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Ausgabe:

1912 Nr. 25

Spalte:

789

Autor/Hrsg.:

Ménégoz, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Das Gebetsproblem im Anschluß an Schleiermachers Predigten und Glaubenslehre 1912

Rezensent:

Wendland, Johannes

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789

Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 25.

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bar war. Ein Lesartenverzeichnis (in Bd. I, S. 519—38) j Frank, Karl, S. J.: Die Entwicklungstheorie im Lichte der

legt über die Arbeit am Texte Rechenfchaft ab. Ich Tatfachen. (Stimmen aus Maria-Laach. Ergänzungsheft

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brauche hier nicht auf Einzelheiten einzugehen; wird das
doch auch erft möglich fein, wenn der Text in längerem
Gebrauche erprobt ift. Daß er im erften Bande Stich
halten werde, dafür dürfte Buchenaus Name bürgen, der
in feinen Descartes- und Leibnizausgaben (in der Philo-
fophifchen Bibliothek) bewiefen hat, daß er philologifche
Genauigkeit mit fcharfem Blick für die fyftematifchen
Notwendigkeiten vereinigt

Der vorliegende Band enthält die Werke von 1747
—1756: die ,Gedanken von der wahren Schätzung der
lebendigen Kräfte', die Schrift über die Achfendrehung
der Erde, .Die Frage, ob die Erde veralte, phyfikalifch
erwogen', die .Allgemeine Naturgefchichte und Theorie
des Himmels', die Abhandlung de igne, die .Nova diluci-
datio', die Schriften über das Erdbeben von 1755, die
.Monadologia physica' und die .Anmerkungen zur Erläuterung
der Theorie der Winde'. Mag Kant auch über
diefe erften Verfuche in feiner reifen Zeit die Achfeln
gezuckt haben; niemand wird fich bei erneuter Lektüre —
von dem entwicklungsgefchichtlichen Wert der Jugendarbeiten
ganz abgefehen — dem Marken fchriftftellerifchen
Reiz entziehen können, den etwa Abhandlungen wie die
über das Liffaboner Unglück auch auf den verwöhnteften

Nr. 106.) (IX, 164 S. m. 48 Abbildgn.) Freiburg i. B.,
Herder 1911. M. 3 —

F. gehört zu jenen rührigen Männern des Jefuiten-
ordens, die den Fortgang biologifcher Forfchungen emfig
verfolgen, um ihn zur Aufklärung über die Probleme der
Entwicklungstheorie unter möglichfter Wahrung theolo-
gifcher Dogmen zu benutzen. Mit feinem Ordensgenoffen
Wasmann einig in der Tragweite des Entwicklungsgedankens
, der jedenfalls bei der Entftehung des Lebens,
des tierifchen Organismus, des Geiftes feine Grenze finde,
will er verfuchen, den Gegenlatz zwifchen den eigentlichen
Ergebniffen der biologifchen Forfchung und den ihnen
hinzugefügten Poftulaten oder den Gegenfatz des Sicheren,
des Wahrfcheinlichen und der .reinen Poftulate' feftzuftellen
und dadurch das wirkliche Erklärungsgebiet der Ent-
wicklungshypothefen klar zu umgrenzen. Er verlangt in
höherem Maße als bisher gefchehen von der Naturwiffen-
fchaft, daß fie den Entwicklungsreihen der einzelnen
Gruppen von Wefen nachgehe, ftatt ganz im allgemeinen
einen genetifchen Zufammenhang zwifchen den Gruppen
gleichlam nur als Poftulat zu behaupten. Er dürfte mit
diefer unter methodologifchemGefichtspunkt gewiß berech-

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neuzeitlichen Lefer ausüben, und der darin feinen tiefften 1 tigt erfcheinenden Forderung auch heute Beifall finden, wie

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Grund hat, daß hier ein ungeheures Erfahrungsmaterial mit
philofophifchemGeifte durchdrungen und geordnet erfcheint.

Wir fehen dem zweiten Bande, deffen Inhalt uns bis an
die Schwelle der Vernunftkritik führen foll, mit Spannung
entgegen.

Es bedarf eigentlich keiner befonderen Erwähnung,
daß der Verlag hier wieder etwas buchkünftlerifch Hervorragendes
gefchaffen hat. Das kräftige Papier, die
fchlichte vornehme Antiqua, deren Kurfive in Überfchriften
u. dgl. befonders gut wirkt, find des Inhaltes würdig. Bei
dem Einband, befonders dem freilich fehr koftfpieligen
der Vorzugsausgabe, fcheinen gute englifche und fran-
zöfifche Mufter der Empirezeit vorgefchwebt zu haben.
Wir beglückwünfchen den Verlag zu dem fchönen Unternehmen
, womit er einen Bau krönt, denen befte Stützen
Ernft Caffirers Werke und Hermann Cohens ,Syftem der
Philofophie' bilden.

Düffeldorf._Paul Wüft.

M enegoz, Pfr. Priv.-Doz. Lic. Ferdinand: Das Gebetsproblem
im Anfchluß an Schleiermachers Predigten u. Glaubenslehre
neu geftellt u. unterfucht. (VIII, 66 S.) 8° Leipzig,
J. C. Hinrichs 1911. M. 1.80

Ferdinand Menegoz wählt mit Recht Schleiermachers
Ausführungen über das Gebet (Glaubenslehre § I46f. u.
2. Predigt der 1. Sammlung, dazu andere Predigten) als
befte Grundlage der Problemftellung aus. Die Vorzüge
wie die Schwächen der Schleiermacherfchen Ausführungen
werden in klarer Weife erörtert. Schi, hat endgültig die
Gedanken überwunden, daß Gott dem Betenden zu Liebe
etwas tue, was er fonft nicht getan hätte. Der Willkür-
Gott ift abgetan. Aber Gott wird von Schi, zu fehr mit
der Weltgefetzlichkeit identifiziert. Infolgedeffen hat Schi,
nur Verftändnis für die Seite des Gebets, nach der es
Ergebung und Frieden zum Zweck hat, nicht für das
Gebet als aktive fittliche Tat. Der Grund hierfür liegt
in Schleiermachers äfthetifcher, nicht perfonaliftifcher
Metaphyfik und Religionstheorie. Doch würde ich diefe
Metaphyfik nicht mit Menegoz (S. 18 und 35), .intellektua-
üftifch' nennen. M. fuhrt aus (S. 46), daß alle unfere
Vorftellungen über das Verhältnis von Gebet und Erhörung
fymbolifch-inadäquat bleiben müffen. Während Schleiermacher
jede Wechfelwirkung zwifchen Gott und Menfch
ablehnt, muß die lebendige Frömmigkeit — wenn auch
in anthropomorphen Wendungen — eine folche fefthalten.
Bafel. Johannes Wendland.

er denn zu ihr geführt ift durch die in jüngfter Zeit mehrfach
begonnene Revifion der zuvor vielfach auf geringe
Indizien hin angenommenen genetifchen Zufammenhänge
zwifchen den organiifchen Gruppen. Im erften Teil wird
aus einem kurzen, die fachliche Kenntnis beim Lefer
vorausfetzenden, Uberblick über die paläontologifchen
Tatfachen u. a. das Ergebnis abgeleitet: ,Die höheren
Klaffen der Wirbeltiere erfcheinen nach den niederen,
innerhalb der Klaffen fehr oft auch die höheren Ordnungen
fpäter als die niederen', ohne daß daraus fchon Urteile
über die Abftammungsverhältniffe gefolgert werden dürften.
Die befonders eingehend ausgeführten und durch zahlreiche
trefllich unterrichtende Abbildungen verdeutlichten
Befprechungen der paläobotanifchen Tatfachen vermögen
nicht über die wenig angenehme Refignation zu erheben,
daß uns die frühefte Gefchichte der Pflanzenwelt ganz
unbekannt ift und daß uns für die ältefte Zeit nur aus
der vorhandenen Fauna der Schluß auf eine nicht unentwickelte
gleichzeitige Flora übrig bleibt. Aber trotz der
Lückenhaftigkeit der Funde hält auch F. für wahrfchein-
lich, daß die Gymnofpermen nach den Pteridophyten und
die Angiofpermen nach den Gymnofpermen aufgetreten
find. Aber fobald nach der Abdämmung gefragt wird,
betont F. nicht mit Unrecht, daß für keine einzige Gruppe
der Indizienbeweis erbracht ift, daß fie fich aus einer
niedrigeren herausgebildet habe. Das ift freilich keine
neue Einficht, und bei ihrer Anwendung in Einzelfällen
ift F. nicht gerade glücklich. Will es fchon als übertriebene
Einfeitigkeit erfcheinen, daß ,die aprioriftifche
Hypothefe Darwins' für den wahren Fortfehritt eines Ver-
ftändniffes der organifchen Entwicklung ,rein nichts ge-
leiftet' habe, fo ift auch der Agnoftizismus in Einzelbetrachtungen
zu weit getrieben wie z. B. in der Meinung,
daß der Archaeopteryx ,über die Gefchichte der Vögel fo
gut wie gar nichts' ausfage. — Im zweiten Abfchnitt
wird dem vitaliftifchen Problem und den genetifchen
Zufammenhängen näher getreten. Was das erftere anlangt,
fo übt der Verf. hier jedenfalls nicht die von ihm felbft
geforderte Befcheidung und Zurückhaltung. Demgemäß,
daß er felbft von Urzeugung im Sinne der Entftehung
des Lebens aus Anorganifchem nichts wiffen will, ftellt
er auch in Abrede, daß irgend eine Vorausfetzung für
die Annahme der Urzeugung als eines Poftulates vorhanden
fei. Und wenn man noch beipflichten kann, daß wir ,nicht
berechtigt find, das Entliehen der Organismen auf unterer
Erde als das Ergebnis eines Entwicklungsprozeffes auf-
zufaffen', fo ift doch das Maß wiffenfehaftlich zuläffiger