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Ausgabe:

1912 Nr. 25

Spalte:

782-783

Titel/Untertitel:

Studien und Versuche zur neueren Geschichte. Max Lenz (zum 60. Geburtstag) gewidmet von Freunden und Schülern 1912

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 25.

782

Ichen Standpunkt abgefehen, der dem Verfaffer nicht
einmal die Ünterfcheidung von Alt- und Jung-Nicänern
erlaubt — befremden doch manche Äußerungen. S. 20
wird des Hieronymus windiges Büchlein de viris illuftri-
bus eine bahnbrechende' Leiftung genannt. S. 46 wird
behauptet, ,die Nachwelt habe das (literarifche) Erbe des
Athanafius begreiflicherweife in hohen Ehren gehalten',
während fie es doch mit Fälfchungen durchfetzt hat.
Zum Schluffe ein paar Bemerkungen zu den Stellen, in
denen fich der Verfaffer mit mir auseinanderfetzt. Daß
er meine Unterfuchung über den pfeudoauguftinifchen
Traktat Contra Novatianum (Abhandlungen, Alexander
v. Oettingen gewidmet, 1898, S. 54ff) überleben hat, würde
ich nicht erwähnen, wenn Ausnahmen von der Regel der
Vollftändigkeit in diefem Werke nicht fo feiten wären.
S. 9 polemifiert der Verf. gegen meinen Satz (Dogmengefch.
24 S. 76), eine Hauptaufgabe der pneumatifchen Exegefe
fei es gewefen, die Ausfagen der h. Schriften mit der
herrfchenden Dogmatik zu konformieren; denn, fo meint
der Verf., ,gerade da, wo das Dogma in Frage kommt,
mußte vielmehr die Allegorefe zurücktreten'. Gewiß, d. h.
in vielen Fällen; aber in anderen war ein widerftreben-
des Schriftwort nur durch Allegorefe aus dem Wege zu
räumen. Bedarf es dafür Beweife? S. 43 wird das anti-
ochenifche Synodalfchreiben, das ich gegen Schwartz für
unecht erklärt habe, für eine Fälfchung .allem Anfchein
nach' erklärt. Ich freue mich diefer Zuftimmung. S. 240
danke ich ihm für die Berichtigung des Irrtums, wir befäßen
kein Zeugnis, daß Eufebius v. Cäfarea das Presbyter-
Amt bekleidet habe. S. 3iof. erklärt er fich gegen die
von La Croze und mir aufgeftellte Hypothefe, Diodor fei
der Verfaffer von 4 pfeudojuftinifchen Traktaten; allein ich
kann diefe Hypothefe durch Funks u. a. Gegenbemerkungen
nicht für widerlegt anfeben. Was endlich die
Behauptung betrifft (S. 468), Schmidt habe ein für
allemal die Hypothefe eines entfcheidenden Einfluffes
des Victorinus auf Auguftin abgetan, fo verweife ich auf
meine Dogmengefch. 34 S. 36.

Berlin._A. Harnack.

Münz, Dr. J.: Moses ben Maimon (Maimonides). Sein Leben
u. feine Werke. (VII, 335 S.) gr. 8°. Frankfurt a. M,
J. Kauffmann 1912. M. 4 —; geb. M. 5 —

Die erfte Hälfte diefes biographifchen Werkes ift im
Jahre 1902 als I. Teil erfchienen, zu deffen vier Kapiteln
hier drei neue hinzutreten und das Lebensbild der größten
Geftalt des mittelalterlichen Judentums vervollftändigen.
Die Überfchriften der fieben Kapitel lauten: Maimonides'
Jugendjahre und feine erfte Wirkfamkeit; M.'s Mifchna-Kom-
mentar; M.'s Wirkfamkeit als rabbinifche Autorität; M.'s
Religionskodex Mifchne-Thorn; M.'s philofophifcb.es Hauptwerk
, More Nebuchim, Führer der "Verirrrten; M. als Arzt
und medizinifcher Schriftfteller; M.'s Charakter, fein
Familienleben und fein Heimgang. Diefe Überficht zeigt,
daß die Darfteilung der literarifchen Tätigkeit M.'s in den
Rahmen der Lebensbefchreibung eingefügt ift; außer den
in den Überfchriften genannten drei Hauptwerken find
auch die kleineren Schriften M.'s mit hinreichender Auf-
merkfamkeit behandelt, befonders auch die medizinifchen
Schriften, die im Verein mit der Schilderung der ärztlichen
Praxis M.'s den Inhalt des fechften Kapitels bilden.
Das umfangreichfte Kapitel (5.) bietet nicht nur einen
Abriß der religionsphilofophifchen Gedankengänge des
.Führers der Verirrten', fondern auch eine über den
Rahmen der Biographie hinausgehende Darlegung des
Einfluffes, den diefes Hauptwerk M.'s innerhalb des Judentums
(S. 210-231) und im Gebiete der chriftlichen Scho-
laftik (231—239) geübt hat, ferner einen Hinweis auf feine
Würdigung und fein Studium in der Neuzeit feit Spinoza.
Auch fonft geftattet fich der Verf. derartige Erweiterungen
des Gegenftandes, aber immer in der berechtigten Abficht
, die Bedeutung M.'s und feiner Werke gefchichtlich

zu beleuchten. Anderleits vermiffen wir in der Darfteilung
der Hauptwerke ein genaues Eingehen auf ihren Inhalt,
ihre literarifche Form und ihre für Maimuni befonders
charakteriftifche Methode. Das gilt namentlich von dem
Religionskodex Mifchne-Thora, von deffen Inhalt ein
recht mangelhaftes Bild geboten wird. Eine empfindliche
Lücke ergibt fich auch aus dem Umftande, daß nirgends
auf die Bibelexegefe eingegangen wird, obwohl diefe eine
wefentliche Stelle im Lebenswerke M.'s einnimmt und
feine hierher gehörigen Anfchauungen von entfcheidender
Bedeutung für die Nachwelt waren. Jedoch wollte der
Verf. vor allem ein für weitere Kreife beftimmtes Lebensbild
bieten, eine in gutem Sinne populäre Darftellung;
und das ift ihm auch in vollem Maße gelungen. Er hat
die Forfchung über Maimonides zwar nicht mit neuen
wiffenfchaftlichen Ergebniffen bereichert; aber er verftand
es, unter fleißiger Benutzung der Fachliteratur, eine anziehende
, lebendig gefchriebene, ftellenweife enthufiaftifche,
aber von falfcher Panegyrik fich frei haltende Darfteilung
des Lebens und Wirkens feines Helden zu bieten. Sein
Buch ift mit umfo größerer Anerkennung zu begrüßen,
als wir eine vollftändige Biographie Maimuni's noch nicht
befitzen. Zu rühmen ift auch die gute Ausftattung des
Buches, das nur feiten durch unliebfame Druckfehler verunziert
wird.

S. 202 Anm. I fehlt in der Aufzählung der von Jehuda
Ibn Tibbon überfetzten jüdifch-arabifchen Werke das
fprachwiffenfchaftliche Hauptwerk des Abulwalid Ibn
Ganäh. S. 294 Z. 4 muß es heißen: ,den ganzen Inhalt
des Talmuds'. — Ebendort Anm. 4 hätte auf meinen
Artikel: Hebräifche Verfe von Maimuni in der Monats-
fchrift für Gefch. und Wiff. des Judentums LIII (1909),
581- 588 verwiefen werden follen. S. 319 Anm. 1 fehlt
die Angabe, daß Ibn Aknins Kommentar zu Abot (Sefer
Müsar) bereits ediert ift.

Budapeft. W. Bacher.

Studien und Verfuche zur neueren Gefchichte. Max Lenz
(zum 60. Geburtstag) gewidmet v. Freunden u. Schülern.
(Umfchlag: Lenzfeftfchrift.) (VII, 480 S.) gr. 8°. Berlin,
Gebr. Paetel 1910. M. 12—; geb. M. 14 —

Sieben Beiträge zu diefer Feftfchrift (von Rachfahl,
P. Haake, W. Stolze, Herrn, v. Caemmerer, H. Delbrück,
E. Brandenburg und Herrn. Oncken) gehören der poli-
tifchen Gefchichte an; an Briegers Arbeit: ,Die Gliederung
der 95 Thefen Luthers' haftet das Intereffe des
Kirchenhiftorikers. Das Thema aufzuwerfen, ift nicht
überflüffig, denn die bisherige Behandlung der 95 Thefen
hat einen lichtvollen Aufbau, eine fefte Ordnung der
Gedanken nicht nachgewiefen, man mochte meinen, daß
diefe erfte reformatorifche Arbeit Luthers ziemlich eilig
und unüberfichtlich verfaßt worden fei. Gern laffen wir
uns von Br. eines Befferen belehren und folgen lernbereit
feiner eindringenden Analyfe. Er teilt: 1—7 Einleitung
; 8—29 I. Hauptteil: das Fegefeuer und der Papft
(Unterteile 8—19: die Seelen im Fegefeuer; 21—29: der
angebliche und der wirkliche Einfluß des Papftes auf fie).

II. Der Ablaß für die Lebenden, 30—80. Allgemeine
Würdigung 30. 31. Von der Predigt des Ablaffes 32—55
(Unterteile: 32—38 die falfche Ablaßpredigt der erzbifchöfl.
Inftruktion; 39. 40 die Schwierigkeit der Äblaßpr.; 41—52
die rechte Ablaßpredigt; 53 — 55 Ablaßpredigt und Predigt
des Wortes Gottes); Kritik feiner theoret. Grundlage 56
bis 66; Tadel der Extravaganzen der Ablaßprediger und
Pflichtvergeffenheit der Bifchöfe und Pfarrer 67—80.

III. 81 — 91: Von den fpitzigen Einwürfen der Laien.
92—95 Epilog.

Das ift unleugbar überfichtlicher, als was bisher über
die Ordnung der Thefen vorgebracht worden ift. Unbedingt
ftimme ich ihm zu, wenn er nach Thefe 7 und
wieder nach 29 Einfchnitte macht, ebenfo in der Gliederung
der Thefen von 81 an. Nur möchte ich für 8—29