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Ausgabe:

1912 Nr. 25

Spalte:

777-779

Autor/Hrsg.:

Gebhardt, Oscar von

Titel/Untertitel:

Die Akten der edessenischen Bekenner Gurjas, Samonas und Abibos 1912

Rezensent:

Anrich, Gustav Adolf

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Theologifche Literaturzeitung 1912 Nr. 25.

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glaube alfo neben dem Großattifchen die Möglichkeit
anderer Entftehungsgebiete und Ausbreitungswege der
Koine offen halten zu muffen, vor allem zu Gunften
des makedonifchen Reiches.

Doch ift auch fo der Wert von Sehls Arbeiten für
die Koineforfchung groß genug, befonders weil man in
der zweiten aus einer beftimmten Infchriftengruppe die
Belege für die wichtigeren Wörter bequem beifammen
findet; nur möchte man wünfehen, Schi, wäre mit der
Angabe der Bedeutungen (wie mit dem erläuternden Text
überhaupt) nicht fo fparfam gewefen; gerade für das
Studium der Sprache der LXX und des NT war fie bei
Wörtern wie ißzpaviCeiv und trrev£.iq (S. 29), Xrjirovgyelv
(34), XQrlßar^tlv (43) unerläßlich; der Abfchnitt ,Wörter
mit anderer Bedeutung in der Koine' (S. 59—62) wäre
dann wohl um einige Nummern vermehrt worden. —
Der Artikel tiiaTca/iog (S. 66) ift auf S. 71 verfehentlich
wiederholt.

Bafel. A. Debrunner.

Gebhardt, Oscar von: Die Akten der edeffenifchen Bekenner
Gurjas. Samonas u. Abibos. Aus dem Nachlaß hrsg.
von Ernft v. Dobfchütz. (Texte u. Unterfuchungen
z. Gefch. d. altchriftl. Lit. 3. Reihe, 7. Bd., Heft 2.)
(VIII, 264 S.) gr. 8°. Leipzig,). C. Hinrichs 1911. M. 12 —
Dem der Wiffenfchaft zu früh entriffenen Oscar von
Gebhardt hat v. Dobfchütz ein würdiges Denkmal gefetzt,
indem er die von ihm begonnene Bearbeitung der Akten
des Gurjas, Samonas und Abibos in mufterhafter Weife
zu Ende geführt hat. Dabei war feine Arbeit keineswegs
darauf befchränkt, die Texte ,aus dem Nachlaß herauszugeben
'; er hat vielmehr gut die Hälfte der Arbeit, und
zwar gerade den entfagungsvollften Teil derfelben, felber
geleiftet, und die Prolegomena find fein Werk. — Das
Intereffe, das diefe, nach ziemlich gewöhnlichen Klifchees
gearbeiteten, unhiftorifchen Martyrien erwecken, liegt, von
ihrem Alter abgefehen, vorwiegend in der Art ihrer Überlieferung
. Wir haben es zu tun mit einem in der zweiten
Hälfte des 4. Jahrhunderts in Edeffa verfaßten fyrifchen
Text, deffen Verfaffer mit dem der Akten des oarbel und
Barfamija identifch ift. Die Urform ift verloren; erhalten
find eine erweiternde fyrifche Bearbeitung (S), eine fehr
gute armenifche Überfetzung (A) und zwei von einander
völlig unabhängige griechifche Überfetzungen (G1 und G2).
Aus G1 ift wieder eine erweiternde griechifche (G;l) und
eine lateinifche Bearbeitung gefloffen. Die Texte kommen
fo zum Abdruck, daß zunächft die aus S, A, G 1 G2
rekonftruierte Urform in deutfeher Sprache geboten wird,
darunter G1 und G2. Es folgt G3 und daran anfchließend
das berühmte Thauma der Heiligen, die Entrückung eines
im Gothenlande in ein Grabmal eingefchloffenen edeffenifchen
Mädchens, ein Stück, das, an antike Novellenmotive
anklingend, bei den Griechen weit beliebter gewefen
ift als die Martyrien. Auf G3 und Thauma beruht
wieder die Bearbeitung des Metaphraften, die jenen beiden
Texten Seite für Seite gegenübergeftellt wird. Die ungemeine
Bedeutung, welche die Texte des Metaphraften
als beinahe kanonische Texte gewonnen haben, läßt es
notwendig erfcheinen, fie in kritifch geficherter Geftalt
herauszugeben und die Arbeitsweife des Metaphraften
möglichft aufzuhellen; unter letzterem Gefichtspunkte
rechtfertigt fich auch' der Abdruck von G', von dem
fonft Proben genügt hätten. Es folgt der lateinifche Text,
das auch durch den Metaphraften benutzte Enkomion
des Arethas von Caefarea endlich die verfchiedenen
Gruppen der Menaeentexte.' Vorzügliche Indices bilden
den Befchluß. —

Nicht ganz klar find die Ausführungen auf S. XXX über die Ent-
ftehung von GJ. Diefen griechifchen Text in Süditalieu entbanden zu
denken, verbietet fleh m. E. fchou durch die Etwägung, daß im 5. und
6. Jh. Süditalien noch gar nicht wieder gräzifiert Ift. U*'5 der Text nur
in 2 füditalifchen Haudfchriften überliefert ift, wird ebenfo auf Zufall

beruhen wie z. B. daß für die eben von mir zum Druck beförderte Vita
des lykifchen Archimandriten Nikolaos eine füditalifche Handfchrift den
einzig vollftändigen und den weitaus beften Text bietet. Eher als auf
den Welten weifen die römifchen Monatsnamen einfach auf eine fpätere
Zeit. Ebenfo unwahrfcheinlich erfcheint mir die Beziehung des Mapxiavbq
naxpixioq der Handfchr. J in K. 40 auf den Schwager des Kaifers Zenon.
Sagen uns doch die Hiftoriker nichts von einer politifchen Kolle diefes
Markianos im Welten oder Ölten vor feinem Verfuch, fich 479 in Kon-
ftantinopel des Thrones zu bemächtigen. Denkt man G2 in Edeffa refp.
in Syrien entftanden, fo liegt doch ungleich näher, an den naxpixioq
Mapxiavbq zu denken, der 572/3 grade in Mefopotamien gegen die Perfer
zu Felde zog; vgl. auch das folgende vnoxäaomv abxw xa ßäpßapa
xal noXeßia sD-vrj, das, nach Analogie der fonftigen Auslalfungen von J,
doch wohl in der Vorlage von J geftanden haben wird.

Bezüglich des Thauma hebt v. D. S. XXVIII mit Recht hervo
wie fchwierig die Eutfcheidung darüber fei, ob die Handfchriftengrupp
A oder B die Urform darftelle. Auf den erften Blick ift man eher ge
neigt, für den leichteren B-Text zu ftimmen. Faft entfeheidend zu gunften
von A fcheinen mir folgende 2 Stellen: 1) K. 24 S. 172 bietet A mit
ol xjj yvvaixl xov röz&qv npoor'/xovXEq Sixrjv Xtbvxwv xazä xijq
xöpnq &paovv9-tvxeq ißovXomo xalxrjv dveXeiv eine ftraffe Konftruktion
und eine plaftifche Schilderung; mit inavtairjoav ol 1S101 xijq yvvaixbq
xov FvxS-ov älxTjV Xeyovxeq xaxa xijq xbpr/q xal bisyepiiiixEq
ißovXovxo xavxzjV dvfXclv hat B fowohl die Straffheit der Koultruktion
und der Gedankenfolge als die Plaftik des Ausdrucks zerltört; die Folgerung
ift fomit kaum abzuweifen, daß das Xbyovzeq durch Verlefung
(oder Verfchreibung in der Vorlage) von Xebvxaiv in Xeybvxuiv entftanden
ift. 2) In K. 24 S. 174 paßt allein das xal xijq xov oiößaxoq ävaaiSlaq
dgxovorjq npbq dvalptoiv xijq xöpnq bitipvXdx&n de napa 9toi> von
A iu dem Zufammenhaug, fofern diefe fchließlich gewählte Todesart damit
in Gegenfatz geftellt wird zu der zuDächft beabfichtigten des ßaodvoiq
nixpaiq vnoßaXslv xal ovxv) ügewaai So»//?; mit der an fich harten
Konftruktion rfyv xov oihßaxoq bvocobtav ßl/ ipfpovoa f) xbpn iie<pv
XayiXv napd xov &£OV zerltört B diefe urfprüngliche Gedankenfolge.
Nimmt man dazu das unpaffende, durch den dvi/p rbx&oq veranlaßto
röx&oi für Ovvvoi S. 150,8 und 186,16, fo kann als erwiefen gelten,
daß die Rez. B der Rez. A gegenüber fekundär ift.

Seite L hat v. D. die Thefe aufgebellt und mit guten Gründen geftützt,
daß, im Gegenfatz zu den Akten, das Thauma nicht auf einen fyrifchen
Text zurückgehe. Dabei war ihm entgangen, daß F. Nau in der Revue
de l'Orient Chretien XV. 190, S. 64—72, 173—191 einen fyrifchen Text
des Thauma mit franzöfifcher Überfetzung ediert und die Thefe verfochten
hatte, daß diefer fyrifche Text (fortan S) dem griechifchen IG) gegenüber
original fei. — S bietet einen bald mit G identifchen, bald ftark abweichenden
, teils längeren, teils kürzeren Text. Es zeigt fich fofort, daß
S auf feiten der Rez. A gegen Rez. B von G fteht (S bietet zweimal mit
A Hunnen gegen B Gothen, Nau p. 182 sub fin., 188 med., und mit
A Slxnv Xtbvxwv, Nau p. i86in.). Dadurch wird fofort ein Teil der
Argumentation von Nau gegenftandslos, denn er operiert mit einer griechifchen
Handfchrift vom Typus B. Im übrigen haben manche Partien
von S unverkennbar den Charakter von nachträglichen, den urfprünglichen
Zufammenhang Hörenden Erweiterungen. Vgl. bef.: 1) S p. 186 erfter
Abf. mit G p. 174: die Exekution der xöprj ift ftark erweitert; die Ein-
fchließuug in das Grab foll nur den Anfang der Martern darfteilen; Leute
aus der Stadt (sie) treten auf und wollen die Gefangene befreien; 2) S
p. 188 letzter Abf. mit G p. 186/8: während bei G die Pointe in der
naiven Selbllficherheit liegt, mit der der Mörder die Mutier der Gemordeten
auffucht, ift in der Erweiterung von S der nenoi&üjq ein Geäng-
ftigter geworden, der bei jeder Begegnung zufammenfehreckt und durch
eine umftändliche Verabredung der ganzen Verwandtfchaft erft in das
Haus der Mutter gelockt werden muß. Auch der feine Zug von G (p.
170, lo), daß das Kind uichtsahnend auf feine Mörderin zukriecht, ift in
S (p. 185 med.) durch eine in fich unmögliche Umftellung der Sätze
total verdorben. Aus G p. 166, 20 näv iizax&Eq xax avzfjq ömvoovoa
ift in S p. 184 fin. geworden; sa mattresse lui parlait avec grande haine,
obwohl G u. S gleich nachher ausführen, daß beide gar nicht mit einander
zu fprechen vermögen, Während G von 2<upa und olxoq des
Goten redet, fpricht S (p. 184,4; 186,10) von einer ntadt des Goten;
aus xov olxov ßa&tiv G p. 182, 22, nämlich das Haus der Mutter in
Edeffa, ift in S p. 187 fin. finnwidrig geworden: connaltre le nom du
village de sa mere. Aus dem allem folgt, daß S jedenfalls minder original
ift als G. Dabei wäre nun an fich denkbar, daß, wie in den Akten, S
fpätere Bearbeitung eines älteren fyrifchen Originals wäre. Doch fcheinen
mir — die Genauigkeit der Nau'fchen Überfetzung vorausgefetzt — zwei
Stellen nur aus Mißveiftändnis einer andersfprachigen Vorlage verftänd-
lich zu fein: 1) S bietet p. i85fin. finnwidrig: un festin fut offert ä ce
Goth et ses camarades l'y appelerent; in den Zufammenhang paßt nur
G p. 172 in. npoxptwaßivov xivaq ezalpovq xov dvdpbq npbq öetnvov.
2) S p. 188 med.: les ennemis Perses et Huns qui avaieut ete envoyes
pour faire laguerre; hier fcheint das finnlofe envoyeN entbanden zu fein
aus G p. 186, 17 nfßnexai ndXtv önb xov xibv Pwßatwv ßaoiXicoq
Ixarct ozpaxevßaxa, nämlich gegen die Goten und Hunnen. Um weiterzukommen
, müßten die Schriftzitate in S genau unterfucht werden. Jedenfalls
fcheint die Thefe über den griechifchen Urfprung des Thauma bis
jetzt nicht erfchüttert.

Der Freundlichkeit meines Kollegen Herrn Prof. J. Karft verdanke
ich einen Einblick in den armenifchen Text der Vitae et passiones sanc-
torum I, 1874, p. 273—277. Tit.: Martyrium des h. Gurias und Samonas
(refp. Samon). Inc.: ,In den Zeiten Diokletians des Königs ein Mann

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