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Ausgabe:

1912 Nr. 4

Spalte:

103-104

Autor/Hrsg.:

Gensichen, Otto Franz

Titel/Untertitel:

Das Hohelied. Schauspiel in vier Aufzügen 1912

Rezensent:

Strack, Hermann L.

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Seite 1

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103 Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 4. 104

19, 141". 25, 32. 34, 24 aufmerkfam zu machen, Stellen, die
alle modernen Erklärer mißverftehen. Seit zehn Jahren
liegen die Bemerkungen Ehrlichs, die neben viel Barockem
fo viel Richtiges bieten, vor, ohne daß die Gelehrten von
ihnen Notiz nehmen — zum Schaden der Sache, der fie
dienen wollen.

Die Vorzüge und Nachteile der Auslegung Gunkels
teilt Greßmann redlich mit ihr. Er behandelt Heft 4
und Heft 6—7 die alterte Gefchichtsfchreibung und Pro-
phetie Israels. Das für den Laien Intereffante ift mit
gutem Blick ausgewählt und zur Darfteilung gebracht;
aber die Beleuchtung des Stoffes fordert noch mehr zur
Kritik heraus als bei Gunkel. Ich muß mich hier begnügen,
die wichtigften Stellen anzuführen, an denen er feine
Texte mißverftanden hat; Begründung und Richtigftellung
behalte ich mir wegen des allgemeineren Intereffes für
einen fpäteren Auffatz in der altteftamentlichen Zeit-
fchrift vor. I Reg 3, 23. 9, 23. 10, 15. Exod. 20, 25. 21, 36.
37 ff. 22,4. 22, 12. (I Reg 12,7) 1 Reg 12,30. 13, 9 f. 26.
IS» 19- 17» 3- l9, 3- 21, 4.10. 20, 27.39. (II Reg b 6) H
Reg 2, 12. 2, 24. 4, 7. 4, 12 ff. (4, 32) 5,9.11.21. 6,22.
27?. 6, 9 f. 10, 6. Kapitel 11 ganz. 13, 17 ff. (Arnos 1, 3 fr.)
Arnos 3, 3. 3, 12 (5, 6) (7, i) 9, 8 f. Hofea 2, 2. 3, 1. 10, 11.

Stärk fetzt die Lyrik des A. T., begonnen in der
zweiten Lieferung, in der 4. und 9. fort und bringt fie
in der 14. zu Ende. Der zumeift in den Pfalmen vorliegende
Stoff wird literarifch eingeteilt in Hymnen, Gebete
und Lieder. Diefe und noch mehr die weitere
Teilung der Hymnen in Prozeffionshymnen, Feft- und
Siegeshymnen, liturg. H. und eschatolog. H., die der
Verf., als Chorlyrik zufammengefaßt, der monodifchen
Lyrik gegenüberftellt, fcheint mir, ebenfo wie die Zu-
weifung der einzelnen Lieder zu diefenliterarifchen Gruppen,
oft fehr problematifch. Ähnlich fleht es mit der Einteilung
der Gebete. Zwar die Teilung in Dank- und Bittgebete
(und Troftgebete??) ift berechtigt; aber die Grenzen
zwifchen den öffentlichen und fogen. monodifchen Dank-
und Bittgebeten Rheinen mir fehr unficher. — Die Über-
fetzung zeigt eine fchwungvolle, oft an Klopftock gemahnende
Sprache, in der die tatfächlichen Schwierigkeiten
des Textes bisweilen verftummen müffen; auch die
Erklärung atmet religiöfe Wärme und Innigkeit. Man
kommt aber nicht aus der Empfindung heraus, daß der
Verf. die Texte viel zu chriftlich, will fagen religiös-
individualiftifch verlieht, oft fehr gewagte literarische
Verbindungslinien zwifchen Propheten und Pfalmen zieht
und den religiöfen Gehalt der Pfalmen zu hoch wertet.
Im Einzelnen wäre zur Überfetzung und befonders zu
der fogenannten Individuallyrik, deren Grenzen er viel
zu weit fleckt, manches zu fagen, was der Raum hier
verbietet. — In der 10. und 13. Lieferung beginnen die
Erklärungen der großen Propheten und ihrer Zeit von H.
Schmidt und der Weisheitsliteratur von P. Volz, über
die wir in der nächften Befprechung berichten werden.

Ziegenhain (Bez. Caffel). Frankenberg.

Gen liehen, Otto Franz: Das Hohelied. Schaufpiel in vier
Aufzügen. (173 S.) 8°. Berlin 1912, Boll & Pickardt

M. 2.50

Die Frage, ob, bezw. wie biblifche Stoffe dramatifiert
werden dürfen, foll hier nicht grundfätzlich erörtert werden.
,Das Hohelied' von O. F. Genfichen nimmt unter den bib-
lifchen Dramen jedenfalls eine beachtenswerte Stelle ein
und mag daher hier kurze Befprechung finden. Der Ver-
faffer entflammt dem bekannten alten märkifchen Theo-
logengefchlechte, hat auch felbft gute theologifche Studien
gemacht und fleht ehrerbietig zu Bibel und Gottesglauben.
Dichterifcher Schwung und Gewandtheit im Ausdruck
zeichnen auch fein neueftes Werk aus. Von hoher poe-
tifcher Vollendung ift der erfte Aufzug, der des jungen
Königs Salomo erfte Liebe, die zu der Weinbergshüterin
Sulamith, bis zur Vermählung fchildert. Er würde als

.Einakter' ein in fich gefchloffenes Ganzes bilden, ift auch
für fich veröffentlicht worden. Der zweite Aufzug ift
aber gefchickt angeknüpft. Sulamith ift auf ihren Wunfeh
auf dem Weinbergsgute bei Jerufalem geblieben, freilich
in einem von Salomo ihr erbauten Haufe. Sie freut fich
der Liebe des Gemahls und ift glücklich über ihr Söhnchen
Rehabeam. Da kommt das Anerbieten des Pharao, der
feine fchöne Tochter dem Könige Ifraels zur Ehe geben
will. Salomo will ablehnen; aber Sulamith wird von Bath-
Seba zu der Erklärung gebracht, fie wolle zum Berten der
Macht Salomos eine Königin-Gemahlin in Jerufalem dulden
und mit Salomos vertraulichen Befuchen fich zufrieden
geben. Diefer Entfchluß freilich koftet der von der Entbindung
her körperlich noch Angegriffenen das Leben:
fie ftirbt an einem Herzfchlage in Salomos Armen, glücklich
, dem Geliebten einen Thronfolger gefchenkt zu haben.
— Der Verfaffer identifiziert nämlich in jedenfalls poetifch
erlaubter Weife Sulamith, die Sunamitin oder die aus
Sunem Stammende, mit der Ammonitin Naema, der Mutter
Rehabeams, welche (wenn das Alter Rehabeams bei feinem
Königwerden richtig überliefert ift) eine der erften Gemahlinnen
Salomos gewefen fein muß, wenn fie nicht die
erfte gewefen ift.

Die beiden letzten Aufzüge, durch Zeiten von 19,
bezw. 39 Jahren vom zweiten getrennt, hangen mit dem
Vorhergehenden innerlich nur dadurch zufammen, daß
Salomo weder in der Ehe mit der fchönen, aber ftolzen
Ägypterin noch in äußeren Erfolgen innere Befriedigung
findet, fondern ftets an die erfte Liebe denkt. Die Handlung
ergibt fich aus dem Gegenfatz gegen die Seemacht
Phönizien, deren Demütigung erft die Ägypterin und die
Freunde des jungen Rehabeam, fpäter, nachdem in Ägypten
ein neuer Herrfcher zur Regierung gekommen, letztere
allein durch Erregung von Unzufriedenheit im Lande und
durch Schüren von Kriegsluft vorzubereiten fuchen. Salomo
ftirbt, als Ahias Weiffagung durch das Entkommen Jero-
beams, eines treulos felbftfüchtigen Mitverfchworenen, nach
Ägypten als von Gott flammend erwiefen ift. Er ftirbt
an dem Orte, wo er Sulamith kennen gelernt, mit den
Worten an Rehabeam und deffen der Sulamith fehr ähnliche
Tochter Ruth:

Gott fegne dich, Sohn Sulamiths! Mit mir

Fällt Davids Reich in Trümmer, — alles eitel!

Und nur die Prophezeiung bleibt: es werde

Doch einft aus Davids Stamm der Retter kommen,

Der Ifrael und alles Volk erlöfe!

In diefer Hoffnung will ich gläubig fterben.

Sing' mich in Todesfchlummer, Sulamith!

Im Einzelnen enthalten auch diefe zwei Aufzüge viel
Schönes. Statt der Perfer wären S. 86, 109 ff hiftorifch
richtiger die Babylonier oder die Affyrer genannt worden.
Die Darftellung des Gegenfatzes zwifchen der Landmacht
Ifrael und der Seemacht Phönizien S. 90 f, 111 f erinnert
in auffälliger Weife an den gegenwärtigen zwifchen Deutfch-
land und feinen angelfächfifchen .Vettern'. Der Dichter
hat, fo viel mir bekannt, folche politifche Anfpielung nicht
beabfichtigt.

Berlin-Großlichterfelde W. Herrn. L. Strack.

Lazarus, Prof. Dr. M.: Die Ethik des Judentums, dar-
geftellt. 2. Bd. Aus dem handfehriftlichen Nachlaffe
des Verf. hrsg. von J. Winter u. Aug. Wünfche. (LV,
404 S.) Lex. 8°. Frankfurt a. M., J. Kauffmann 1911.

M. 4 —; geb. M. 5—; in Halbfrz. M. 6 —

Der bekannte jüdifche Philofoph Lazarus ftarb am
13. April 1903. Mit dem aus feinem handfehriftlichen
Nachlaß hergeftellten 2. Band feiner Ethik des Judentums
haben die Herausgeber Winter und Wünfche dem Andenken
des feinfinnigen Pfychologen und ernften Ethikers
ein fchönes Denkmal gefetzt. Laut Vorwort befchränkt
fich die Arbeit der Herausgeber auf Verfetzung einzelner