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Ausgabe:

1912

Spalte:

78-82

Autor/Hrsg.:

Schreiber, Georg

Titel/Untertitel:

Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert 1912

Rezensent:

Lerche, Otto

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Theologifche Litcraturzeitung 1912 Nr. 3.

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rollen von verfchiedener Länge benutzte. Früher hatte
Budge das Alter der Hdf. auf das 8. Jahrh. datiert, jetzt
tritt er für das 7. Jahrh. ein, und letzteres trifft das Richtige
, denn auf dem 1. Blatt ift noch das Protokoll (fis-
kalifcher Stempel) in byzantinifcher Form erhalten, das
feit der Regierung des Kalifen 'Abd el-Melik (685—705)
eine Änderung erfahren hat (f. darüber Berliner Klaffiker-
texte, Heft VI, S. 60 u. 92 h). Ich beftimme deshalb das
Alter ungefähr auf die Mitte des 7. Jahrhunderts, da die
beiden erften Homilien dem Johannes Jeiunator, Patriarchen
von Konftantinopel 582—595, angehören.

Die erhaltenen 10 Homilien (vgl. die Introduction
p. XXI—L) verteilen fich auf folgende Autoren: Nr. 1 u. 2
werden dem Apa Johannes von Konftantinopel zugefchrie-
ben, Nr. 3, 5 und 9 dem Athanafius, Nr. 4 trägt den Namen I
des Theophilus von Alex., Nr. 6 und 7 den des Proklus j
von Cyzikus, des fpäteren Erzbifchofs von Konftantinopel;
Nr. 8 gehört dem Bafilius von Caefarea in Kappadokien
und Nr. 10 dem Eufebius von Caefarea in Kappadokien.
Von diefen 10 Homilien find uns bereits 4 Stücke in
griechifcher Überlieferung bekannt nämlich Nr. 1 jceqi j
(tezavoiaq xai LyxQazt'uiq, angeblich als Werk des Joh.
Chrysoftomus bei Migne PGr. 88, col. 1937 ff. (zugleich
exiftiert eine alte fyrifche Verfion, die Budge in der vorliegenden
Ausgabe nebft Überfetzung im Appendix
S. 289—379 veröffentlicht); Nr. 2 elq ztjv Zovoavvav,
ebenfalls dem Joh. Chrysoftomus zugefchrieben bei Migne
PGr. 56, col. 589ff; ferner Nr. 6 die Antrittsrede des Proklus
bei der Inthronifation zu Konftantinopel bei Migne PGr.
65, 841fr. und Nr. 10 eine Homilie über das Kananäifche
Weib, die nach Mercati nicht dem Eufebius von Caefarea
in Kappad., fondern dem Joh. Chrysoftomus (Migne
PGr. 52, col. 449fr) zuzuweifen ift. Dazu kommt Nr. 7,
eine Rede des Proklus gegen Neftorius, von der eine
fyrifche Überfetzung erhalten ift (vgl. Chabot, Rendiconti
della Reale Academia dei Lincei, Ser. V, tom. V, Rome
1896 p. 191 und die lateinifche Überfetzung bei Mai,
Spicilegium Romanum, tom. IV, p. 88 ff. u. Migne PGr. 65,
col. 941 ff.) und Nr. 9 :rept Unr/7/s xai omuazoq, ein dem
Athanafius zugefchriebenes Werk, welches aber nach
fyrifchen Exzerpten dem Alexander, dem Vorgänger des
Athanafius, beigelegt wird. Auch diefe fyrifchen Stücke
hat Budge nebft Überfetzung im Appendix in dankenswerter
Weife publiziert. Demgemäß find Nr. 3 jceqX
xoq xai xQioecoq von Athanafius, desgleichen Nr. 5 eine
Homilie über Matth. 20, 1—16, Nr. 4 jttpl (iszavoiaq xai
tyxQaztiaq vonTheophilus und Nr. 8 xsq zrjq ovvxeXelaqzov
xoOftov von Bafilius von Caefarea bisher völlig unbekannt
gewefen, und muß der Inhalt des Ganzen bei den Theologen
das größte Intereffe erwecken. Umfomehr follte
man eine befonders forgfame Edition der Handfchrift
erwarten, zumal da ja dem Herausgeber eine ziemlich
lange Zeit zur Bearbeitung zur Verfügung ftand. Aber
diefe Erwartungen werden bitter getäufcht. Ich will hier
gar kein Gewicht legen auf die zahlreichen Abfchreibe-
und Druckfehler, wie fie bei der literarifchen Maffen-
produktion von Budge leider nicht ausbleiben können,
aber proteftieren muß ich gegen die eingeführte Worttrennung
, die oft ohne jeden Sinn, und Verftand ift und
an zahlreichen Stellen zu falfchen Überfetzungen verleitet,
wie z. B. S. 6, Z. 14 v. u. iAAe. neT n*.qi pa.g en nTuKPH
,but the man who hath borne innumerable buffetings'
ftatt ,fondern der ertragen wird Schläge'; Budge fcheint
die Konftruktion qi ge. .ertragen' nicht zu kennen, wie
ein zweites Beifpiel S. 102, Z. 7 lehrt. Und noch größere
Unkenntnis der Sprache verrät S. 4, Z. 13 v. u. die Trennung
ner m nn*. == that is in the spirit ftatt ,euer Geift';
eine gleiche Verkennung des Poffeffivpronomens finden wir
S. 7, 2 n »CT m qy-i^H und S. 66, Z. 6 v. u. n neT mmPAoc
that which is in the members. So flößt man denn auf
Schritt und Tritt auf mehr oder minder grobe Über-
fetzungsfehler. Herr v. Lemm hat in feinen koptifchen
Miszellen (Nr. LXXXV in dem Bulletin de l'Academie

Imperiale des Sciences de St.-Petersbourg, 1910, S. 1098fr.)
eine reiche Blütenlefe von Fehlern vorgelegt; das überhebt
mich der undankbaren Aufgabe, jene Lifte an diefer
Stelle noch zu vervollftändigen. Budge ermangelt einer
ficheren philologifchen Kenntnis der koptifchen Sprache,
die bei der immerhin fchwierigen Überfetzung abfolut
erforderlich war. So flehen wir vor der traurigen Tatfache
, daß die Herausgabe des Textes von kundiger
Hand von neuem unternommen werden muß; einem
künftigen Herausgeber erwächft zugleich die Aufgabe, die
griechifchen und fyrifchen Texte bei der Herftellung des
Kopten zu verwenden und insbefondere die theologifchen
Fragen über Verfaffer und Inhalt zu behandeln.

Berlin. Carl Schmidt.

Guttmann, Rabb. Dr. Jac: Die philofophifchen Lehren des
Ifaak ben Salomon Ifraeli. (Beiträge zur Gefch. der Philo-
fophie des Mittelalters. X. Bd., 4. Heft.) (VI, 70 S.)
gr. 8°. Münder, Afchendorff 1911. M. 2.50

Die vorliegende Schrift führt uns in die Entftehungs-
gefchichte der jüdifchen Philofophie. Ifraeli (ca. 940 f) ift
ein Zeitgenoffe Farabis (950), und bewegt fich durchaus
in den neuplatonifchen Gedankengängen der zeitgenöffi-
fchen islamifchen Philofophie. Aus Gott emaniert der erfte
Intellekt. An diefen fchließt fich die Reihenfolge der
Sphärengeifter und himmlifchen Seelen an, indem aus
dem jedesmal übergeordneten Geifte der untergeordnete
entlieht. In der Philofophie erftrebt der Menfch feine
ftufenweife Läuterung und fchließliche Vereinigung mit
dem erften Intellekte und Gott. Indem der Menfch fich
felbft erkennt, erfaßt er das Wefen aller Dinge; denn der
Mikrokosmos ift ein Abbild des Makrokosmos. — Das
Materielle ift ein fchwächeres, aus dem reinen Geifte
emanierendes Licht1. — Es gibt drei Arten von Intelligenzen
: 1. die immer aktuell denkende, 2. die von der
Potenz zum Akte übergehende und 3. die inneren Sinne
(cogitative ufw.). Die Beftrebungen Ifraelis, Plato mit
Ariftoteles in Harmonie zu bringen, find ebenfalls mit
gleichzeitigen Bemühungen in der iflamifchen Philofophie,
befonders Farabis kongruent.

Befondere Beachtung verdienen die Lehren: 1. Das
erfte Akzidens ift ein generifches, aus dem fich die drei
wichtigften primären Spezies der Akzidenzien entwickeln:
Quantität, Qualität und Relation (S. 26). 2. Die reine Intelligenz
ift die Gattung der Dinge. 3. Die Sphäre des
Himmels entfteht aus der anima vegetativa; d. h. der
finnlichen Weltfeele. Sie fallen in etwa aus dem gewohnten
Rahmen heraus, und verdienen es, in ihren Ent-
ftehungsbedingungen und Konfequenzen befonders unter-
fucht zu werden. — Das letzte Kapitel, das über die
Elemente handelt, weift die Abhängkeit Ifraelis vonHippo-
krates und Galen befonders deutlich nach. Auch pytha-
goreifche Zahlenfpekulationen waren dem Autor bekannt
. Die Arbeit Guttmanns ift eine wohl gelungene,
äußerft fleißige und mit reichlichen Belegen aus einer
großen Literatur verfehene Studie.

Bonn. M. Horten.

1) Diefelbe Bezeichnung und Auffaffung findet fich bei Suhrawardi,
vgl. Horten: Die Philofophie der Erleuchtung nach Suhrawardi (1191*);
Halle a. S. 1912 (Teil II).

Schreiber, Dr. phil. Georg: Kurie und Klofter im 12. Jahrh.

Studien zur Privilegierg., Verfaffg. u. befonders
zum Eigenkirchenwefen der vorfranziskan. Orden,
vornehmlich auf Grund der Papfturkunden von Pa-
fchalis II. bis auf Lucius III. (1099— 1181). 2 Bde.
(Kirchenrechtliche Abhandlungen, 65.-68. Heft.)