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Ausgabe:

1912 Nr. 5

Spalte:

136-137

Autor/Hrsg.:

Voigt, Heinrich Gisbert

Titel/Untertitel:

Die Geschichte Jesu und die Astrologie 1912

Rezensent:

Holtzmann, Oskar

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 5.

136

bietet Barnes, der fich durch eine Ausgabe des Pefchitto-
pfalters in weftfyrifcher Textgeftalt bekannt gemacht hat,
Studien zum Pfalter und zwar zu den Pff. 1. 2. 8. 16. 18.
19. 22. 37. 40. 45. 51. 68. 69. 90. 95. 104. 110. 119. Das Buch
beginnt mit einigen einleitenden Bemerkungen über den
Text, die poetifche Form und die Erklärung der Pfal-
men, fie zeigen, daß wir es mit einer Arbeit von konfer-
vativem Charakter zu tun haben. B. bringt dem M. T. ein
außerordentlich ftarkes Vertrauen entgegen und verhält
fich daher ablehnend den meiften Emendationen gegenüber
, oftmals felbft dann, wenn fie fich auf unfern älteften
Textzeugen, die LXX, ftützen, weil für die Textkritik der
Kanon gelte: Procliviori praestat (lectio) ardua, wofür er
fich fpeziell auf Pf. 2, 11. 12 und 37, 36 beruft. So wurde
es ihm möglich, fich in feiner Übersetzung meift der Re-
vifed Verfion anzufchließen. Als Form der hebräifchen
Poefie kennt er wefentlich nur den Parallelismus mem-
brorum und weift die Verfuche andere Formen feftzu-
ftellen ab, vollends jeden Verfuch, folcher Form einen
Einfluß auf die Textkritik zu geftatten. Aber es ift in
unferer Zeit doch nicht mehr erlaubt, diefe Fragen damit
abzutun, daß man fich mit Philos, Jofephus, Origenes und
Eufebius Bemerkungen herumfchlägt; von den Arbeiten
der deutfchen Gelehrten, welche zwar nicht alle Schwierigkeiten
gelöft, aber die Tatfache auch anderer Formen
der Poefie als des Parallelismus membrorum über jeden
Zweifel erhoben haben, fcheint B. nichts bekannt zu fein,
wenigftens wird nirgends auf eine diefer Arbeiten Bezug
genommen. In dem Abfchnitt über die Erklärung der
Pfalmen wendet fich B. mit Recht gegen die hiftorifi-
rende Methode, die er als unfruchtbar verwirft, weil die
Dinge hier anders liegen als in der prophetifchen Literatur
, viel wertvoller als der ausfichtslofe Verfuch, den
hiftorifchen Hintergrund der Pfalmen feftzulegen, fei es
den religiöfen Gehalt diefer Lieder und ihre Bedeutung
für die Gefchichte der religiöfen Ideen herauszuftellen.
So fehr man im Allgemeinen dem zuftimmen kann, fo
wenig wird man das in jedem einzelnen Fall tun können,
denn wir haben unzweifelhaft Lieder, die auf ganz be-
ftimmtem hiftorifchen Hintergrund erwachfen find und
beftimmte hiftorifche Tatfachen durchfcheinen laffen, ohne
daß wir freilich in der Lage find, die Zeit eines folchen
Liedes genauer zu beftimmen, weil unfere Kenntnis weder
der vor-noch der nachexilifchen Gefchichte eine lückenlofe
ift. Das ift z. B. der Fall bei Pf. 45, aber daraus folgt doch
nicht, daß wir, weil wir dies Lied nicht hiftorifch feftlegen
können, es nicht mit einem aus beftimmten hiftorifchen
Verhältniffen herausgewachfenen Lied, fondern vielmehr
mit einem meffianifchen Hymnus zu tun haben, wie das
B. in feiner Erklärung darzutun fucht. Denn wird auch
das Verhältnis zwifchen Jahve und Ifrael als Ehe gedacht
und Ifrael als die Braut ufw., fo berechtigen diefe Bilder
doch nicht zu einer derartigen Erklärung von Pf. 45 mit
feinen z. T. perfönlichen Zügen, die nur verftändlich find,
wenn es fich wirklich um ein Hochzeitslied handelt.
Während B. bei Pf. 45 jeden Verfuch hiftorifcher Erklärung
abweift, hat er freilich bei Pf. 18 alles daran gefetzt
, das Lied als Davidifches feftzuhalten. Übrigens
hätte Pf. 18 B. ein Wegweifer zu einer richtigeren Stellung
in textkritifchen Fragen fein können: wer Pf. 18 und
2. Sam. XXII, Pf« 14 und 53 und andere doppelt überlieferte
Texte miteinander vergleicht, wird bald erkennen,
daß ein derartiges Vertrauen zum M. T., wie B. es hat,
fich durch den Tatbeftand nicht rechtfertigen läßt. Ein
gefunder philologifcher Sinn würde B. auch vor mancherlei
Künfteleien bewahrt haben. Ich verweife nur auf die
für feinen exegetifchen Kanon Procliviori praestat (lectio)
ardua angezogenen Stellen Pf. 2, 11. 12 und 37, 36. Zu
jener Stelle behauptet B., daß neben dem v. 7 fich findenden
rein hebräifchen das aramäifche "ü gewählt
fei, um zugleich den Charakter diefes -Q als .reinen' anzudeuten
, der Verf. habe zu diefer Anfpielung die Möglichkeit
gehabt, weil er in einer Zeit lebte, in der das <

Aramäifche in die hebräifche Sprache eindrang vgl. S. 34k
In Pf. 37, 36 aber fucht er -Qyn des M. T...gegen LXX
Syr. u Hier, zu halten vgl. S. 102. — Im Übrigen fehlt
es nicht da und dort an treffenden Bemerkungen namentlich
in Bezug auf die Entwicklung der religiöfen Ideen,
die auch durch Parallelen aus der ägyptifchen und baby-
lonifchen Literatur illuftriert werden.

Straßburg i. E._W. Nowack.

Voigt, Prof. D. Dr. Heinr. G.: Die Gefchichte Jehl u. die

Aftrologie. Eine religionsgefchichtl. u. chronolog. Unter-
fuchg. zu der Erzählg. v. den Weifen aus dem Morgenlande
. (VII, 225 S. m. 1 Fig. u. 1 Taf.) gr. 8°. Leipzig,
J. C. Hinrichs 1911. M. 5—; geb. M. 6 —

Eine religionsgefchichtliche Unterfuchung zur Erzählung
vom Stern der Weifen könnte von der Vorftellung
eines Sterns des Meffias ausgehen. Mittelalterliche Juden
bezeichnen die Konjunktion von Jupiter und Saturn in
den Fifchen als Geftirn des Mofe und des Meffias (S. 167
bis 169). Was von Verheißungen des Seth, des Bileam, des
Zoroafter erzählt wird, ift fpätere Erdichtung (S. 75), und
es ift mißlich, wenn Voigt recht ausführlich darlegt, was
Zoroafter und feine Anhänger möglicherweife verheißen
haben (S. 189). Aber wichtig ift, daß die von der jüdifchen
Aftrologie ficher für die Zeit des Meffias ins Auge gefaßte
äußerft feltene Konjunktion von Jupiter und Saturn in den
Fifchen tatfächlich im Jahr 7 v. Chr. dreimal eingetreten
ift (S. 12). Deshalb hat Kritzinger in diefer dreifachen
Konjunktion neuerdings den Stern der Weifen gefehen.

Ohne Rückficht auf die jüdifche Erwartung hat Kepler
fich eine Anfchauung vom Stern der Weifen gebildet. Er
beobachtete in den Jahren 1603/4 die Konjunktion von
Jupiter und Saturn an einer der Spitzen des fog. feurigen
Dreiecks (im Schützen); dabei wurde zum Erftaunen der
Welt im Schlangenträger im Sternbild des Schützen ein
neuer Stern fichtbar, der erft 1606 wieder verfchwand.
Nach diefer Analogie dachte fich Kepler den Stern der
Weifen (S. 2—4. 10). Er nahm aber an, daß der Stern
der Weifen bei der erften Konjunktion von Jupiter und
Saturn im Zeichen der Fifche 7 v. Chr. erfchienen fei, aber
feine Bedeutung erft voll erlangte, als während des Aufenthaltes
von Jupiter und Saturn im Widder (d. h. an der
bedeutfamften Spitze des feurigen Dreiecks) Mars durch
fein Vorübergehen an beiden die große Konjunktion ver-
vollftändigte und dann auch die Sonne mit Merkur und
Venus erfchien (Frühling 6 v. Chr.). In diefe Zeit fetzte
Kepler Jefu Empfängnis, die Geburt an das Ende des
Jahrs 6, das Kommen der Magier in den Anfang des
Jahrs 5 v. Chr. (S. 14).

Voigt ift der aftrologifchen Tradition, der Kepler hier
folgt und von der er auch zum Teil abweicht, mit vielem
Fleiß nachgegangen; fie reicht zunächft zurück zu Claudius
Ptolemäus und Sextus Empirikus; ihre Wurzeln aber
erftrecken fich bis nach Babylon und Ägypten (Kap. IV).
Nicht die Seltenheit entfcheidet dem Aftrologen über die
Bedeutung einer Himmelserfcheinung, fondern Bedeutung
hat die Stellung der Planeten unter einander und zu den
Bildern des Tierkreifes, wobei das feurige Dreieck (Widder,
Löwe, Schütz) befondre Wichtigkeit hat. Die einzelnen
Planeten haben ihre Häufer am Himmel und die Bilder
des Tierkreifes ihre Herrfchaftsgebiete auf Erden, auch
die Stellung des Geftirns über dem Ort eines Ereigniffes
ift von Bedeutung.

Nach diefer Tradition ift alfo die Konjunktion von
Saturn und Jupiter im Jahr 7 v. Chr. nicht fo wichtig, wie
die Konftellation vom 14. April 6 v. Chr., da Jupiter bei
feinem heliakifchen Aufgang im Widder unter dem Vortritt
von Mond, Venus und Saturn erfchien und gefolgt
von der Frühlingsfonne, in deren Strahlen Merkur und
Mars verfchwanden (S. 178). Ein Zweig der Aftrologie
brachte Jupiter mit dem Gott der Juden in Verbindung;
der Widder, zu dem das Judenland gehörte, war fein Haus