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Ausgabe:

1912 Nr. 26

Spalte:

813-814

Titel/Untertitel:

Riguet, Saint Patrice (vers 389-461.) 1912

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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813

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 26.

814

direkten hiftorifchen Zeugnisse, wie durch Vergleichung I Artikel in der R. E.3 Bd. X, 204 ff. niedergelegt hat, zu
der liturgifchen Texte findet er: i.WieJefus bei der Ein- völlig neuen Refultaten gekommen war. Zimmer hatte Patrik,
fetzuno- ,gedankt' hat, fo war auch urfprünglich das eucha- I den Apoftel der Iren, mit dem nach der Chronik des
riftifche Gebet nur eine Dankfagung. Beim ,euchariftifchen ; Prosper Aquitaniens im Jahre 431 vom Papft Coelestin zu
Opfer' habe die ältefte Kirche immer an das Gebetsopfer i den Iren als erftem Bifchof entfandten Palladius identifiziert,
des lobpreifenden Dankes bei der heiligen Feier gedacht. t Seine Wirkfamkeit habe fich aber im wefentlichen auf den
Diefes Gebet war wohl meift frei. Das ältefte Formular , Südweften Irlands, auf das Königreich Leicefter befchränkt,
desfelben findet auch Karabinow in den Gebeten der 1 da bereits von der britifchen Kirche der größte Teil Ir-
öiöarn. Eine fpätere erweiterte Form der nur dank- lands chriftianifiert war. Gegen diefeIdentifikation von Patrik
faxenden Anaphora liege in den Gebeten des Liber VII j und Palladius hatte fchon Robert in feiner jetude critique
der Apoftolifchen Konftitutionen § 33—38 vor, die freilich ! sur la vie et l'oeuvre de saint Patrice Widerfpruch erhoben,

nicht vollftändig erhalten, dazu ftark interpoliert feien
2. Vollftändig gefehlt haben in den drei erften Jahrhunderten
die Verba Teftamenti wie die Epiklefe. 3. Sehr früh feien

und ihm fchließt fich Riguet an. Er fucht auch nachzu-
weifen, daß Patrik in Wirklicheit der erfte Apoftel Irlands
und der Organifator der irifchen Kirche war und nicht erft,

in der Anaphora die Fürbitten gewefen, nur fehr viel j wie Zimmer behauptet, von der römifchen Partei der Iren

kürzer als hernach. 4. Im Anfang des IV. Jahrhunderts
fei es dann in Syrien vor allem in Jerufalem zu einer
liturgifchen Reform gekommen. Unter den bekannten
o-riechifchen Gottesdienftformen hält Karabinow die
Liturgia Jacobi für die ältefte. Von Syrien her habe fich

um 625 dafür ausgegeben wurde. Obwohl wir nun für eine
Biographie Patriks als authentifches Material feine Kon-
feffionen, einen Brief an den Häuptling Coroticus und die
fogenanntenDictaPatricii befitzen, die als echtanzufprechen
find, hat Riguet feiner Darftellung die zahlreichen Viten

das neue Schema der Anaphora über die ganze Kirche j des Heiligen aus dem Ende des 7. bis zum 12. Jahrhundert
verbreitet. Zuerft wurden überall nach den Dankfagungen j zugrunde gelegt. Diefelben mußten auch herangezogen,

eingefügt die Einfetzungsworte in fehr ftereotyper Gebetsform
. Etwas fpäter kam die Anrufung des Heiligen Geiftes
hinzu. Die Tatfache, daß Bafilius in den trinitarifchen
Streitigkeiten fich nie auf fie beruft, beweift, daß fie ihm
und feiner Zeit als ein junger liturgifcher Zufatz galt.
Die klementinifche Liturgie wie die des Jakobus beweifen,
daß die Epiklefe urfprünglich eine Bitte um den Heiligen
Geift für den opfernden Priefter, danach für die mitfeiernde
Gemeinde war und endlich zu einer Bitte um
eine Geifteswirkung auf die euchariftifchen Elemente wurde.

Vorausfetzung für diefe Hypothefe ift, daß Karabinow
bei Beftimmung des zeitlichen Verhältniffes der Apoftolifchen
Konftitutionen L. VII, 33—L. VIII zu der damit
zufammenhängenden Literatur gegenüber H. Achelis fich
F. X. Funk anfchließt, doch fo, daß er annimmt, alle diefe
Schriften hätten aus einer gemeinfamen alten Quelle ge-
fchöpft. Die klementinifche Liturgie fchätzt Karabinow
recht niedrig ein. Ihre Anaphora fei ftark überarbeitet

o---O —}

aber vorher einer gründlichen Kritik unterzogen werden,
um die in ihnen enthaltenen wertvollen Überlieferungen
von den legendarifchen Zügen zu fcheiden. Bei Riguet
werden die von der Hand des Patrik flammenden Dokumente
mit den fpäteren Viten ohne klare und fefte Prinzipien
miteinander kombiniert, fo daß fein Buch nicht als
ein Beitrag angefehen werden kann, der die Forfchung
weiterführt, und die durch Zimmer angeregten, aber noch
nicht abfchließend beantworteten Fragen über die Perfön-
lichkeit und Wirkfamkeit des Patrik einer Löfung entgegenführt
Die Biographie des heiligen Patrik von Riguet
ift im Grunde eine erbauliche Tendenzfchrift zur Verherrlichung
des Heiligen, die im ftrengen Sinne nicht als
eine wiffenfehaftliche Arbeit gelten kann.

Heidelberg. G. Grützmacher.

Valois, Noel, Le Pape et le Concile (1418—1450). La crise
religieuse du XVe siecle. Ouvrage orne de dix Plan-
und interpoliert. ches et Figures. 2 vols. (XXIX, 408 u. 426 S.) gr. 8°.

Nach meinen Erkundigungen ift Karabinow Dozent
an der geiftlichen Akademie zu St. Petersburg. Ausgezeichnet
ift feine Kenntnis der griechifchen Väter. Aber
auch die neuere und neufte liturgifche Literatur beherrfcht
er: die katholifche wie die proteftantifche, die franzö-
fifche, englifche und befonders die deutfehe bis auf die
neueften Forfchungen von P. Drews. Karabinow arbeitet
ftreng wiffenfehaftlich. Bisweilen werden feine Unter-
fuchungen breit, immer aber find fie forgfältig, vorurteilsfrei
, felbftändig, oft fcharffinnig. Im einzelnen bietet er
viel Anregendes. Überzeugt hat mich fein Nachweis, daß
die Verba Teftamenti wie die Epiklefe erft fpäte Zufätze
find. Nicht gelungen ift es ihm jedoch, zu beweifen, daß
in Liber VII der Ap. Konftitutionen die Anaphora des
II. und III. Jahrhunderts vorliegt. Vergleicht man die
Händig um die Euchariftie zentrierenden Gebete der öidaxrj,
fo ift^es fchlechterdings unglaublich, daß eine längere
Gebetsreihe, die nur ganz kurz die Erlöfung, gar nicht das
Abendmahl berührt, eine Anaphora gewefen fein könnte.

Jedenfalls wird jeder proteftantifche Theologe mit
mir fich freuen, unter den ruffifchen Theologen einem fo
tüchtigen, ernft'wiffenfchaftlichen Mitarbeiter zu begegnen.

Dorpat. T. Hahn.

Riguet, Abbe: Saint Patrice (vers 389—461.) (,Les Saints')
(VII, 203 S.) kl. 8°. Paris, V. Lecoffre 1911. fr. 2 —

Die Perfönlichkeit des Apoftels Irlands, des heiligen
Patricius verdient eine eingehende Unterfuchung, zumal
nachdem Zimmer in feinen Arbeiten über die keltifche
Kirche, deren Refultate er kurz zufammenfaffend in dem

Paris, A. Picard et Fils 1909. fr. 20 —

In dem Obertitel ift der Grundirrtum ausgefprochen,
der diefes Buch zu einem Fehlfchlag ftempelt. ,La crise
religieuse': der Kampf zwifchen Papft und Konzil fpielt
nicht auf dem Gebiete der Religion, fondern der Politik,
er ift kein Kampf um Glauben und Bekenntnis, fondern
ein Kampf um Recht und Macht, um die Verfaffung der
Kirche und um die Herrfchaft in ihr. Vergebens ift von
beiden ftreitenden Teilen der Verfuch gemacht worden,
den Kampf auf das Gebiet des Glaubens hinüberzufpielen,
indem man den Gegner für ketzerifch erklärte. Die Welt
hat fich auf diefe Verfchiebung der Begriffe nicht eingeladen
. Die Zeitgenoffen haben in dem Streite nie etwas
anderes gefehen als eine Frage der Politik. Wer das
verkennt, kann natürlich den Dingen nicht gerecht werden.
Es ift aber die Frage, ob der Verf. des vorliegenden
Buches ihnen überhaupt gerecht werden wollte. Hätte
er das, wie konnte er dann von feiner Darftellung gerade
das ausfeheiden, was eigentlich den Gegenftand des von
ihm gefchilderten Kampfes bildet, die Reform der Kirche?
Er fpricht von ihr nur ganz nebenbei, wo es fich nicht
umgehen läßt, und von den Ergebniffen der Reform, den
nationalkirchlichen Konkordaten und Landesgefetzen,
fpricht er fo gut wie garnicht. Die Pragmatifche Sanktion
von Bourges übergeht er mit der merkwürdigen Begründung
, er habe über fie fchon ein Buch gefchrieben.
In diefem Buche — es ift drei Jahre früher erfchienen —
hat er wiederum das Konzil von Bafel beifeite gelaffen.
Kann man folch ein Verfahren, folch ein Auseinanderreißen
der natürlichen Zufammenhänge noch Gefchichtfchreibung
nennen?