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Ausgabe:

1912 Nr. 25

Spalte:

795

Autor/Hrsg.:

Pfleiderer, Otto

Titel/Untertitel:

Religion und Religionen. 2. Aufl 1912

Rezensent:

Schuster, Hermann

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795

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 25.

796

Referate.

Dal man, Prof. Guftaf: Die Worte Jehl. Mit Berückfichtigung des
nachkanon. jüd. Schrifttums u. der aram. Sprache erörtert.
Bd. L Einleitung u. wicht. Begriffe. Nebft Anh.: Meffianifche
Texte. (Anaftat. Neudr.) (XV, 320 S.) gr. 8". Leipzig, J. C.
Hinrichs 1898 (1912). M. 8.50

Das Buch ift feiner Zeit bald nach feinem erften Erfcheinen

von Carl Clemen 1899, Sp. 486—490 ausführlich befprochen.

Auf diefe Befprechung verweifen wir aus Anlaß des vorliegenden

anaftatifchen Neudrucks. S.

Pfleiderer, Otto: Religion und Religionen. 2. Aufl. (VII, 249 S.)
8°. München, J. F. Lehmanns Verlag 1911. M. 4 —; geb. M. 5 —
Das fchöne Buch ift zum erften Male 1906 erfchienen und
1907 Sp. 336—338 von E. W. Mayer angezeigt. Daß jetzt nach
des Verfaffers Tode noch eine 2. Ausgabe erfolgt, ift um der
Sache und um des Andenkens Pfleiderers willen mit Befriedigung
zu begrüßen.

Hannover. Schufter.

Mitteilungen.

36. Auf dem III. Internationalen archäologifchen
Kongreß, der vom 9. bis 16. Oktober in Rom tagte, wurden
über 200 Vorträge in 12Sektionen gehalten. Ich will verfuchen, ohne
daß mir mehr als ein einziges Bulletin vorliegt, auch aus eigenem
Hören einige Vorträge auch an diefer Stelle kurz wiederzugeben,
ev. mit dem Titel aufzuführen, welche die Lefer der ,Theo-
logifchen Literaturzeitung' intereffieren können. Ein für Anfang
November in Ausficht geftelltes Bolletino über die ganzen Verhandlungen
diefes Kongreffes ift noch nicht eingetroffen. Ich
erwähne einen Vortrag von A. J. Reinach über vorhellenifche
Hoplolatria (Waffenverehrung), die im ganzen Mittelmeer als
Waffenverehrung fpontan in einer, der Litolatria, der Fitolatria
und der Zoolatria (Stein-, Pflanzen- und Tierverehrung) folgenden
Periode entfpringt und (ich noch lange in Thrakien, Lydien und
Karien erhält. Reinach weift den orientalifchen Urfprung diefer
Kulte zurück und weift auch dem fyrifchen Gott Haddad Rom-
man ägäifcben Urfprung zu. Das Symbol der Doppelaxt (Labrys)
auf Kreta ift nicht aus der Fremde importiert, fondern ebenfalls
fpontan auf der Infel entftanden, obwohl ein libyfcher Urfprung
nicht geradezu unmöglich ift. — Den älteften Tempel von Eleufis
behandelte F. Noack (Tübingen). Die urfprünglichen Traditionen
find durch alle Neubauten gewahrt; Megaron und Treppenanlage
der altkretifchen Paläfte von Phaiftos und Knofos find urfprüng-
lich nach Eleufis übernommen, wie ja auch der Kult der Demeter
von Kreta nach Eleufis gekommen fein foll.— Fritz Hommel
(München) fprach über Aftralfymbole auf den Grenzfteinen des
alten Babyloniens, den fog. Kudurrus, aus der Zeit von ungefähr
1300 v. Chr. und ihre Bedeutung für die Archäologie und die
Gefchichte der Religion. — Minocchi entwickelte feine Ideen
über die Venus-Ishtar in dem babylonifchen Gilgamesh-Epos und
zeigte den Kontraft, der in den verfchiedenen Teilen der Dichtung
befteht, fo daß man auf fpätere Einfügungen in das Originalepos
fchließen muß. Auf andere Weife find folche Stellen, wie die,
in der von Kultbeziehungen zwifchen Gilgamesh und Ishtar
die Rede ift, nicht mit der zu vereinigen, wo Gilgamesh die
Liebeserwerbungen der Ishtar zurückweift. — Der franzöfifche
Religionsforfcher Toutain referierte über die Religion von Pal-
myra und den Kult des Saturn im römifchen Afrika. Er findet
eine Trias von Göttern, die aus dem Saturn-Baal, Sonne und
Mond, zufammengefetzt ift und die urfprünglich im nördlichen
Syrien entftanden fein muß. Die aftronomifchen Elemente diefes
Dreigötterkults find wahricheinlich babylonifchen Urfprungs. —
In der Sektion für chriftliche Archäologie begann Monsignore
Bulic (Spalato) mit einer Huldigung für De Rossi, den Vater
der chriftlichen Archäologie, um dann über Arbeiten an den alten
Kirchen von Salona zu fprechen. — Orazio Marucchi berichtete
über feine letzten Entdeckungen und die letzten Studien in
den römifchen Katakomben fpeziell über die Monumente
flavifcher Chriften, die man in den Domitillakatakomben während
der letzten zwei Jahre entdeckt hat. Ein gewiffer Narcissus,
ein gewefener Sklave der Agrippina Augustea, wird von ihm mit
jenem Narcissus identifiziert, welcher zur Zeit des Apoftels
Paulus zum kaiferlichen Hausftande gehörte (f. jetzt auch de W.
Rom. Quartalfchrift 1912. 3, ad: Philipper 4. 22). Erft jüngft wurden
an gleicher Stätte Überreife des älteften Grabes der Märtyrer
Nereus und Achilleus gefunden, wonach man ihre Verfolgung
alfo nicht in fpäte Zeit, fondern in das 2. Jahrhundert n. Chr.
setzen müßte. — Georg Dervos fprach über Hierotheos, den
erften Bifchof von Athen. In den alten griechifch-orthodoxen
Martyrien und in anderen Quellen ift erzählt, daß ein gewiffer

von dem Apoftel Paulus getaufter Hierotheos der erfte Bifchof
von Athen war. Die orthodoxe Kirche befteht noch heutzutage
auf der Wahrheit diefer Legende, aber ein folcher Bifchof hat
überhaupt nicht exiftiert. Die Autorität der ,Akten' und die
Gewißheit, daß der erfte Bifchof von Athen Dionysios Areopagita
war, fprechen dagegen. Der Urfprung der Legende liegt in den
pfeudodionyflfchen Schriften des 5. und 6. Jahrhunderts, die zum
Teil in jenem Syrien entftanden find, wo die Fälfchungen über
den Apoftel Paulus ganz gewöhnlich find, wie auch die Erzählungen
über fein Verhältnis zu Simon, dem Magier, dartun. — Giorgio
Schneider Graziosi berichtet über die noch exiftierenden
Denkmäler und die topographifche Identifikation der alten chriftlichen
Begräbnisftätte von Velletri, fpeziell dann auch über den
berühmten Sarkophag aus dem 4. Jahrhundert, der aus ihr ftammt.

— Viktor Schultze fprach dann über die Bedeutung des
chriftlichen Fifchfymbols, wobei alle Beziehungen zu anderen
orientalifchen Religionen für ,Ichthys' zurückgewiefen wurden. —

In das Gebiet der Religionsgefchichte gehört auch eigentlich
noch der Vortrag des amerikanifchen Archäologen Frothing-
ham, ,der Urfprung von Rom in einem Auguralgefetz wider-
gefpiegelt'. Nicht verfchiedene Raffen oder verfchiedene Gründungsepochen
find die Urfachen der Scheidung der drei römifchen
Gemeinden auf dem Palatin, Quirinal und Coelius; vielmehr
(fand der alte Glaube, daß fließende Waffer nicht innerhalb der
heiligen Grenze einer Kommune fein dürfen, im Wege. Erft die
Kloaken des Servius Tullius machten diefen Wafferläufen, welche
aus Auguralgründen die Vereinigung der Kommunen gehindert
hatten, ein Ende. Denn damit waren die fließenden Waffer Roms
gedeckt und nicht mehr imftande, die Auguralformeln zunichte
zu machen oder zu fchädigen. Maas.

37. Aus dem, dem archäologifchen Kongreß in Rom folgenden
und vom 16. bis 21. Oktober dafelbft tagenden Internationalen
kunftgefchichtlichen Kongreß ift auch noch Einiges zu
erwähnen, das die Lefer der ,Theologifchen Literaturzeitung'
intereffieren könnte. Jofef Wilpert hielt die Fahne Roms
gegen den Orient aufrecht und bezeichnete Rom als die Gründerin
der altchriftlichen und mittelalterlichen Monumentalkunll.

— Giuseppe Galassi hat in San Vitale in Ravenna in der
Mofaikdekoration einen byzantinifchen und einen römifchen Stil
unterfchieden und glaubt fie genau voneinander trennen zu können.
In Rom hat die byzantinifche Kunft nur in der Zeit des griechi-
fchen Papftes Johann VII., in Ravenna nur unter Juftinian eine
Erfcheinung aufzuweifen. Die beiden Zentren hehalten fonft die
römifchen Traditionen ununterbrochen bei. — Der amerikanifche
Archäologe A. L. Frothingham behandelte eine neue Methode,
um byzantinifche Werke von den italifch-byzantinifchen zu unter-
fcheiden, indem er auf die Orientierungsdifferenzen hinwies, in-
folgederen Vertaufchungen zwifchen rechts und links vorkommen

| können. Die byzantinifche Kunft (feilt rechts, die griechifche
links. Diefe Beobachtung ift für die Darftellungen auf chriftlichen
Sarkophagen von größter Wichtigkeit, in denen Chriftus
dem Petrus das Gefetz übergibt. — Ein bedeutfamer Vortrag von
A. Warburg (Hamburg), ,Italienifche Kunft und internationale
Archäologie', zeigt die bis jetzt nicht erkannten mythologifchen
Quellen der aftrologifchen Zonen in den Malereien des Palazzo
Schifanoja in Ferrara. — Da die fämtlichen Vorträge des römifchen
kunftgefchichtlichen Kongreffes mit Beigabe von erläuternden
Abbildungstafeln baldigft im Verlage von E.A.Seemann in Leipzig

j erfcheinen werden, fo wird den chriftlichen Archäologen und den
Forfchern im Gebiete der kirchlichen Kunft dann das vollftändige
Material aus den Verhandlungen diefes Kongreffes zur Verfügung
ftehen und noch vielerlei bieten können. Maas.

Wichtige Rezenlionen.

Von Lic.theol. Paul Pape in Berlin NO. 55, Belforter Str. 28.

Bezügl. Hinweise und Sendungen sind jederzeit erwünscht.
Waee-Piercy: Dictionary of Christ, biography (v. VBartlett: RevofTh
Phil ign, dec; SaturdRev 1912, 24febr; v. JdeGhellinck: RevHistEccl
1912, 3 ; v. GKr: LtZtrbl 1912, 28).
! Wade: The book of Jesaiah (Athenaeum 1911, 5 aug; v. WBStevenson:

RevofThPhil 1912, may; AmerJournTh 1912, 3).
! Walter: Franz v. Affifui. d. Nachahmung Chrifti (v. KWenck: ZKgefch
1911, 2; v. Jordan: ThLtber 1911, 7; v. Daufch: ThRev 1911, 12).
Walther: Die Gebetserhörung (v. AFörftemann: ThRev 1912, 4; v. Bachmann
: ThLtbl 1912, 11; v. Behm: ThLtber 1912, 1; v. AFürftenau:
ThRev 1912, 4; v. WüCarver: RevExpos 1912, 2).
Weinand: Die Gottesidee d. Grundzug d. Weltanfch. d. hl. Auguftin
(v. Jordan: ThLtber 1911, 7; v- OScheel: DtfchLtz 1911, 37; v. HVogels:
LtRdfchKathDtfchl 1911, 5; v. GRaufchen: ThRev 1911, 6; v. FCram-
pes: BullAncLitArchChret 1911, 3; v. WKoch: ThQuartfch 1912, 2).