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Ausgabe:

1912 Nr. 3

Spalte:

68-69

Autor/Hrsg.:

Thompson, Herbert (Ed.)

Titel/Untertitel:

A Coptic Palimpsest containing Joshua, Judges, Ruth, Judith and Esther in the Sahidic Dialect 1912

Rezensent:

Rahlfs, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 3.

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fei. Wieviel von den Gemeinfamkeiten in der Religion
der Babylonier und Aramäer urfprünglich den einen und
wieviel den andern angehört, läßt fich zurzeit nur fehr
unvollftändig beftimmen und wohl kaum in irgend einem
Falle mit voller Sicherheit zugunften der Priorität auf
aramäifcher (ich fage nicht: auf weftfemitifcher) Seite.
Auf die hierher gehörenden religionsgefchichtlichen Fragen
geht der Verf. offenbar mit Abficht nicht näher ein und
gar nicht auf die unverkennbaren Beziehungen zwifchen
Aramäern und Hettitern auf dem Gebiet der Religion.

Überhaupt erfahren wir auch aus dem vorliegenden
Buche von den Aramäern nicht, was fie waren, fondern
im wefentlichen nur wo fie waren. Der Untertitel ,hifto-
rifch-geographifche Unterfuchungen' ift ganz richtig gefaßt
. Der Nachdruck liegt auf dem Geographifchen, und
dies wird gegeben in hiftorifcher Form. Da aber der
Verf. doch auch über den Rahmen des Geographifchen
hinausgehend gefchichtliche Entwicklungen zeichnet, be-
fonders ausführlich die Beziehungen aramäifcher Staaten
zu Affyrien, und da er im Vorwort (S. III) beanfprucht,
,das gefamte hiftorifche und geographische Material über
die Aramäer gefammelt und behandelt' zu haben, mache
ich auf die Grenzen aufmerkfam, die er fich trotz jenes
Anfpruchs tatfächlich für das gefchichtliche Gebiet gefleckt
hat. Weshalb er fie gerade fo und nicht entweder
weiter oder noch enger gezogen hat, ift nicht überall erficht-
lich. Die Beziehungen aramäifcher Staaten zum ifraeliti-
fchen Volke find faft nur geographifch verwertet; auf
eine Darfteilung ihres aus dem Alten Teftament an
manchen Punkten nicht undeutlich erkennbaren Verlaufs
hat der Verf. verzichtet. Auf die Fragen, aus welchen
Urfitzen die Aramäer kamen und in welchem verwandt-
fchaftlichen Verhältnis fie zu den andern femitifchen Völker-
fchaften ftanden, geht der Verf. nicht ein. .Gefchichtliches'
ift hier allerdings nicht zu konftatieren. — Überall find
Hauptquelle des Verfs. die babylonifch-affyrifchen In-
fchriften.

Die Abfchnitte A—F des Buches repräfentieren im
Grunde nur zwei Teile, nämlich (nach Angabe der Quellen): 1
1. ,Das Emporkommen und die Entwickelung des Ara-
mäertums', S. 21 — 52, und 2. .Staaten und Siedlungen j
der Aramäer', S. 56—152. Der zweite Teil ift der am j
meiften ausgearbeitete und eigentlich die Grundlage für j
den erften, foweit diefer nicht fpeziell die Verbreitung j
der aramäifchen Sprache behandelt. Die wenigen Seiten j
hierüber (S. 22—25) find eine einigermaßen dürftige Rekapitulation
von Bekanntem. Aus der Art und Entwicklung
der Sprache ließe fich für die Stellung des
Aramäertums innerhalb des Semitismus wohl noch einiges
mehr entnehmen.

Was aber der Titel des Buches ankündigt, die Beantwortung
der Frage: wo find die Aramäer zu fuchen?
ift forgfältig; auch ift hier — foviel ich fehe — nichts
zu vermiffen.

Die Ausgabe des Buches hat mit verzögernden Um-
ftänden zu kämpfen gehabt. Es ift zu bedauern, daß fie
dem Verf. nicht ermöglicht haben, das Neue der letzten
Jahre noch wirklich zu verarbeiten.

Die Infchrift des ,Zakir' ift nachträglich erwähnt, aber doch für
den Zufammei.hang nicht voll ausgenützt worden. Die Literaturaugaben
(z. B. S. XI) berückfichtigen neue Fortfetzungen, Ausgaben und Auflagen
nicht vollftändig. Eduard Meyers großes Werk wird noch nach der
erften Auflage zitiert (z. B. S. 76).

In der Form ift einiges ungefchickt, fo S. 153 ff. f.Gloffen und Materialien
') die Nichtangabe der Stellen, auf die fich die Anmerkungen beziehen
.

Zu Einzelheiten hätte ich verfchiedentlich ein Fragezeichen zu fetzen.
So fcheint mir aus den Amarnabriefen doch noch nicht hervorzugehen,
daß die Aramäer zu Beginn des 14. Jahrhunderts ,den größten Teil des
von Semiten bewohnten vorderen Orients überflutet hatten' (S. 53). Noch
erwähne ich den kühnen Verfuch einer Erklärung des einftweilen un-
verftandenen Gottesnamens IlStt in der Zakir- Infchrift = TlN-bst und
darin 118 =Amurru (,vgl. VW = Samas') = MAR. TU (S. IV. 183 f.).
Darf ich meinerfeits, an einen ganz fpeziellen Punkt anknüpfend, die
'Vermutung wagen, daß die vom Verf. vielfach befprochenen Gambulu

in Südbabylonien (S. 119) das Vorbild find der Ganbanäer, denen Ma-
krizi den Tammuz zuweift (m. ,Adonis u. E.', S. 112). Da er fagt, Tammuz
gehöre weder zu deu Kasdäern noch zu den Kanaanäern, noch zu den
Hebräern, noch zu deu Affyrern (Gerämikah), fondern zu den alten
Ganbanäern (anfcheinend belle LA. el-Ganbänijjin), fo würde Makrizi
bei jener Deutung noch eine merkwürdig korrekte Tradition über die
örtlichen Urfprünge des Tamnvuzdienftes befeffeu haben.

Berlin. Wolf Baudiffin.

A Coptic Palimpsest containing Joshua, Judges, Ruth, Judith
and Esther in the Sahidic Dialect. Edited by Sir
Herbert Thompfon. (XII, 386 S.) gr. 8°. Oxford
1911. London, H. Frowde. geb. s. 21_

Die fahidifche Handfchrift, welche Sir Herbert Thompfon
hier veröffentlicht, ift ein Palimpfeft mit unterer kop-
tifcher und oberer fyrifcher Schrift. Die fyrifche Schrift
flammt aus dem Jahre 913; fie enthält Auszüge aus Eva-
grius, Chryfoftomus u. a. Die koptifche Schrift flammt
wahrfcheinlich aus der erften Hälfte des 7. Jahrhunderts;
fie enthält die fahidifche Überfetzung der Bücher Jofua,
Richter, Ruth, Judith und Efther. Das erfte Blatt des
koptifchen Kodex mit den Seitenzahlen und & und das
letzte Blatt mit den Namen von vier Befitzern (?) find
noch vorhanden. Der koptifche Kodex war alfo zur Zeit
feiner Auflöfung tadellos erhalten; wenn jetzt 42 von den
urfprünglich vorhanden gewefenen 228 Blättern fehlen,
fo erklärt Thompfon dies gewiß mit Recht daraus, daß
der fyrifche Schreiber nicht das ganze Pergament brauchte,
das ihm der koptifche Kodex lieferte.

Der koptifche Kodex beginnt mit Jofua. Thompfon
findet das nicht merkwürdig, da der Pentateuch naturgemäß
einen Band für fich bilde. Aber es ift keineswegs
fo felbftverftändlich, wie es dem Unbefangenen fcheinen
kann. Nach weit überwiegender griechifcher Praxis wird
nicht der Pentateuch, fondern der Oktateuch, d. h. der
Pentateuch nebft Jofua, Richter und Ruth zufammen-
gefaßt, und an diefe Praxis haben fich auch Dillmann in
feiner Ausgabe der äthiopifchen Bibel und Brooke und
M'Lean in ihrer LXX-Ausgabe angefchloffen. Allerdings
fehlen Beifpiele für die entgegengefetzte Praxis
nicht ganz: vor allem muß die griechifche Unzialhand-
fchrift, aus welcher Tifferant kürzlich Fragmente des
Richterbuches herausgegeben hat, nach feiner Berechnung
mit Jofua begonnen haben '; auch flehen Cyrills Glaphyra
als Kommentar zum Pentateuch neben Theodorets Quae-
stiones in Octateuchum.

Eigen ift ferner die Zufammenftellung von Ruth mit
Judith und Efther. Crum hat treffend das .Frauenbuch'
der jakobitifchen Syrer verglichen, in welchem allerdings
zu jenen drei Büchern noch Sufanna hinzukommt. In
griechifchen Handfchriften ift die Zufammenftellung fehlleiten
: nur Paris, graec. 4 (Holmes-Parsons 76) und Vato-
pedi 511 und 513 (f. Swete, Introduction to the O. T. in
Greek 153. 157) fchließen an Ruth als das letzte Buch des
Oktateuchs Efther und Judith an, doch kommt hier immer
noch Tobit hinzu, der überhaupt in der griechifchen Überlieferung
aufs engfte mit Efther und Judith verbunden ift 2.

Der fahidifche Text gerade der Bücher Jofua bis

1) Studi e testi 23: Codex Zuqninensis rescriptus V. T. ed. Tisse-
rant, S. XXXIII. Tifferant führt als Parallelen ,les manuscrits de Holmes
et Parsons 63, 70, 209, 236, 241, le Paris. Coislin. 7, etc.' an, aber 63
enthält den Oktateuch, nur find die erften fünf Bücher bei Holmes-Parsons
als ,129' bezeichnet, und 241 ift eine mit Jofua beginnende Abfchrift
des cod. Alexandr. von Patrick Young, die natürlich ausfcheiden muß.
In Wirklichkeit beginnen mit Jofua außer dem cod. Zuqnin. nur zwei
Handfchriften des bloßen Bibeltextes (Monac. graec. 372 und 454, beide
bei Holmes-Parsons als ,70' bezeichnet) und vier Katenenhand-
fchriften (Holmes-Parsons 209, 236 und die bei Holmes-Parsons nicht
benutzten Coisl. 7 und Iviron 15). Bloß der Pentateuch ift enthalten in
einer jungen Handfchrift des Bibeltextes (Vatic. Pii II. graec. 20, nicht
bei Holmes-Parsons) und in einer noch jüngeren fünfbändigen Katene
(Holmes-Parfons 83).

2) In Vatopedi 513 trennt Tobit fogar Efther und Judith, während
er in den beiden anderen Handfchriften hinter Judith fteht.