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Ausgabe:

1912 Nr. 3

Spalte:

73-74

Autor/Hrsg.:

Diobouniotis, Const.

Titel/Untertitel:

Des Origenes Scholien-Kommentar zur Apolalypse Johannis. Nebst e. Stück aus Irenaeus, lib. V, graece 1912

Rezensent:

Klostermann, Erich

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 3.

74

Evangelien .alles und jedes im vollen Sonnenlichte ab-
gefpielt haben foll, .... unter tiefer Erfchütterung des
Volkes und des Staates'(S. 55). Hier hat L. denn doch
den Gefichtspunkt von Act. 26, 26 allzu unbedenklich in
die ältefteVvangelifche Überlieferung hineingetragen. Bei
dem Wort vom Menfchenfifcher follen wir uns erinnern,
.daß wir die Luft des Piatonismus atmen' (S. 152): fo
werden Reden und Erzählungen im Evangelium auf ein
Niveau geftellt, auf.' das fie nicht gehören — das ift der
kulturhiftorifche Fehler des Buches; fo werden mit begreiflicher
Vorliebe fpätere Formen der Überlieferung
benutzt — das ift der philologifche Fehler.

Nach diefer Skizze der leitenden Gedanken darf ich
von den Interpretations- und Ableitungsverfuchen, an
denen diefer zweite Band reich ift, fchweigen. Nicht
fchweigen aber darf ich von dem Intereffe, das den Autor
offenbar zu der Arbeit angetrieben hat. Der Chriftus-
mythos ift ihm .eine fynthetifche Tat'; für uns heutige
als Dogma unbrauchbar, als Vorbild nachahmenswert.
.Dafür follten fich gerade die liberalen Theologen inte-
reffieren, zumal auch dem modernen Liberalismus, wenn
nicht alle Zeichen trügen, in abfehbarer Zeit die Aufgabe
geftellt werden dürfte, zu einer Kulturfynthefe zu gelangen
.' So fcheint es, wenn ich L. recht verliehe, ein
ähnliches Gefühl innerer Heimatlofigkeit zu fein, das die
ausgehende Antike dem Chriftentum als dem ausfchließ-
lichen Myfterium (nach L.s Darfteilung) zutrieb, und das
nun unfern Autor treibt, jene .fynthetifche Tat' den
Heutigen zu fchildern. Gewiß ift folches Streben nach
einheitlicher Orientierung unferes Geifteslebens ein Zeichen
unferer Zeit; wir werden aber dem erhofften Ziele nicht
dadurch näher kommen, daß wir mit kühner Hypothefe
und fchlechten Beweifen die moderne Sehnfucht in die
antike Gefchichte hineintragen.

Berlin. Martin Dibelius.

Des Origenes Scholien-Kommentar zur Apokalypfe Johannis.

Nebft e. Stück aus Irenaeus, lib. V, graece. Entdeckt
u. hrsg. v. Conft. Diobouniotis u. Adf. Harnack.
(Texte u. Unterfuchungen z. Gefch. d. altchriftl. Lit.
HL Reihe, 8. Bd., 3. Heft.) (IV, 88 S.) 8». Leipzig,
J. C. Hinrichs 1911. M. 3 —

Mit bemerkenswerter Schnelligkeit haben die Herausgeber
den von ihnen in einer Handfchrift des Meteoron-
Klofters saec. X entdeckten Scholienkommentar des
Origenes zur Apokalypfe veröffentlicht. Der Dank dafür
foll durch eine fofortige Anzeige abgeftattet werden, obgleich
eine längere Durcharbeitung ohne Zweifel noch
mehr Ergebniffe für den Text hätte liefern können.

Das genannte Manufkript, dem auch die von Bon-
wetfch in Band 38, 1 der Texte und Unterfuchungen veröffentlichte
Hippolytusfchrift eig rag evXoyiag rov 'laxcöß
entflammt, bietet (an ihrem Schluß auf fol. 245»ff. den
Text von Apoc. 1,1—14,5 in einer intereffanten Geftalt
(vgl. die Ausgabe S. 4ff., 67fr.), unterbrochen durch 39,
oder vielmehr 40 anonyme Scholien von verfchiedener
Länge. Die beiden letzten von ihnen enthalten den
griechifchen Text aus Irenaeus adv. haer. V 28,2—30,2.
Von den übrigen hat Harnack es auf S. 45 —66 fo gut
wie gewiß gemacht, daß fie einem einzigen Verfaffer, und
zwar einem Vornicäner angehören. Aber nicht etwa
Hippolytus, wie Diobouniotis wollte, fondern einem
Alexandriner, der ,für das eigentlich Apokalyptifche und
Eschatologifche gar kein Intereffe' hatte, nämlich dem
Origenes, wenngleich wir von diefem bisher nur wußten,
daß er gegen Ende feines Lebens eine Erklärung der
Apokalypfe beabfichtigte (comm. in Matth, ser. lat.49 =
Lomm. 4,307) K Auch das wird man für wahrfcheinlich
halten dürfen, daß der Kommentar aus einer Vorlage

l) Freilich zeigt jetzt Schermann in der Theol. Revue, daß Scholion
Nr. 5 = Clemens Alex. Strom. 4,25, 156 f. ift. (Nachtrag b. d. Revifion. E. K.)

abgefchrieben wurde, in der die anfangs reichlichen, nach
cap. 5 immer fpärlicheren Scholien am Rande des Bibeltextes
ftanden (S. 3).

Nur ein Ümftand ift geeignet die Freude an dem
wichtigen Funde etwas herabzumindern. Die Scholien
nämlich, von denen kaum zu entfcheiden ift, ob fie von
vornherein diefe Form hatten, oder ob fie aus einer umfangreicheren
Erklärung erft durch einen Späteren exzerpiert
wurden, find z. T. in üblem Zuftand überliefert.
Nun ift zwar manches von den Herausgebern, namentlich
Harnack, glücklich emendiert worden, und es läßt fich
auch an manchen Stellen noch weiter kommen. Aber
Einiges dürfte doch der Zurechtftellung fpotten, bis einmal
eine ähnliche Entdeckung uns neue Mittel an die Hand
gibt. Im folgenden feien einige Stellen aufgeführt, an
denen ich glaube das Richtige getroffen zu haben:

Nr. 6,7 elyäp ioxiv "mla Sixalmv xal ßeXy ixXexxä xai
/täyaiga inaivexl; nävxmv vlibv ävd-gmnmv oxgaxevouevmv ... 0 vSe.
äu<pißu).).eiv negl xCov ivxaöO-a etgyuevmv. Hier ift jedenfalls zwifchen
inaivexij und nävxwv ein Punkt zu fetzen, und durch die Verbefferung
ov Sei das Hauptverbum für den abgetrennten Satz zu gewinnen. Am
Anfang L vielleicht eineg eoxiv oder xal yäg eoxiv; der Verfaffer
fpielt w. e. fch. auf Pf. 5, 12, If. 49,2 und 27, 1 an.

Nr. 14, 5 ineiSl/ Se negl nvevuaxixmv 6 Xöyog ävmxigm,
ymgioxeov (ymgeixalov cod.) navxdg atoayxov SnXovuevov negl
xl/g vjijwov. Es ift alles in Ordnung, fobald mau lieft-. inetSl) Se negl
nvevuaxixmv 6 Xbyog, ävmxigm ymgyxiov navxög alo&ijxov xxX.

Nr. 15,8 aXXa xal ot nöSeg avxov, xa&'ovg intnogevexai xCu
navxl Siamoixyoag, Siä xov yaXxoXißävov nagaßäXXovxai.
I..: xijj navxl, Siawoixyoag Si avxov, yaXxoXißävm nagaßäXXovxai.

Nr. 21,3 xal 6 &eög iprjaiv negl xmv xoiovxmv. ,iym ioxegemaa
xovg oxvXovg avxijg' xai- ,ijntuexemgit,ovxai oixot evaeßeiag xal
aget/jg nxegolg'. Xeytxai negl avxmv . . . ,oxi-Xoi ovgavov inexä-
oiXijoav1. Das mittlere Zitat haben die Herausgeber nicht identifizieren
können. Sehr begreiflicher Weise: es ift gar kein Schriftwort. L.: xal
inel iiex emg it,ovx ai . . . nxegolg, Xeyexai xxX.

Nr. 24b, 1 (vgl. S. 31 Anm., S. 54fr.): Iß oov nävxmg äxoieiv
eoth inioxyiiovixä Xeyov{xog) (cod.Xeywv) mg (cod.ij) uövovxov xaxä
xljv imoxijuyv jjv&iouivov (cod. ij&yo/xivov). ovxm oov nävxwg
ioxlv äxoieiv xov nveviiaxog mg (cod. fj) itövov xov nvevuaxixöv
eyovxog (cod. nvevuaxixöv eymexog) ujxIov ngooxed-eiuevov avxm (?)
(Xeöd-ev xxX. Was foll das bedeuten? L. vielmehr: mg ov navxdg
äxoieiv ioxlv inioitjuovixä Xiyov(xog) (oder: inioxnuovixmv Xoymv)
}} uövov xov xaxä xb,v inioxr/unv el&iouevov, ovxmg ov navxög
ioxiv äxoieiv zot5_ nveiuaxog rj uovov xov nvevuaxixöv, eyovxog
mxiov ngooxefXetuevov avxm S-eo&ev xxX. Dann ift hier freilich nicht
mehr eine Lobrede auf Origenes von Seiten eines Dritten zu 6nden (vgl.
S. 54f.), fondern es ift ganz im Rahmen des übrigen gehaltene Texterklärung
von Apoc. 3, 22.

Nr. 25, 6 Sit) oxav Xeyn 9-igav ävemyßai (cod. SvoZy&ai) ev xm
oigavm, xljv xaxä aawijveiav Siaigeoiv xmv votjxmv ixXaußävmuev,
xal uäXtoxa oxav ävaßaivmv (cod. ävußaiveiv) xig ixel xmv äyiaiv
Xeyy xäg ntoxmoeig, nioxmoeig (cod. niaxmoei) Se ix xov u'}
yeygäwüaiiog exegov xiva äväXaße (cod. exegog xi ävekaße) xov
ImavvrjV iitoneg xov 'Hkiav. Ganz unverftändlich. L.: xal uäXioxa
oxav ävaßaiveiv xig ixel xmv ayimv Xeyy xäg voyoeig (!?), moxmoy
Si ix xov (th yeygä<p9ai, mg exegög xig äviXaße xov Iwäwyv täoneg
xov 'HXiav (IV Rgn. 21, 11).

Nr. 31,15 inel xoivvv noXii xo äSvvaxov >/ alaHr/xl/ Siyytjoig wigei,
aXiftl/ Se eivat xä iv xy ßißXm äyict, l'omg (Diobouniotis, cod. ovoag
äväyxy, xaxä nvevuaxix/jv äxoXov'&iav ixXaußäveiv xxX. L. wohl:
äXrftij Se Sei; elyai xä iv xy ßlßXm äyia ovoy, dväyxri xtX.

Nr. 37, 16 oirxog 6 ix Xijg wvXyg 'lox'Sa Ximr, y giga dav'tS, xo
ägviov ti iawayuevov xvy^ävei negl xovxov xov ßißXiov. xal
miovoijg eygawev xal iv 'Hoaia yiyganxai negl alxov xai noXXayov
xijg ygawng. inel ngmxyg iniSyuiag noXXyv äoäweiav eiyev /)
ngoxega SiaS-r'/xy, iv owgayloiv enxä iowgäyiaxo xä yeygauuiva.
Offenbar ift der erfte Punkt nicht hinter, fondern vor negl xovxov xov
ßißXiov zu fetzen (vgl. Ex. 32,32 If. 29,11 f.), und ftatt ngmxyg zu fchreiben
ngi xrjg.

Ferner würde ich Nr. I, 5 xaXy, Nr. 3, 5 etwa uaxugiovg noiel,
Nr. 20, 6 wohl mg Se, Nr. 30 (S. 36, 8)'ficher StA xe xijg, Nr. 35, 7 voüxai
lefen; dafür aber Nr. 5, 3 ehovuevmv, Nr. 11 (S. 26, 4) negl äyyiXov
ixXaßelv, Nr. 15, 7 f. änS-avxä, Nr. 16,1 iwaguöCei, Nr. 16, 3 xaxaonäv,
Nr. 19,3 eloiv, Nr. 20, 5 o'öxmg, Nr. 32, 2 wvXäg xavxag xäg, Nr. 36
(S- 40,1) £,nxtjoeig nicht antaften.

Straßburg i. E. E- Kloftermann.

Seidel, kommiff. Gymn.-Lehr. Pfr. Bruno: Die Lehre des
heiligen Augustinus vom Staate. (Kirchengefchichtliche
Abhandlungen. 9. Bd., t. Heft.) (IV, 53 S.) gr. 8°.
Breslau, G. B. Aderholz 1909. M. 1.50

Die oft fchiefen und zum Teil ganz falfchen Urteile

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