

Das Johannes-Evangelium als Quelle der Geschichte Jesu 1912

Rezensent:

Hennecke, Edgar

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 5.

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(S. 45). So fieht Voigt den Planeten Jupiter in diefer
Konftellation als den Stern der Weifen an. Die Kon-
ftellation vom 14. April 6 bezeichnet aber auch ihm die
Empfängnis, erft der Austritt Jupiters aus dem Widder
die Geburt Jefu, die Kulmination Jupiters über Bethlehem
war den Magiern das Zeichen der über diefem Ort waltenden
Gottesgnade (S. 127. 130. 132). Danach ift Jefus
am 24. Jan. 5 v. Chr. (Papyrus P 8279 Berlin) geboren,
eine mögliche, fchwerlich richtige Umrechnung ergibt
25. Dezember 6 v. Chr. (S. 131).

Bei aller Geneigtheit, das reiche Wiffen Voigts anzuerkennen
, denen Genuß freilich durch fortwährendes
Ineinanderfließen verfchiedener Unterfuchungen erfchwert
wird, kommt man über die Grundfrage nicht weg, ob denn
diefe duftige Gefchichte eine folche Belaftung mit aftro-
nomifchen Feftftellungen erträgt. Sie redet nicht von der
Empfängnis Jefu, fondern nur von feiner Geburt (Mt. 1,25
2,1. 2 ersxsv-Ysvvrjd-tfTog-rsx^tig); die wichtige Konftellation
mußte alfo auf Jefu Geburt bezogen werden. Aber
der Stern, der die Weifen führt {ptQofjytv), bis er hinkommt
(eX&o&v) und ftehen bleibt (eörad-Tj), ift kein
gewöhnlicher Wandelftern. Den Ausdruck ,im Aufgang'
verfteht Voigt V. 2 vom heliakifchen Aufgang, aber V. 9,
wie V. 1 den entfprechenden Plural, vom Oftlande. Auch
die Löfung der notwendig auftauchenden religiöfen Frage
in Voigts Schlußwort (S. 145—148) wird nicht jedermann
befriedigen.

A. Dieterich fah in der Erzählung eine Erinnerung
an den Huldigungszug des Tiridates zu Nero; Kritzinger
hat die Konjunktur von Jupiter und Mars im Widder im
Jahr 66 n. Chr. als Anlaß diefes Zuges wahrfcheinlich
gemacht (S. 76!—80). Das kann man als Stütze für die
Gefchichtlichkeit der Erzählung des Matthäus beurteilen;
man kann aber auch finden, daß gerade unter diefer neuen
Vorausfetzung die Hypothefe von Dieterich an Wahr-
fcheinlichkeit gewinnt, weil eben auch Tiridates .einen
Stern gefehen hat'. Das Johannesevangelium erhebt nämlich
mit Irenäus Einfpruch gegen eine fo fpäte Anfetzung
der Geburt Jefu (Joh. 8,57 Iren. II 22 III 18) und weiß
nach 7,42 trotz aller exegetifchen Ausflüchte nur von
Jefu Herkunft aus Nazaret, nicht von feiner Geburt in
Bethlehem. Aber freilich, zu den .Kundigen' darf fich
Referent hier nicht rechnen, da er mit einigen Andern
,die feltfame Meinung' Dieterichs teilt, daß das Matthäusevangelium
von Anfang an griechifch für Griechen nieder-
gefchrieben fei (S. 123). Die Logia des Matthäus, von
denen Papias weiß, waren eine Quelle des Matthäusevangeliums
.

Gießen. Oscar Holtzmann.

Spitta, Frdr.: Das Johannes-Evangelium als Quelle der
Gefchichte Jefu. (XLVII, 466 S.) Lex. 8°. Göttingen,
Vandenhoeck& Ruprecht 1910. M. 15 — ; geb. M. 16 —

Von den verfchiedenften Seiten rückt man gegenwärtig
den Problemen des Johannes-Evangeliums näher,
nachdem viel umliegende Arbeit getan ift. Gefonderte
Veröffentlichungen und Auffätze in Zeitfchriften häufen
fich von Jahr zu Jahr, und man hat den Eindruck, daß
die Arbeit nicht recht vom Flecke kommt. Das liegt
zum guten Teile daran, daß das Augenmaß für die Probleme
, die in dem literarifchen Ganzen des vierten Evangeliums
und in den eingefchloffenen und angrenzenden
religiöfen, theologifchen, hiftorifchen Vorftellungen oder
Vorausfetzungen vorliegen, bei den Bearbeitern ein recht
verschiedenes ift das Befte darüber hat Wellhaufen
gefagt (Das Evangelium Johannis, Berlin 1908) — haupt-
fächlich aber daran, daß diefe wunderbare Schrift mit
allem, was ihr anhaftet, innerhalb der altchriftlichen Literatur
im Grunde allein fteht (natürlich find die joh. Briefe
hinzuzurechnen).

Am nachhaltigften haben die Anfätze gewirkt, die
die gleichzeitigen Arbeiten von Wellhaufen und Schwartz

(1907/08) genommen haben, infofern fie von einzelnen erheblichen
Anftößen ausgingen, ,die fich bei der Exegefe
ergeben und ebenfowohl in den didaktifchen als in den
hiftorifchen Teilen vorkommen'. Man braucht die vorgezeigten
Löfungen im einzelnen nicht zu teilen, muß
aber doch zugeben, daß hier Schlaglichter geworfen find,
deren man für die weitere Arbeit nicht entraten möchte.
Außer auf Ausfcheidung zahlreicher Stellen, die fich als
fekundäre Zufätze verraten, ift es auf Herftellung eines
urfprünglicheren Zufammenhangs und Hervorhebung der
Spuren einer Grundfchrift, foweit folche noch zu erkennen
find, abgefehen.

In diefer Bahn geht Spitta weiter (und nach ihm
Wendt, f. 1911 Nr. 24 diefer Ztg.) mit dem Anfpruch,
die Quellenfcheidung für das Ganze bis zur reinlichen
Herausfchälung der Grundfchrift und ihrer Bearbeitung
durchzuführen, ,wonach mit der Aufdeckung der Grundfchrift
eine überaus wichtige Quelle, vielleicht die wich-
tigfte für die Gefchichte Jefu, ans Tageslicht tritt' (S. 401;
vgl- 459: .möglicherweife die ältefte Evangelienaufzeichnung
, die wir befitzen'). Diefe wird zunächft in Über-
fetzung als fortlaufender Text gegeben, unter dem die
Zufätze des Bearbeiters, fowohl .deffen eigene Reflexionen'
als die ,aus anderer Literatur übernommenen Partien' zu
ftehen kommen. Den Hauptteil des Buches macht dann
die fehr fcharffinnige exegetifche Unterfuchung der vorgelegten
Abfchnitte aus, die als Beitrag zur Exegefe von
niemand ignoriert werden kann, der fich mit den Problemen
des vierten Evangeliums ernfthaft befchäftigt. Aber,
wie es bei folchen Quellenfcheidungen geht, die gerade
am Johannes-Evangelium von jeher geübt find (frühere
Forfcher, S. VI), eine überftürzt die andere, und jeder
Bearbeiter ift fubjektiv überzeugt, daß er mit feinen
Mitteln innerer Evidenz dem urfprünglichen Tatbeftande
am nächften kommt. Selbft jahrelange, ftellenweife gewiß
fruchtbare, Befchäftigung mit dem Gegenftande vermag
doch nicht die genügende Gewähr für die Richtigkeit
der nun gefundenen endgültigen Löfung zu bieten,
der ein Anderer übermorgen, gleichfalls mit einigem Recht,
eine andere entgegenftellt. Hätten wir nur äußere Zeug-
niffe, die dergleichen Verfluche nebenher erhärten könnten
1 Dagegen hatte die Methode der altteftamentlichen
Literarkritik (S. 402) doch noch andere Gründe und einen
erheblichen Konfenfus der Gelehrten aufzuweifen.

Spitta hat alfo mit feinen beiden Vorgängern, deren
Aufft.ellun2.en er wiederholt kritifiert, dies gemein, daß er
mit weitgehender Unabhängigkeit von irgendwelcher exegetifchen
Tradition, aber auch von gewiffen Beobachtungen
vorgeht, über die doch eine ziemliche Übereinftimmung
erzielt war (z. B. Anfchluß von 7,15 ff. an c. 5 Ende,
während Sp. einen ganz anderen Anfchluß vollzieht).
Seine eigenen bisherigen Unterfuchungen werden vorwiegend
berückfichtigt oder find dem Buche einverleibt,
doch auch nicht ohne Retraktationen (S. 297. 304). Seine
einfeitige quellentheoretifche Betrachtungsweife läßt ihn
zwar nicht verkennen, daß gelegentlich ein anderer,
urfprünglicherer Evangelien-Zufammenhang durchfcheint
(4. 38, S. 105), aber im ganzen geht ihm alles Vorhandene
in den beiden behaupteten Größen glatt auf, und die
häufig doppelfinnige Ausdrucksweife des Evangeliften
wird nicht nach Gebühr gewürdigt. Erhebliche Um-
ftellungen, für die er das Recht aus feiner Exegefe entnimmt
ohne fonftige Anhaltspunkte, follen den urfprünglichen
Zufammenhang der .Grundfchrift' im Verhältnis
zu den Auftragungen des Bearbeiters erhärten, der gern
Dubletten einfügt (S. 459f.) So werden die meiften
Wundergefchichten aus jener ausgewiefen, die c. 5 Anfg.
befindliche gefpalten, und 6,1 -4 durch Tilgung von 1 b, 5 ff.
59 (im Sinne der Grundfchrift) nach Jerufalem verfetzt,
trotz Mt. I5,29ff. u. a. fynoptifchen Stellen (vgl. S. 135).
Unter den fo für B herauskommenden Quellenftücken
wird 4,46ff. — m. E. mit größerem Recht — unmittelbar
an 2,1—12 angefchloffen, und dann wieder (wegen 21,14,